15. Die Akte Teil 1

15 2 0
                                    

Ein neuer Tag began.
***
Nach der Uni erledigte ich meine Hausaufgaben, lernte ein wenig für die bevor stehenden Klausuren und lass in meinem neuen Roman. ,Liebe ist schmerzhaft' so hieß es. Es war bis jetzt ziemlich langweilig, keine spannenden Handlungen und die Charaktere wirkten nicht sehr sympathisch, soweit man es aus einem Buch hervor nehmen konnte.
Um 16:00 Uhr schnappte ich mir eine Banane aus der Küche, ging zur Garage und holte mein Fahrrad hervor. Es war das Fahrrad meines Vaters. Ich hatte ihn schon Jahre nicht gesehen. Grund daran war, dass er gar nicht mehr lebte. Mein Vater starb auf dem Weg zur Arbeit. Sein Chef rief meine Mutter um halb sieben an um ihr mitzuteilen, dass er einen tragischen Autounfall hatte. Ein Betrunkener Fahrer war meinem Dad in die Seite gefahren. Mein Vater starb sofort. Ein letzter Gedanke an meinen Dad, bevor ich mich mit einem Schwung aufs Fahrrad hob und mit einem heftigen Ruck in die Pedale trat. Los geht's dachte ich mir und radelte den kleinen Berg hinauf, an den Maisfeldern vorbei bis zur Hauptstraße. Ab hier einmal links zwei mal rechts und schon war ich angekommen. Ich war um 16:20 Uhr in der Praxis. Die Zeit reichte um schnell in die Berufskleidung zu schlüpfen und einen Schluck Wasser zu trinken. Um 16:29 Uhr stand ich fertig an der Theke, bereit einen neuen Patienten aufzurufen und ihn zu einem der Zimmer zu bringen. Manchmal fragte ich mich, warum es so einen Job gab. Es war keine Arzt Praxis wo man Menschen heilte. Ok, man heilte die Menschen schon bloß seelisch, irgendwie. Wieso mussten die Menschen aufgerufen werden? Wäre es nicht sinnvoller wenn die Therapeuten selbst ins Wartezimmer kämmen um ihren nächsten ,Patienten' mit zu nehmen?
Naja für mich war es das beste das dieser Job frei war, denn ohne den Job wüsste ich nicht wie ich an die Akte von Fredric hätte ran kommen können.
***
Ich hatte mir genau überlegt, wie ich die Akte raus schmuggeln würde. Alles war geplant, jetzt bräuchte ich nur noch den Auftrag eine neue Akte aus dem Aktenordnerraum zu holen.
Bingo, meine Schicht war fast vorbei, Ms. Walters hatte in einer halben Stunde einen neuen Patienten und da sie sich noch einen Kaffee machen wollte, bat sie mich diese Akte doch bitte aus dem Raum zu holen.
,Natürlich, ich lege sie ihnen dann ins Büro wenn das okay ist' antwortete ich mit einem verschmitzten Lächeln, welches sie zu meinem Glück nicht mitbekommen hatte.
***
Ich öffnete die Tür, schloss sie hinter mir und knipste das Licht an. Der Raum war groß, größer als mein Zimmer. Reihenweise Regale, Akten stapelten sich. Doch die Regale waren zu meinem Glück an der Vorderseite mit einem Buchstaben beschriftet.
Akten werden normalerweise nach dem Nachnamen einsortiert. Lenson, Fredric Lenson. Ich schaute bei L doch dort war kein Fredric Lenson. Es gab Larasson, Lengon sogar Lensson, aber kein Lenson. Ich wurde langsam unruhig, ich hätte die Akte für Melissa, Melissa Walters, schon längst zu ihrem Schreibtisch bringen sollen. Mir blieb wenig Zeit.
Fredric war damals verheiratet gewesen und da seine Frau ihren Nachnamen gerne behalten wollte, hatten sie beschlossen ihren Namen an zweite Stelle zu nehmen und seinen Familiennamen an letzte. Seine Frau war kurz nachdem er in Rente gegangen war an einem Herzinfarkt gestorben, weshalb er ihren Namen trotzdem gerne behalten wollte. Doch wie hieß er noch gleich?
A...Aram, Adam... Adams! Sein Name war Adams. Fredric Adams Lenson. Ich beeilte mich zum ersten Regal zu kommen, denn ich war bei L und A war das erste Regal, am Ende des Raumes.
Ich suchte nach Adams und Bingo! Ich packte die Akte unter mein T-shirt und stopfte das T-shirt in meine Hose, so trägt man das ja heute, ganz modern. Ich schnappte mir meine Jacke nahm die Akte für Melissa in die Hand und spurtete in ihr Zimmer. Sie saß bereits am Tisch die Arme verschränkt.
,Darf ich fragen warum das so lange gedauert hat?' Melissa sah nicht wirklich fröhlich aus, zu meinem Bedauern.
,Es, es tut mir leid. Ich...' ich musste überlegen, es waren zwei Sekunden vergangen. ,...ich hatte die Akte nicht sofort gefunden und dann ist mir eine andere runter gefallen und ich wollte sie nicht einfach liegen lassen also räumte ich sie zurück ins Regal, indem Moment fiel mir ein, dass ich Ihnen diese hier bringen sollte. Es tut mir leid es wird nie wieder vor kommen, versprochen.' Ich verzog die Miene, ich hatte Angst sie hätte vielleicht etwas gemerkt, vielleicht glaubte sie mir meine Geschichte nicht, aber das musste sie.
,Kindchen, das passiert doch jedem mal, du glaubst nicht wie viele Aushelfer wir schon hatten, die eine Akte sogar komplett zerstört hatten, ausversehen natürlich.' Sie lächelte und mit einer Geste zeigte sie mir ich könnte die Akte jetzt überreichen.
,Aber was machen sie dann mit den zerstörten Akten?' Das interessierte mich wirklich, schmissen sie sie weg? Oder klebten sie sie zusammen? Ich konnte mir nicht vorstellen das sich irgendjemand die Mühe machte, all diese beschriebenden Blätter wieder zusammen zu kleben.
,Nun das kommt drauf an wie alt die Akte ist, angenommen der Patient ist erst seit kurzem in der Praxis, wird die Akte so gut es geht zusammen geflickt. Sobald die Akte aber länger als 15 Jahre im Aktenraum war, wird sie unbedeutend, natürlich ist sie immer eine Absicherung gegen Anklagen oder andere Fälle, aber sollte eine dieser Akten zerstört werden, macht sich niemand die Mühe diese wieder her zustellen. Die Zeit haben wir nicht und der Aufwand ist gigantisch.' Melissa war wirklich sehr freundlich und als ich meine nächste frage ansetzte, klopfte es an der Tür.
,Das muss mein nächster Patient sein, wir sehen uns morgen Liebes. Und mach dir keine Sorgen wegen der Verspätung, ich bin nicht sauer.' Sie zwinkerte mir zu, ich verabschiedete mich und verließ den Raum mit gemischten Gefühlen.
***
Zuhause angekommen schmiß ich mich aufs Bett. Dieser Tag war anstrengend, anstrengender als ich geahnt hatte.
Niemand würde die Akte suchen, dachte ich mir, zumindest nicht wenn ich sie morgen wieder zurück brachte.
Ich hatte vor die Seiten mit meinem Handy zu fotografieren sodass ich sie immer bei mir hatte. Niemand würde je erfahren das ich sie geklaut hatte, wenn sie morgen wieder an Ort und Stelle stand.

14 Jahre zuspät...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt