Die Ex, der Stecher und das Kind

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„Es ist so schön dich endlich mal kennenzulernen!", grinste mich Vanessa an und ihre braunen Augen musterten mich ungeniert direkt. „Ähm, ebenfalls?", fragte ich und sie lachte. „Ha! Wie du beschrieben hast!"

Vanessa war groß, und verflucht dürr und hatte lange schwarze Haare und sehr, sehr weiße Haut. Sie grinste breit und frech und schien an sich irgendwie fast ein bisschen wie Felix zu sein, nur halt ganz anders.

Und sie machte mich ehrlich gesagt verflucht nervös! Besonders da sie anscheinend ganz genau wusste, wer ich war, was ich tat und ich zum verflucht aller ersten Mal was von ihr gehört hatte.

„Sag mal, musst du nicht Arbeiten oder sowas?", grollte Felix sie nun an. Kurz sah ich zu ihm rüber. Er war so weit entfernt von ihr wie möglich. Sie schien ihn sogar noch nervöser zu machen als mich, was ging hier gerade ab?

„Urlaub...", flötete sie jedoch dreist und frei.

Wir saßen zu viert in Liz Zimmer und Vanessa hatte sich wie selbstverständlich aufs Bett geworfen und nach Kalle und der Familie gefragt, Liz neue Lampe bestaunt und gesagt das der neue Haarschnitt so wie das Septum ihr perfekt standen!

„Ich habe immer gewusst, dass du was brauchst, was die Symmetrie unterstützt!", Vanessa drehte einer ihrer langen Haarsträhnen um die schlanken Finger. „Das einzige was Unterstützung braucht, bist du!", knurrte Felix. Ich grinste schief. „Wer von uns beiden hat den noch mit elf Stützräder gebraucht!", erwiderte Vanessa eiskalt und zum ersten Mal sah ich Felix erröten.

„Stütz...", setzte ich an. „Halt die Fresse!", schnauzte Felix Vanessa an. Ich blinzelte leicht amüsiert. „Ich weiß noch, als wir die Klassenfahrt nach Arendsee hatten und wir die Fahrradtour machen wollten...", Vanessa redete ungnädig weiter, „Und irgendwer musste hinten beim Lehrer auf den Gepäckträger, weil er selber nicht Fahrrad fahren konnte!" „Und wer ist die Böschung runter in die Brennnessel gerast?", giftete Felix zurück. „Wenigstens kann ich Fahrrad fahren!" „In der Ukraine hatte ich kein Fahrrad und hier brauche ich keins!" „Du solltest wenigstens Fahrrad fahren endlich lernen... So viel ich gehört hab kannst du ja auch kein Auto fahren!" „Ich kann Auto fahren!", diesmal erntete Liz den bösen Blick.

„Wie damals! Ich kann mit dem Brenner umgehen! Und zum Schluss hat das Chemielabor gebrannt!" „Ich hab' 'ne Woche nach faulen Eiern gestunken!", seufzte Liz. „Vanessa ist den Geruch anscheinend nie wieder losgeworden!", warf Felix ein. „Ich will gar nicht wissen, was an dir alles klebt, Dorfmatratze!", Vanessa pustete sich ihren Pony aus den Augen, „Außerdem hast du 'ne Zeitlang gefunden, dass ich ganz gut rieche!" „'Ne Zeitlang hielt man auch den Kommunismus für 'ne gute Idee!"

„Kommunismus!", sah Vanessa nun doch etwas ernster aus, „Ist eure Grandma in Sicherheit?" Verwirrt sah ich sie an, die Mutter von Frau Seifert war schon vor fünf oder sechs Jahren oder so verstorben. „Die war doch auch auf der Krim... Bei dem was da gerade abgeht!" „Tot!", sagte Felix eiskalt. „Alter!" „Nein, sie ist wirklich tot!", warf nun Liz ein, sie saß neben Vanessa auf dem Bett, sie schien gar nicht nah genug bei ihr sein zu können.

„Wir haben einen Brief gekriegt. Herzinfarkt. Letztes Jahr im Sommer..." „Mies!", Vanessa tätschelte liebevoll Liz Schulter. Ich verstand hier kein Wort mehr.

„Sie war mies!", sagte Felix, es lag ein Ton seiner Stimme den ich nicht kannte. „Sie hat kein Gedanken an uns verschwendet als wir im Waisenhaus verschimmelt sind, aber als dann 'ne reiche deutsche Familie hinter uns stand... Oh, meine armen Enkelchen!" Fast grob fuhr Felix sich durch die Haare, sehr untypisch für ihn. „Fotze!"

„Felix!", sagte Liz, doch auch sie klang seltsam. „Früher hast du so noch nicht geredet!", warf nun wieder Vanessa ein. „Früher habe ich viele Dinger sehr falsch gesehen!", sagte Felix und fixierte sie kurz, „Wie dich!" „Ich finde eindeutig dein Bruder sollte netter zu deiner besten Freundin sein!", leckte sich Vanessa über die Lippen, „Die schließlich auch seine Ex- Freundin ist!" „Ex...", vollkommen überrumpelt sah ich zu Felix. Wütend sah er kurz zu mir und dann zu der Schwarzhaarigen.

„Ich würde mir wünschen, du würdest für immer verschwinden..." „Ich finde es immer entzückend, wenn du so tust, als hättest du mich nicht vermisst!" Vanessa war Felix Ex- Freundin... Sie waren...

Immer weiter stritten die Beiden hin und her. Mein Magen sank mir zwischen die Kniekehlen. Ich hatte von all dem nichts gewusst, von gar nichts!

Ich wusste noch nicht einmal, dass Vanessa oder eine Großmutter auf der Krim existierten... Ich...

Seufzend stand ich auf, umständlich klatschte mein Rucksack zu Boden. „Ich... ich werde dann mal los...", sagte ich schnell und raffte meine Sachen zusammen. „Was? Wo willst du denn schon hin?", fragte Felix, „Ich dachte wir planen für die Party..." „Wir planen gar nichts, außerdem habt ihr Besuch!" Ich flüchtete aus Liz Zimmer.

„Ganz schön dramatisch, der Kleine...", hörte ich Vanessa noch sagen. Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten. „Lui! Was...", Felix kam mir nach, „Nimm einfach nicht ernst was Vanessa sagt, sie..." „Das Problem ist wohl eher, dass du mich nicht ernst nimmst!", pöbelte ich ihn an. Verwirrt blieb er stehen. „Was..." „Ich will keine Party! Krieg das endlich in deinen Kopf rein!" „Ach, Lui...", setzte er an und wollte mir durch die Haare zauseln. „Ich habe NEIN gesagt!", ich schlug seine Hand weg, „Hör endlich auf mich wie ein Kind zu behandeln!"

Ich packte mein Skateboard im Flur und riss die Haustür auf. „Man muss nicht die Beine für jeden breit machen um erwachsen zu sein!" Und damit feuerte ich die Tür vor der Nase meines besten Freundes zu.

Krampfhaft versuchte ich nicht zu heulen. Ich wusste selbst nicht was hier gerade los war, ich wusste nur das ich Felix am liebsten gegen die nächste Wand werfen würde! Dieser Vollidiot, ich...

„Pass doch auf!" Meine Schulter traf jemand anderen, unsanft. Blinzelnd sah ich auf. Wenn es ging fühlte ich mich noch schlechter. Das war, wie Kalle ihn genannt hatte, Felix Stecher- Jerome!

Er war fast anderthalb Köpfe größer als ich, tätowiert, gutaussehend, erwachsen...

„Man, gehen mir diese Blagen auf den Sack!", murrte er und ging nun dorthin wo ich hergekommen war, zu Felix...

Ohne mich nochmalumzudrehen stieg ich auf mein Board und ratterte die Straße langrunter.

Junk LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt