„Ihr Zustand ist kritisch. Sie hat sehr viel Blut verloren."
Nur erschwert konnte ich die Augen öffnen, begutachtete verschwommen meine Umgebung. Ich spürte etwas an meiner Hand, sah wie neben mir jemand im nahestehenden Bett lag und mich sorgenvoll musterte. Billie.
„Ich weiß, Sie hätten normalerweise Anspruch auf ein Einzelzimmer, Mr. Armstrong. Aber da derzeit aufgrund einer Massenkarambolage alle Betten belegt sind, mussten wir Sie leider mit Mrs. Walker auf ein Zimmer verlegen."
Mit einem Mal spürte ich all die Kabel, an die mein Körper angeschlossen war. Alles schmerzte furchtbar. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich tatsächlich in einem Krankenhaus befand. Aber wenn, schienen sie von Morphium noch nicht allzu viel gehört haben.
„Aha und das ist jetzt Ihr einziges Problem? Sie erzählen mir, dass die Tochter meiner Freundin möglicherweise nicht überlebt und im gleichen Atemzug entschuldigen Sie sich dafür, dass ich nicht wie der Papst behandelt werde. Was ist denn das hier für ein Krankenhaus?", hörte ich ihn fluchen und vernahm, wie jemand zur Tür ging.
„Ich würde notfalls auch auf dem Flur übernachten, wenn Sie mir garantieren, dass Sie alles für die Kleine tun. Nur offenbar zählt hier das zwei Klassensystem schlechthin. Wenn sie nicht versichert wäre, hätten sie sie gar nicht behandelt."
Damit wurde die Tür zugeschlagen. Laut meinem schwachen Blick, blieb Billie mit Amanda allein zurück. Offenbar war der Arzt gegangen und an ihrer Stelle hatte sie den Raum betreten.
„Ich verstehe nicht, was da in Samantha fahren konnte. Es tut mir so leid. Hoffentlich heilt dein Bein ohne Komplikationen", ertönte nun die Stimme meiner Mutter, deren einziges, derzeitiges Problem darin bestand, an die Genesung ihres Angebeteten zu denken und die Schuld bei mir zu suchen.
Aber wenigstens blieb ich nicht mehr die Einzige, der das allmählich bewusst wurde.
„Amanda, ich denke wir müssen und dringend unterhalten."
„Ich werde dir das Schmerzensgeld selbstverständlich zahlen."
Doch ich sah, wie er abwinkte.
„Darum geht's hier doch gar nicht. Checkst du nicht, dass hier etwas Wesentliches falsch läuft?"
Ohne hinüber zu sehen, spürte ich, wie sie ihn aus ahnungslosen Augen anblickte.
„Dein Kind liegt hier. Schwer verletzt und dein einziges Problem besteht darin, dich bei mir zu entschuldigen, ohne zu überlegen, warum es überhaupt soweit kommen konnte. Wie wichtig ist dir deine Tochter? Siehst du sie eigentlich? Was ist Sam für dich wirklich?"
„Natürlich. Sie ist mein Kind. Was ist das für eine Frage?"
„Den Eindruck hatte ich in den letzten Tagen nicht."
Ohne sie anzusehen wusste ich, dass sie sich vor ihm aufbaute.
„Billie Joe, was soll das?"
„Ja, das frage ich dich. Hast du sie eigentlich schon einmal umarmt? Ihr gesagt, dass du sie liebst?"
„Auf welcher Seite bist du eigentlich?"
„Auf welcher Seite?" Hier geht's nicht um ein beschissenes Baseball Match, sondern darum, dass du dein Kind mit einer nicht tolerierbaren Kälte behandelst."
„Kälte?"
Ich schloss resignierend die Augen, versuchte die Tränen zu verdrängen.
„Amanda, wer war die Frau, in die ich mich vor sechs Monaten verknallt habe? Wo ist die jetzt?"
Sie schien deutlich um Fassung zu ringen.
„Ich liebe dich, Billie Joe. Ich habe mir Sorgen gemacht. Um euch beide. Sie hätte dich umbringen können."
Er schüttelte abwertend mit dem Kopf. Erst jetzt, als meine Sicht zunehmend klarer wurde, fiel mir auf, dass er in der typischen Krankenhauskleidung in einem Bett neben mir verharrte.
„Du gehst jetzt besser. Sam braucht sicher noch Ruhe. Vielleicht kannst du ein paar Sachen für sie holen und wir zwei reden an einem anderen Tag weiter. So macht das jedenfalls keinen Sinn. Ich denke, wir müssen noch einmal in aller Ruhe über die Dinge der vergangenen Wochen sprechen. Möglicherweise sollten wir uns auch vorübergehend eine Auszeit gönnen."
In ihren Augen glitzerten Tränen.
Sie schien fassungslos über sein Verhalten. Ein Zustand, indem ich meine Mutter selten sah. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich sie unmittelbar nach dem Tod meines Vaters derart aufgelöst gesehen hatte.
„Warum auf einmal?"
Er musterte sie mit abwertender Mimik.
„Wenn du das nicht kapierst, dann weiß ich es auch nicht mehr. Ich liebe dich, Amanda. Aber vielleicht solltest du erst einmal mit Sam ins reine kommen. Vermutlich ist das alles noch zu früh. Wobei ich es definitiv nicht in Ordnung finde, wie du mit ihr umgehst. Sie ist ein tolles Mädchen und ganz sicher nicht der Sündenbock für deine Unzufriedenheit. Wie auch immer, aber all das sind definitiv nicht die besten Voraussetzungen, um eine ernste Beziehung einzugehen."
Damit ging sie wortlos zur Tür, wandte ihm offenbar den Rücken zu. Ich war mir sicher, dass sie heulte.
„Ich komme später wieder", flüsterte sie tonlos, bevor sie endgültig verschwunden war.
Monotone Stille. Wortlos blieben wir zurück.
Nur die Überwachungsgeräte piepsten.
Als ich meine Augenlider öffnete, wurde er erstmals auf mich aufmerksam.
„Hey, willkommen im Leben."
Ich musste husten.
„Danke, dass du mit ihr geredet hast. Aber...bitte geh nicht", waren meine ersten Worte.
Es fiel mir schwer zu sprechen. Meine Stimme klang wie die Aufnahme eines Schmalspurgeräts.
Verblüfft sah er mich an.
„Du siehst jetzt erst einmal zu, dass du wieder auf die Beine kommst."
Er wollte meine Hand loslassen, doch ich krallte mich an seine Finger.
So sehr ich bis vor einigen Tagen noch darauf hin gearbeitet hatte, umso schrecklicher fand ich die Vorstellung, dass er die Beziehung für beendet erklärte und ging. Nicht nur, dass ich mich schuldig fühlte. Mittlerweile wusste ich, dass ich mich in ihm getäuscht hatte. Er war innerlich ein verdammt netter Kerl. Wer weiß, wie der nächste werden würde, dem meine Mutter verfiel.
Irritiert sah er mich vom nebenliegenden Bett an.
„Billie, bitte. Es war mein Fehler. Versuch das nicht auf sie zu übertragen. Gib sie nicht auf", flehte ich ihn an, weshalb er sich unter Schmerzen nach oben erhob, sich schwerfällig die Krücken schnappte und samt Gipsbein zu mir humpelte.
Er ließ sich am Rand meines Bettes nieder, sah mir skeptisch entgegen und stöhnte.
„Samantha, bei aller Liebe. Aber zuerst versuchst du mich mit gezielten Strategien aus eurem Haus zu vertreiben, wir gehen beide fast drauf dabei. Zwischen dir und deiner Mutter scheint seit dem Tod deines Vaters Funkstille zu bestehen. Ihr zwei habt massive Probleme miteinander, die von beiden Seiten auf mich übertragen werden. Vermutlich seid ihr noch gar nicht über den Verlust hinweggekommen und jetzt soll ich eure Probleme kitten und so tun, als ob nie etwas passiert wäre? Mir wird gerade klar, dass ich gar nicht weiß, was ich wirklich für deine Mutter bin? Zeitvertreib? Trostpflaster? Und selbst wenn sie etwas für mich empfindet, bin ich mir bei weitem nicht sicher, ob diese Probleme zwischen ihr und dir die besten Voraussetzungen für eine neue Beziehung sind."
Verzweifelt sah ich ihn an. Er raufte mir liebevoll durch die Haare. Eine Geste, die mir die Tränen in die Augen trieb.
„Hör mal, Sam. Du tust mir wirklich leid. Du hast trotz dieser fragwürdigen Aktion mit Sicherheit einen netten Kern, den du nicht immer herauskehren lässt. Nur, mehr als dir anzubieten, dass wir uns wenn etwas Zeit vergangen ist, noch einmal zusammensetzen, kann ich wirklich nicht. Ich muss das jetzt auch erst einmal für mich verarbeiten und dann wird die Zeit zeigen, ob wir uns alle noch einmal zusammen raufen können."
Er sagte das mit einer Emotionslosigkeit, als würde er die Lottozahlen fürs Wochenende verkünden.
„Ich wünsche dir natürlich, dass du dich schnell wieder erholst."
Das klang nach Abschied. So, als ob er vorhatte so schnell wie möglich dieses Zimmer zu verlassen. Einzig und allein sein Gipsbein machte es ihm schwer möglich, diese Vorahnung zu realisieren.
„Billie?"
Er wollte bereits aufstehen, sah dann aber noch einmal auf mich.
„Was hast du damit vorhin gemeint? Dass sie mich nicht sieht?"
Natürlich wusste ich längst worauf er hinauswollte. Aber ich war darauf erpicht, es von ihm zu hören.
Unsicher sah er mich an. Offenbar zögernd, ob er mich ein weiteres Mal verletzen sollte.
„Ich weiß noch nicht, warum sie so reagiert und all die negativen Dinge auf dich transferiert. Nie an dir das positive sieht. Damit ist gemeint, dass sie wahrscheinlich gar nicht weiß, wie du wirklich bist. Ich finde, ihr solltet dringend daran arbeiten. Vielleicht auch professionell."
„Versprichst du mir was?"
Er legte den Kopf schief, fast als ob er mir signalisierte, dass er zunächst auf meinen Vorschlag wartete.
„Geh bitte nicht für immer."
Er seufzte schwer, nickte widerwillig.
„Wir werden sehen."
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Sam (Green Day fanfiction)
Fanfiction(Green Day) Nachdem Sam ihren Vater verliert, bricht für sie eine Welt zusammen. Sie flüchtet in ihre Erinnerungen, aus denen sie erst erwacht, als sie von ihrer Mutter mit ihrem neuen Stiefvater konfrontiert wird. Um wen es sich dabei handelt und o...