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„Weshalb tust du das, Billie? Ich meine, das alles hier? Warum hilfst du mir? Ich meine, dir ist klar, dass ich dich fast umgebracht hätte. Und du bleibst hier, kümmerst dich um mich, ohne mich liegen zu lassen", sprach ich in die Dunkelheit. Er reagierte erst sehr viel später.

„Erstens habe ich vermutlich mehrere gebrochene Knochen und könnte mich ohnehin nicht fortbewegen und zweitens solltest du nicht von dir auf Andere schließen. Wir sind hier momentan eine Zweckgemeinschaft. Nur, weil du mir das Leben zur Hölle machst, musst du nicht davon ausgehen, dass es auf Gegenseitigkeit beruht. Entweder wir kooperieren, oder wir gehen baden. Was wir später daraus machen ist eine andere Sache."

Klasse Antwort. Besser hätte ich es auch nicht formulieren können. Damit hatte er mich recht schnell auf den Boden der Realität zurückgeholt. Doch ich ging noch einen Schritt voran.

„Angenommen wir kommen hier lebend weg. Was ich noch nicht glaube. Aber wie wird es dann weitergehen?"
Obwohl es dunkel war, konnte ich spüren, wie er mich eindringlich musterte.

„Ich denke, dass ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt."

„Und wann ist er? Wenn wir Kannibalismus betreiben, weil wir kurz vorm verhungern stehen?"
Falls es überhaupt soweit kam.
Aber ich hoffte, er verstand worauf ich hinaus wollte.

„Sei ehrlich, Billie. Ich werde es verkraften."
Das hoffte ich zumindest. In jeglicher Hinsicht.

„Du bekommst deinen Willen und ich mache die Biege. Ich würde mir etwas Eigenes suchen. Mir ist das hier wirklich zu viel. Das mit uns wird so nichts und ob deine Mutter mittlerweile schon wieder für eine Beziehung bereit ist, daran habe ich allmählich auch meine Zweifel."
Trotz der Tatsache, dass ich bisher mit aller Kontinuität an seinem schnellsten Rückzug gearbeitet hatte, war ich mit einem Mal wahnsinnig enttäuscht. Da war Leere in mir, die ich nicht zuordnen konnte. Was ging denn plötzlich ab? Weshalb sträubte ich mich dagegen, dass er nicht blieb?

Nach all dem was in den letzten Stunden passiert war, fühlte ich mich hundsmiserabel. Ich wollte nicht mehr dass er ging.

„Warum? Ich dachte, ihr liebt euch?"
Er veränderte seine Position, gab einen leichten Schmerzensschrei von sich, weil er sich vom Rücken auf die Seite drehte, aber noch immer neben mir auf dem harten, steinigen Boden lag.
Ich selbst merkte zunehmend wie meine Kräfte schwanden. Mir wurde kalt. Auf eine Art und Weise von der ich spürte, dass es nicht an den nächtlichen Temperaturen lag.

„Das kann schon sein. Aber ob das auch auf Gegenseitigkeit beruht? Nach all dem was du mir erzählst und was ich gesehen habe, weiß ich nicht, was ich für deine Mutter bin. Ein Trostpflaster? Ein Überbrückungsmittel, um die Zeit zu ertragen? Das ist auch ein extremer Druck, verstehst du? Auf der einen Seite ist da diese Frau, die ich liebe und andererseits existiert dieses Mädchen, das sich nach seinem Vater sehnt, dessen Tod nicht verkraftet hat, mich deshalb fast umbringt und durch das ich mich frage, ob das hier alles zum richtigen Moment geschieht. Nenn mir einen guten Grund, warum man sich so etwas freiwillig antut? Ich stehe nicht auf Harakiri. Und selbst wenn sich deine Eltern kurz vor der Scheidung befanden, teilen sie eine lange Zeit. Vielleicht sollte Amanda die Dinge erst einmal mit dir aufarbeiten, ehe wir uns binden."

„Denkst du das wirklich?"

„Meinst du, ich würde hier Witze machen?"

„Hat es keinen Grund, warum du dich für sie entschieden hast? Weshalb sie dich fasziniert?"
Ich spürte, dass er lächelte.

„Deine Mutter ist etwas Besonderes. Auf eine spezielle Art und Weise. Direkt, offen, besitzt das was meine Frau nie hatte."

„Deshalb hast du dich von Adrienne getrennt?"
Er nickte.
Mittlerweile hatte ich Mühe nicht weg zu dämmern, denn der Blutverlust samt Verletzungen machten mir sehr zu schaffen.

„Wir hatten uns auseinandergelebt. Sie war nicht mehr ehrlich. Das wurde mir spätestens klar, als  ich in den Therapiestunden beim Entzug saß und mir bewusst wurde, wem ich das Ziehen der Reißleine verdankte. Mein Manager hat mich zu einer Klinik gedrängt. Nicht meine Frau. Man konnte mit Adrienne Pferde stehlen. Aber vermutlich war genau das der Fehler. Sie hat sich seit dem Erfolg von American Idiot nicht mehr getraut, mir offen die Meinung zu sagen."

Mit diesen Worten schloss ich die Augen, während er seine Erzählungen weiter ausbaute.

Ich wusste nicht, wie er es schaffte, aber irgendwann ging am Horizont die Sonne auf. Die Nacht war überstanden

Dennoch hatte sich mein Zustand zunehmend verschlechtert.
Ich verlor immer wieder das Bewusstsein, weshalb mein Leidensgenosse alle Mühe hatte, mich bei Bewusstsein zu halten.

„Billie?", hauchte ich leise, als meine Armbanduhr anzeigte, dass wir mittlerweile den Nachmittag erreicht hatten.

„Ich kann nicht mehr", gab ich ihm schwach zu verstehen, kündigte damit indirekt mein baldiges Ende an.
Mit müden Augen erkannte ich sein besorgtes, Blut verschmiertes Gesicht über mir.  Er sah aus, als ob er gleich heulte. Behutsam tätschelte er meine Stirn.

„Samantha, mach jetzt keinen Mist. Du hast dein halbes Leben noch vor dir."
Abe ich winkte flüchtig ab, lächelte schwach.

„Lass mich", flüsterte ich brüchig und bat um Erlaubnis, dass er nicht weiter um mich kämpfte, als von weitem ein lautes Hupen ertönte.
Ich stöhnte vor Fieber und Schmerzen, glaubte zunächst an eine Halluzination. Doch die Töne kamen näher.

Mit letzten Kräften schien ich zu realisieren, wie Billie zu schreien begann, sich unter Qualen aufrichtete und mit den Armen wedelte.
Dann verhallten die Geräusche und ein Strudel zog mich in die Dunkelheit...

Sam (Green Day fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt