1. Zu viele Frauen verderben den Brei... oder in meinen Fall den Morgen

276 11 2
                                    


Caiden

Mir brummt der Schädel, als hätte sich dort ein schlecht spielender Schlagzeuger mit einem Vorschlaghammer eingenistet, um mich zu traktieren. Verflucht, was hatte ich gestern nur getrieben, oder besser gesagt, alles in mich hineingeschüttet? Im nächsten Moment erklingt ein klirrendes, lautes Geräusch, als würde die gesamte Glasfront des Hotelzimmers einstürzen. Ächzend nehme ich den Arm von meinen brennenden Augen und blicke mich blinzelnd im Zimmer um. Eine nackte, große Blondine mit langem, welligem Haar tapst über den Boden, was sich viel zu laut für ihre schmale Gestalt anhört, und wischt mit einem Shirt über den Tisch. Das umgefallene Glas stellt sie aufrecht hin und blickt kichernd zum Bett. „Tut mir leid. Ich räum das schnell auf. Danach mache ich es wieder gut, versprochen."

Dabei schenkt sie mir ein kokettes Lächeln, das mich gestern noch angemacht hätte, mir heute jedoch Übelkeit bereitet. Vermutlich hat sie den Tisch nach ihrer nicht besonders überraschten Miene absichtlich gestoßen, um auf sich Aufmerksam zu machen. Berechnend, manipulativ und somit gar nicht mein Fall. Aber leider genau das, was ich viel zu oft bekomme. Außerdem braucht sie sich nicht zu bemühen, egal was sie tut oder wie sie heißt. Jeder Ritt mit mir ist eine einmalige Sache, bei er es keinen Nachschlag gibt. Nur einmal habe ich die Warnung meiner Mutter ignoriert, was ich bis heute bereue. Obwohl ich mich in diesem Moment nicht einmal richtig an den ersten Ritt erinnern kann. Einen derart gewaltigen Filmriss hatte ich schon lange nicht mehr. Nicht mehr seit Mums Todestag vor einem halben Jahr. Aber andersherum geht es mir zu Thanksgiving und den Todestagen immer am dreckigsten. Die zwei Tage im Jahr, die ich am meisten verabscheute. Dicht gefolgt von Weihnachten. Was soll ich sagen, meine Mutter stand eben auf diese familiären Feiertage, wenngleich wir mit meiner Schwester Madeline immer zur zu dritt gewesen waren. Wir gegen den Rest der Welt. Bis meine Mutter und Madeline auf einmal nicht mehr da gewesen sind. Und nun bin ich weiterhin hier und betäubte mich und mein Leben mit Parties und Alkohol. Zu viel Alkohol, wie ich soeben feststelle.

Einige verschwommene Bilder von gestern sausen durch meinen schmerzenden Kopf: feuchte Haut, glänzende Nippel, rhythmische Bewegungen, erregtes Wimmern und lustvolles Geschrei. Viel Gestöhne und Geschrei. Laute, an die ich mich im Moment nicht erinnern will. Besonders nicht, wenn ich wegen meines Katers fast nicht geradeaus sehen kann und ihre Stimme wie Schmirgelpapier über mein Gehirn kratzt. Verdammt, ich muss sie schnellstens loswerden, wie auch immer sie heißt. Noch bei diesem Gedanken feststeckend, raschelt die Daunendecke neben mir.

„Halt die Klappe, Sally. Mein Schädel brummt und deine Stimme ist an diesem Morgen viel zu piepsig", mault eine Frau mit hellbraunem Haar, die ebenfalls vorsichtig unter der Decke hervorblinzelt. Verdammt, ich muss heute Morgen gleich zwei Frauen loswerden und zwar schnellstens. Ihre Augen sind gerötet und zieren dicke Augenringe. Vermutlich sehe ich nach gestern Nacht nicht viel besser aus, dennoch schenkt mir die Schönheit neben mir ein einladendes Lächeln. „Guten Morgen, du Hengst. Gib mir etwas Zeit und Sally und ich sind fit für eine weitere Runde."

Verdammt. Gerade eben habe ich keinen Bock auf Sex. Nicht falsch verstehen, Sex ist immer eine wunderbare Sache. Jedoch nicht, wenn ich meine Ruhe haben will und versuche, das Dröhnen in meinem Schädel zu ignorieren oder diese Jahreszeit zu überstehen. Und wie gesagt – einmal mit derselben Frau reicht vollkommen. Keine Bindung, keine Enttäuschungen. Schwerfällig werfe ich die Decke zur Seite, schwinge die Beine über das Bett und stehe auf. Dabei schnappe ich mir unauffällig mein Handy und marschiere in meiner nackten Pracht Richtung Badezimmer. „Ich brauche eine schnelle Dusche. Fühlt euch in der Zwischenzeit wie zuhause. Bin gleich zurück."

Sogar meine Stimme klingt rauer als sonst. Zum Glück hatten wir gestern unser letztes Konzert. Nun liegt über Thanksgiving und Weihnachten eine längere Pause vor uns, bevor die nächsten Plattenaufnahmen und die Tour im Sommer anstehen. Rasch schleiche ich in das Bad und schließe die Tür hinter mir, bevor eine der beiden auf die Idee kommt, mir zu folgen. Übelkeit durchzuckt mich und mein ganzer Körper schmerzt, nachdem ich mich auf den Wannenrand niedergelassen habe. Ich will aus diesem Zimmer raus, zum Flughafen düsen und London den Rücken kehren. Die nächsten Tage allein in meinem Haus verbringen, klingt im Moment himmlisch. Am besten in Edinburgh statt in L.A. Ich habe in drei Großstädten eine Wohnung, aber jene in Edinburgh ist mir am liebsten. Sie fühlt sich am meisten nach Heimat an. Dort, wo ich mit Mum und Maddy gewohnt habe, als wir noch klein waren. Jetzt ist es mein Zufluchtsort, mein Refugium. Um mich dort zu verschanzen, wie es so schön heißt. Gemeinsam mit meinen besten Freunden Jim Beam und Smirnoff. Zuvor muss ich diese zwei Frauen loswerden, obwohl ich gerade nicht den Nerv habe, mich mit ihnen herumzuschlagen. Mir ist klar, ich klinge wie ein Arschloch. Zumindest weiß ich, wer ich bin. Daher tue ich das, was ich schön öfter getan habe. Ich schreib per SMS einen Hilferuf an Cam. Auf sie ist so gut wie immer Verlass.

„S. O. S. Rette mich! Zwei Furien haben mich in ihre gierigen Fänge bekommen, um mich auszusaugen. Ich fürchte um meine Sicherheit und du bist die einzige, die mich retten kann."

Das ist ein wenig dick aufgetragen und Furien ist übertrieben, zugeben. Aber ich kann mir beim Lesen dieser Nachricht Cams schiefes Grinsen zu gut vorstellen. Sie steht auf so fantastisches Zeug wie Furien, Götter, Vampire. Mädchenkram eben. Wenige Minuten später, in denen ich tatsächlich eine schnelle Dusche bewerkstellige, höre ich die Hotelzimmertür aufschwingen. Gefolgt von Cams unverkennbarer, rauchigen Stimme. „Hallo Schatz. Ich bin zuhause."

Im nächsten Moment vernehme ich ihr lautes, überzeugend gespieltes Aufkreischen. Dann ein Poltern und mindestens ebenso lautes Mädchengekreische. Ein Schwall von „Was treibt ihr mit meinem Mann? Ihr Flittchen!", über „Was soll ich unseren drei Kindern erzählen?" bis hin zu „Verschwindet! Auf. Der. Stelle!", folgen.

An diesem Punkt trete ich, nur in ein flauschiges Tuch um die Hüfte gewickelt, aus dem Badezimmer in den Raum, in dem sich die drei Frauen befinden. Eine davon scheint furchtbar angepisst. Sie hat die Arme in die Hüfte gestemmt und wirft einen vernichtenden Blick auf die anderen beiden, die schleunigst ihre Klamotten zusammen suchen. Mit der reuevollsten Miene, die ich aufbringen kann ohne zu lachen, nähere ich mich meiner erfundenen Ehefrau. Vorsichtig strecke ich die Arme aus, wie bei einem scheuen Reh. Oder eher wie bei einem wütenden Ackergaul, der jeden Moment mit den Hinterbeinen ausschlagt. Schmerzhaft. Richtung Eier.

„Hey, Baby. Es tut mir so wahnsinnig leid. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich war betrunken. Das passiert nie wieder, ich verspreche es dir. Ich war nicht ich selbst und ich tue alles, alles, was du willst, um es ungeschehen zu machen. Ich liebe dich. Bitte."

Bei der Erwähnung, ich würde alles tun, blitzen Cams Augen amüsiert und gleichzeitig hinterhältig auf. Kurz überkommt mich ein ungutes Gefühl bei der Sache, so etwas tatsächlich laut anzubieten. Ich tue mir schwer, jemanden einen Gefallen schuldig zu sein. Selbst Freunden. Das hat mit Vertrauten zu tun. Einem, das ich nicht habe. Statt mich auflaufen zu lassen, spielt Cam weiterhin die betrogene, angepisste Ehefrau, bei dessen Anblick die beiden Grazien fluchtartig das Hotelzimmer verlassen. Verdammt verständlich. Hätte ich nicht einen heftigen Kater, würde ich ihnen schleunigst folgen. Wow, Cam hätte statt Tontechnikerin, lieber Schauspielerin werden sollen. Mich wundert es immer wieder wie wandelbar sie in ihre zugeteilten Rollen schlüpft. Bei ihr kann ich mir noch einiges abschauen.

My Blind Wedding DATEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt