Kapitel 31: Der Tag danach

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》I woke up from my sweet dream and close my eyes《

Yoongi

Seit mehreren Stunde starrte der Dunkelhaarige an die Decke seines Zimmers. Die einst von der Dunkelheit verschlungene, weiße Decke wurde von Minute zu Minute sichtbarer, je heller es wurde. Yoongis Kopf wandte sich dem Fenster zu, aus welchem er ungläubig hinaus in die Morgendämmerung sah. Er wandte seinen Kopf wieder zur Decke und schloss seine Augen. Als Soohee's verzweifeltes und zugleich verletztes Gesicht jedoch vor ihm auftauchte, öffnete er sie blitzartig wieder. Sein Körper fühlte sich nicht mehr an wie sein eigener Körper. Er fühlte sich an, wie der Körper eines Monsters, in welchem seine verletzte und hilflose Seele erneut gefangen war. Seine Gefühlswelt befand sich in einem einzigen Chaos, in welches er keine Ordnung bringen konnte. Es war als würden Gase von seinem Herzen und seinem Kopf ausgehen, die sich zu einer giftigen Substanz vermischten und deren Gegengift ebenso unbekannt war, wie ein Heilmittel gegen Krebs.

Er konnte seinen Gefühlen und seinen Gedanken kaum stand halten und in den vergangenen Stunden hatte er bereits gemerkt, dass sein Körper von Mal zu Mal kraftloser wurde. So fest hatte er daran geglaubt, dass er mit Soohee endlich sein Glück gefunden hatte. Dass Gott ihm seine Schuld verziehen hatte. Dass er genug für seine Taten gebüßt hat. Als er jedoch im Polizeirevier aufgewacht war, hatte er deutlich begriffen, dass er einen naiven Traum gelebt hat, aus den Nam Bireom ihn geholt hatte. So sehr sein Herz auch schrie, so sehr sein Herz Soohee's Nähe verlangte und brauchte, so sehr wusste er auch, dass ihr Vater mit allem Recht gehabt hatte.

Yoongi wusste, dass er niemals der Mann sein konnte, mit dem Soohee wirklich eine Zukunft hatte. Die Leute würden schlecht über sie reden, wenn sie von deiner Vergangenheit erfahren würden. Sie wäre die Frau von dem kriminellen Mann. Yoongi wusste genau, wie die Gesellschaft Menschen wie ihn verstoßen und er wusste genau, dass sie Soohee ebenfalls verstoßen würden. Bei deinen Noten wirst du nicht einmal einen guten Job bekommen. Du könntest ihr niemals ein Leben schenken, in welchem sie sich keine Sorgen machen müsste, wie sie den nächsten Monat überstehen soll. Das erste Mal in seinem gottverdammten Leben bereute es Yoongi, dass er sich in der Schule nie angestrengt hatte und sich nicht um seine Noten gekümmert hatte. Denn jetzt, wo alles von diesen abhing, war es zu spät. Und zu wissen, dass ihm alle Türen aufstehen würden, wenn er nicht so faul gewesen wäre, machte ihn überaus wütend auf sich selbst. Du hättest ihr niemals eine glückliche Familie schenken können. Wie auch? Deine Mutter weilt nicht mehr unter den Lebenden. Dein Vater hasst dich. Ihr Vater hasst dich. Wie sollten schon Kinder in einem solchen Umfeld problemlos aufwachsen können? Du weißt, dass es die einzige Möglichkeit war, ihr die Möglichkeit zu geben, all das zu bekommen, was du ihr verwehren würdest. Yoongi wusste, dass all seine Gedanken logisch waren und dennoch fühlte er sich ohne Soohee wie eine leere Hülle.

Ein letztes Mal schloss Yoongi seine Augen und versuchte seinen Schuldgefühlen und seinen Schmerz herunterzuschlucken, ehe er seinen schlaffen Körper dazu drängt, sein Bett zu verlassen. Auch wenn es ihm nicht sonderlich gefiel, erstmal bei seinem Vater sein zu müssen, war er dennoch froh, wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben. Yoongi schleppte sich in die Küche und griff nach einer Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, deren Inhalt er komplett trank. Er hatte gar nicht bemerkt, dass es seinen Körper so gedürstet hatte. Des grelle Licht hellte die Küche für einen weiteren kurzen Moment auf, als er nach noch einer weiteren Flasche griff, er sich mit einem Mal jedoch erschrak. Verständnislos und verschlafen sah sein Vater ihn an und wartete sichtlich auf eine Erklärung seines Sohnes.

Yoongi entschuldigte sich bloß kleinlaut und seit langem verzog sich das Gesicht seines Vaters nicht zu einem wütenden Gesicht. Seine Augenbrauen und seine Augen hatten sich stattdessen vor Ungläubigkeit und Überraschung verengt. Ohne ein Wort zu verlieren, schaltete sein Vater das Licht in der Küche an und bereitete sich Kaffee zu, als wäre Yoongi gar nicht da. Dieser verweilte einige Sekunden auf einem Fleck und wartete darauf, dass sein Vater ihn anbrüllte, doch als er nichts hörte, machte er sich auf den Weg, die Küche zu verlassen.
"Mach mir bloß keine Umstände, während du hier bist", hörte Yoongi seinen Vater sagen, noch bevor er die Küche verlassen hatte. Liegt es daran, dass er nüchtern ist, dass er mich nicht direkt rausgeworfen hat?, fragte sich Yoongi, ehe er sein Zimmer verdunkelte und sich schlafen legte. Er würde heute ohnehin nicht mehr in der Lage dazu sein, in die Schule zu gehen.

Soohee

Tiefe, gerötete Augenringe zierten das blasse Gesicht der Brünetten und ließen sie wie eine wandelnde Leiche aussehen. Ihr Äußeres spiegelte ihr Inneres zu ihrem bedauern viel zu deutlich wieder. Sie hatte nicht einmal versucht, ihr Antlitz mit Make-Up aufzufrischen. Am Morgen hatte sie es gerade einmal mit Müh und Not aus ihrem Bett geschafft, nachdem sie die ganze Nacht über geweint hatte und Gott und die Welt verflucht hatte. Wie sie den Schultag überleben konnte, war ihr noch immer ein Rätsel. Womöglich lag es daran, dass jeder sie in Ruhe gelassen hatte. Niemand hatte sich getraut zu fragen, was mit dem sonst so fröhlichen Mädchen plötzlich passiert war und dennoch hatten sie alle geahnt, dass es etwas mit Yoongi zu tun haben musste. Seine Abwesenheit verstärkte diesen Verdacht umso mehr. Soohee hatte mitbekommen, dass Yoongi die Schule schwänzte und zu ihrer Überraschung war sie darüber sogar erleichtert. Alleine bei dem Gedanken an ihn stiegen ihr die Tränen wieder in ihre Augen und sie wusste, dass sie diese nicht zurückhalten könnte, wenn er ihr gegenüberstehen würde.

Als Soohee endlich ihr Zuhause erreicht hatte, konnte sie darüber nicht einmal glücklich sein. Sie wollte ihrem Vater nicht gegenübertreten und die Tatsache, dass sich ihre Eltern verkracht hatten, machte die Sache auch nicht einfacher. Zu ihrem Glück waren beide außer Haus als sie sich durch die Wohnung schleppte und sich in ihr Bett schmiss. Sie brauchte diese Ruhe und das Alleinsein gerade mehr denn je. Sie wollte niemand um sich haben, bis auf eine Person: Yuna. Soohee wusste jedoch, dass Yuna auf ihrer neuen Schule momentan genug Probleme damit hatte, den Stoff aufzuholen. An ihrer neuen Schule waren die Lehrer schon viel weiter mit dem Lernstoff gewesen, als an ihrer alten Schule und somit wollte Soohee Yuna ihre Probleme ersparen. Yuna hat momentan keine Zeit, sich deine dummen Probleme anzuhören. Hilflos vergrub Soohee ihr Gesicht in ihrem Kissen und war erleichtert, dass es mittlerweile getrocknet war.

“Soohee?”

Mit einem Mal richtete Soohee sich auf, als sie die Stimme ihrer Mutter durch die Wohnung rufen hörte und machte sich auf den Weg zu ihr. Daeun stand in der Wohnungstür mit einigen Einkaufstüten und wartete darauf, dass ihre Tochter ihr half, diese hinein zu tragen. Schweigend brachten die Frauen die Tüten in die Küche und räumten die Lebensmittel in den Kühlschrank und in die Schränke. Besorgt betrachtete Daeun ihre Tochter und legte ihre Hand an Soohee’s Wange. Noch nie hatte sie ihre Tochter derart fertig gesehen. Noch immer war Daeun extrem sauer auf ihren idiotischen Ehemann, der Schuld an dem Unglück ihrer Tochter war.

“Ich nehme an, du hast keinen Hunger, oder?”, fragte Daeun Soohee, die bedrückt den Kopf schüttelte. Mit einem Mal zog Daeun ihre Tochter in eine mütterliche Umarmung und hoffte, dass sie Soohee damit etwas Trost spenden konnte. Kein Mutter wollte ihr Kind so sehen und dennoch konnte Daeun nicht mehr tun, als für Soohee da zu sein. Beide Frauen rissen ihre Augen auf, als sie hörten, wie sich die Wohnungstür öffnete. Mit einem kurzen Nicken signalisierte Daeun Soohee, dass diese in ihr Zimmer gehen sollte.

Als Soohee in ihrem Zimmer verschwunden war, wandte sich Daeun dem Herd zu und fing an, das Abendessen vorzubereiten.
“Wie war dein Tag?”, fragte Bireom, als dieser in die Küche geschlendert kam und versuchte, vorsichtig an seine Frau heranzutreten. Auch an ihm waren die Spuren der letzten Nacht deutlich zu erkennen. Vor allem der erneute Streit mit seiner Frau in der Nacht hatte ihm den nötigen Schlaf gekostet. Als Daeun ihm nicht antwortete, hielt Bireom inne. Er wusste, dass Soohee ihn schon hasste, aber dass seine Frau nun ebenfalls sauer auf ihn war, verschlimmerte seinen ohnehin schlechten Zustand nur umso mehr. Die beiden Frauen ließen ihn mehr als deutlich spüren, dass er an allem Schuld war und keine der beiden dachte daran, ihm vorerst zu verzeihen. Vor allem Daeun nicht. Sie wusste, dass Soohee ihren Vater niemals wirklich hassen konnte. Sie hatte immerhin einen genauso weichen Kern wie er. Daeun hingegen war deutlich nachtragender als ihre Tochter und ihr Ehemann.

“Daeun ich-"
“Was? Willst du dich bei mir entschuldigen?”, unterbrach Daeun ihren Ehemann und sah ihn wütend an. Bireom öffnete seinen Mund und wollte etwas antworten, entschied sich jedoch dazu, den Mund  zu halten. Ein lauter Knall ertönte, als Daeun das Essen auf zwei Teller verteilt hatte und die leere Pfanne in den Spülstein geworfen hatte. Sie war noch immer so unglaublich wütend auf ihren Ehemann, vor allem nachdem sie ihre Tochter vorher in einem solch elenden Zustand erblickt hatte. Schweigend trennten sich die Wege des Ehepaars, als Daeun sich mit ihrem Teller in ihrer kleinen Bibliothek verschanzte und Bireom nicht weniger verletzt in der Küche zurück blieb.  

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