Kapitel 5

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Robin tritt vor und  hält die Tür auf. Wir betreten das Schulhaus und schließen uns dem
Schüler-Strom an, welcher in die einzelnen Klassenräume führt. In der zweiten Etage machen wir halt und biegen nach rechts ab, um in einem hellem, mittelgroßem Klassenzimmer zu landen. Ich merke sofort, dass ich mich nicht in einer staatlichen Schule befinde, statt einer gewöhnlichen Tafel, ziert ein mordernes Whiteboard das Ende des Raumes, außerdem sind sind die Tische nicht in Reihen angeordnet, sondern stehen in einem Halbkreis um den Lehrertisch herum. Die Chance zum Spicken geht also bei diesen Bedingungen gleich null. Einige der Bänke sind schon besetzt. Ich erkenne Kira, Ruth und Helena wieder und einen Jungen, der schon gestern die ganze Zeit alleine in der Gegend rumgestanden hatte. Die restlichen beiden meiner Mitschüler hatte ich noch nie gesehen. Die Lehrerin, die sich nun umdreht, hat kurze, angegraute Haare und sieht mit ihrer großen, runden Brille, aus wie eine Eule. Sie kommt auf uns zu und meint: ,,Ah, gut. Jetzt sind wir vollzählig. Du bist sicherlich Mila. Ich heiße Frau Andersson und bin deine Klassenlehrerin." Während sie das sagt, lächelt sie mich an und ich bemerke den leichten Akzent, mit dem sie spricht. ,,Okay, dankeschön!", erwidere ich und folge den anderen dann zu den freien Bänken an dem einen Ende des Halbkreises. Anna hält neben sich einen Platz für mich frei und ich nehme ihn dankend an. Ich beuge mich zu ihr herüber und flüstere: ,,Ist sie Schwedin oder so?" ,,Das hast du ziemlich gut erkannt," , antwortet Anna, ,,sie unterrichtet auch Schwedisch." Meine Augen werden groß und ich frage entsetzt:,,Schwedisch?! Ich hatte Französisch als zweite Fremdsprache! Muss ich das alles etwa nachholen?" ,,Ich dachte, das wüsstest du," flüstert sie ebenso entrüstet. Ich schüttel wortlos den Kopf. ,,Ookay, wir kriegen das hin. Versprochen! Wir haben das Fach auch erst seit letztem Jahr, also es ist nicht sonderlich viel," versucht sie mich zu beruhigen. ,,Ja, wenn man so eine Hermine Granger ist wie du Anna...", murmelt Louis belustigt neben mir und ich schaue zu ihm rüber: ,,Das ist nicht witzig!" ,,Finde ich schon," erwidert er, doch ihm vergeht das Lächeln schnell, denn Chrissi tritt ihm unter dem Tisch gegen sein Schienbein.
Dann räusperte sich Frau Andersson von vorne und begrüßt uns mit den Worten: ,,Guten Morgen, es ist immer wieder schön, mit euch ein neues Schuljahr zu beginnen und vor allem, wenn wir ein neues Gesicht in unseren Reihen haben! Mila, wir freuen uns, dich auf dem Bach-Internat und vor allem in dieser Klasse begrüßen zu können!" Alle Köpfe drehen sich zu mir und ich erwidere die Begrüßung mit einem höflichen Nicken. Frau Andersson beginnt die Stunde mit einigen organisatorischen Dingen, wie Belehrungen, Stundenplan Verkündigung und so weiter. Ich sehe mich neugierig im Klassenraum um. Gegenüber des Whiteboards sitzt ein Junge mit ordentlich zur Seite gegelten Haaren und bis zum Kragen hochgeknöpftem Hemd. Er hing hinter den dicken Gläsern seiner Brille an Frau Anderssons Lippen und hörte wie gebannt zu. Neben ihm befindet sich ein Junge, der ähnlich gekleidet ist wie er, der sich jedoch überhaupt nicht auf den Unterricht, sondern mit seinen Gedanken beschäftigte. Bestimmt rechnet er gerade irgendwelche komplizierten Formeln aus oder so. Daneben thront Helena auf ihrem Stuhl und blickt herablassend in die Runde. Ihre Finger glätten die Spitzen ihres blonden Fischgrätenzopf, welcher auf ihr weißes bauchfreies Ofshoulder Oberteil fällt. Links von ihr lümmelt Ruth und vergräbt sich in ihrem Oversize Pulli von Nike, während Kira neben ihr mit ihrem Banknachbar andauernd das ,,Reingeschaut-Spiel" spielte. Sie versuchten zwar, so unaufällig wie möglich zu sein, dennoch konnte Kira ihr Kichern nicht verbergen und kassierte deshalb eine spitze Bermkung von Frau Andersson.
Nach 90 Minuten klingelt die Stunde ab und wir machen uns zum Chemie Saal auf. Während ich zwischen den anderen durch die Gänge trotte, erklärt mir Anna, was in den einzelnen Räumen unterrichtet wird, wo die Toiletten und das Lehrerzimmer sind.
Der Unterricht vergeht wie im Flug und ich bin total überrumpelt als Chrissi meint: ,,Geil, ich freu' mich voll auf's Essen!" ,,Wo essen wir eigentlich?", frage ich, ,,ich meine, es gibt ja keine Speisehalle oder so..." Julian dreht sich zu mir um und antwortet: ,, Naja, die beiden Jahrgänge, die in einem Haus zusammen leben, kochen und putzen immer abwechselnd. Also heute sind die neunt Klässler mit kochen und wir mit putzen dran, morgen andersherum." Damit würde ich klar kommen, in Frankfurt musste ich auch das meiste alleine machen. Wir stapfen weiter zwischen den Bäumen entlang, deren Blätter sich schon leicht verfärben. Der Herbst würde bald beginnen- meine Lieblingsjahreszeit.
Plötzlich hören wir laute Stimmen hinter uns. Ich drehe mich um und sehe, wie Kira, Ruth und Helena auf uns zu. Außerdem ist noch Kiras Banknachbar dabei. Er hat blonde lockige Haare, die zu einem Fade-Cut geschnitten sind, dazu trägt er ein weiß-dunkelblaues Polo-Shirt von Ralph Lauren, enge Jeans und rote Nikes. Um seine Brust hat er eine ,,La Familia" Bauchtasche gebunden. Ein richtiges Fuckboy Klischee. ,,Samiii, lass das!!!" kreischt Kira und schlägt seine Hand weg. Ich sehe zu Anna rüber, die den Kopf schüttelt und schnauft: ,,In seiner Nähe benimmt sie sich immer wie eine vier Jährige, obwohl sie ja ,,nur" beste Freunde sind." ,,Wer ist das?", frage ich und Chrissi antwortet für sie: ,,Das ist Samuel. Diplomatenkind, Schleimer und Arschloch. In der neunten waren wir mal zusammen, bis ich ihn knutschend mit einer Zehntklässlerin erwischt habe." ,,Oh, das tut mir leid! Was ein Mistkerl!", bedauere ich meine Freundin. ,,Ach, es muss dir nicht leid tun, er ist es nicht wert," meint Chrissi und hackt sich bei mir unter. So laufen wir weiter zwischen den Linden zu Haus 2b. Bitch-Alarm und Fuckboy-in-Person sind mittlerweile abgebogen und man hört nur noch ihr kichern und kreischen. Zum Glück bin ich nicht bei denen gelandet, sonst wäre ich irgendwann genauso geworden, denke ich während wir durch die Haustür gehen und dann die Küche betreten. Dort treffen wir die sechs anderen schon zwischen Töpfen, Schneidebrettchen und Gemüse an. Außerdem steht noch die große Blondine von gestern Abend zwischen ihnen. Ich glaube, dass sie Hannah oder so heißt,  Deutsch und Musik Lehrerin und unsere Aufsichtsperson ist. Als wir eintreten, kommt sie auf mich zu. ,,Hallo Mila, ich bin Hannah," sagt sie und lächelt mich an. ,,Hallo," antworte ich und schüttle ihre mir entgegengestreckte Hand. ,,Ich hoffe, du findest dich bald unserer kleinen WG ein," meint sie und fügt lachend hinzu, ,,obwohl, klein ja gar nicht mehr passt." ,,Ja danke, ich finde es hier wirklich schön!" antworte ich.
Die anderen sind um den Küchenblock herum gelaufen und schauen den Köchen über die Schulter. ,,Was gibt's heut?", fragt Robin und Maren bringt kleinlaut hervor: ,,Äh... Nudeln mit Zucchini und Tomate..." 

Nach dem Mittagessen räumen Louis und ich gemeinsam die Spülmaschine ein und räumen den Tisch ab, während Chrissi und Anna, sowie Julian und Robin jeweils das Mädchen-, beziehungsweise das Jungsbad putzen. Ich muss mir einige schlechte Witze über Frankfurter, Louis' Meinung über die neuesten Fußballergebnisse und seine Bewertungen zu jeder einzelnen Batchelor-Teilnehmerin anhören, doch abschließend bin ich zu der Annahme gekommen, dass er voll okay ist, auch wenn er echt nerven kann.
Als wir fertig sind, treffen wir die anderen am Steg, wo wir eine runde Karten spielen, bis Anna laut verkündet: ,,So, Schluss jetzt. Wir müssen Mila Schwedisch beibringen, Ich habe schon mit Frau Andersson gesprochen und sie wird dich im ersten Halbjahr nicht so wie uns anderen bewerten." Ich sehe sie mit großen Augen an. ,,Danke, das ist echt lieb von dir!" Sie zieht einen Hefter hinter sich hervor und wir beide gehen ein Stück, um ungestört zu sein. Die nächsten zwei Stunden beschäftigen wir uns mit  Konjugationen von Verben, Personalpronomen und meiner miesen Aussprache. Nach der Qual meines Lebens gesellen wir uns wieder zu unserer Gruppe, die immer noch am Steg sitzt. ,,Und Mila, wie schlägst du dich in Schwedisch," fragt Julian. ,,Bis vor zwei Stunden mochte ich Ikea, die Abalone Dots, Volvos und Astrid Lindgren noch. Jetzt hasse ich alles, was mit dem Land zu tun hat.", erwiderte ich grimmig.,,So schlecht warst du aber gar nicht!", meint Anna und sieht mich dabei aber mitleidig an. Ich grunze und antworte: ,,Du bist ne schlechte Schauspielerin, hat dir das schon mal jemand gesagt?!" Robin nickt mir unmerklich zu, doch Anna hat es gesehen und verpasst ihm einen Schlag an die Schulter.,,Wer sind die Abalone Dots?!" fragt sie, um vom Thema abzulenken. ,,Die coolste Bluegrass und Country Band überhaupt!", antworte ich überzeugt.

Wir genossen noch den ganzen Nachmittag die Sonne und badeten eine Runde im See, der für meinen Geschmack schon viel zu kalt ist. Am  Abend verziehen wir uns ins Haus, machen die paar wenigen Hausaufgaben, die wir aufbekommen haben, essen zu Abend und gehen schließlich schlafen.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 11, 2018 ⏰

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Mein Sommer auf der WildblumenwieseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt