Kapitel 20

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Ich trat durch die Tür und da waren sie wieder: ein Haufen neugieriger Menschen, zurückgehalten vom Corporal. "Ich dachte mir, dass Sie sicher besser arbeiten können, wenn Ihnen nicht die ganze Zeit jemand auf die Finger schaut.", Corporal Levi lehnte, in meinen Augen tiefenentspannt, an der Wand neben den Türflügeln und hatte es geschafft, den Soldatenhaufen mit grimmigen Blicken in Schach zu halten. "Ja...- Ja, danke.", nachdem ich mein anfängliches Erstaunen überwunden hatte, erinnnerte ich mich wieder an meine Aufgabe, "Wissen Sie wo Hanji sich im Moment aufhält?" "Nein.", er wendete sich an die Soldaten, "Wo ist Hanji?" Es erhob sich zwar ein vielversprechendes Murmeln und Diskutieren, aber eine sinnvolle Antwort fand sich nicht. "Tch, zu nichts zu gebrauchen... Haben Sie nichts zu tun?", Captain Levi schüttelte missmutig den Kopf und die Soldaten verstreuten sich, "Ich hätte eine Idee wo Hanji sein könnte."  "Ja? Wunderbar! Wo denn?" Ich rechnete mit so ziemlich jedem Ort, von Weinkeller, über Waffenraum zu irgendeinem gruseligen Labor in einer kleinen Kammer, aber nicht mit der folgenden Antwort: "Möglicherweise beruhigt sie ihre Haustiere."

Ihre Haustiere beruhigen? Ihre Titanen beruhigen?


Beruhigen?


Titanen?

In meinem Kopf drehten sich die kleinen Rädchen und trotzdem konnte ich die gegebenen Fakten nicht vereinen. Wer beruhigt denn bitte Titanen? "Nur Verrückte. Willst du die Irre jetzt finden oder nicht?", offenbar hatte ich meinen letzten Gedankengang laut ausgesprochen und eine durchaus nachvollziehbare Antwort vom Corporal bekommen. Ich nickte etwas widerwillig, natürlich möchte, muss, ich sie finden. Sasha braucht dringend Schmerzmittel, aber auf eine weitere Begegnung mit einem Titanen bin ich nicht wirklich scharf. "Gut, da ich davon ausgehe, dass Sie es nicht auf die Reihe kriegen, dass Experimentierfeld selbst zu finden, werde ich Sie gezwungenermaßen begleiten. Ich hoffe Sie haben keine Angst vor Gewitter? Tragen werde ich Sie nämlich definitiv nicht.", zischte der Hauptmann und ging voraus. Ich bemühte mich nicht, eine ernstgemeinte Antwort auf seine Frage zu geben und folgte ihm einfach still. Man sollte ihm schon hoch anrechnen, dass er sich überhaupt Zeit für mich, das 'verwöhnte Balg', nahm, wobei ich annahm, dass das nur dem Grund geschuldet war, dass meine Patientin in seinem Training verletzt wurde. Hoffentlich hat Hanji ihre Lieblinge heute unter Kontrolle...

Unsicher stampfte ich, barfuß, weil ich es aus einem mir jetzt nicht mehr nachvollziehbaren Grund immer noch nicht geschafft hatte, mir neue Schuhe zu besorgen, über den vom Regen aufgelösten Boden. Im Gegensatz zu mir hatte der Corporal einen Regenmantel und entsprechendes Schuhwerk. Wir liefen am Stall vorbei, in dem man die Pferde aufgeregt wiehern hörte, an verschiedenen kleineren einzelnstehenden Gebäuden und schließlich passierten wir ein Tor. Ringsherum wurde das Gelände ebenfalls mit einem entsprechend hohen Zaun als Sichtschutz umrandet. Einen Titanen hatte ich bis jetzt noch nicht entdeckt und ich kann gar nicht ausdrücken, wie froh ich darüber war. Vereinzelt standen grüne Zelte herum und auf das Größte liefen wir zielstrebig zu. Nunja, Hauptmann Levi lief zielstrebig darauf zu und ich folgte mit einem gewissen Sicherheitsabstand. In dem Zelt wuselte es von Menschen. Forscher, wie ich aufgrund ihrer weißen Kittel und der Schutzbrillen, die manchen um den Hals hingen, schlussfolgerte. "Gehören die alle zum Militär?", fragte ich leise. "Ja, natürlich. Und wenn du mit offenen Augen durch das Hauptquartier laufen würdest, hättest du sie sicher schon bemerkt", bekam ich eine sehr genervte Antwort. Vielleicht hatte er ja sogar ein klitzekleines bisschen Recht, ich träumte manchmal wirklich sehr herum. Ein geschäftig hin und herlaufender Forscher rempelte mich an und warf mir dann einen bösen Blick zu, während ich versuchte dem Corporal hinterherzulaufen. Ihm machten sie Platz, mir nicht. "Hanji!", rief er und wurde sogar von der Angesprochenen wahrgenommen, was bei dem Getümmel nicht so einfach war. "Oooh, Levi, ich wusste du würdest meiner Einladung irgendwann mal folgen und mich hier besuchen. Allerdings hast du dir mal wieder eine denkbar schlechte Zeit ausgesucht", Hanji unterschrieb im vorbeigehen einen Zettel. "Achwas, bild dir doch nichts ein. Deine Kräuterhexe braucht Hilfe." "Na, Hallöchen, dich hab ich ja komplett übersehen", begrüßte sie mich. Ich beschloss gleich zum Punkt zu kommen, um mich danach möglichst schnell von sämtlichen anwesenden Titanen zu entfernen: "Hallo. Ich wollte fragen ob du noch-" "NEIN! Nicht die Seile, dass sind die Falschen", unterbrach mich Hanji und gab Anweisungen an irgendeinen Vorbeieilenden, "Entschuldigung, viel los hier. Wie kann ich helfen?" "Hast du noch Schmerzmi-" "Auch die Falschen. Konzentration bitte!" Und schon wieder hatte Hanji mich unterbrochen und blinzelte mich jetzt unschuldig, fragend an. Gut, dann ebend so: "Schmerzmittel?" "Mh? Was ist damit?" "Wo?" "Ah, natürlich, in meinem Büro, im Schreibtisch, in der untersten Schublade. Ist offen! Kann mir mal bitte jemand die große Plane bringen?", und Hanji eilte davon und verschwand in der Menge. Immerhin hatte sie welche vorrätig. Jetzt musste ich nur noch den Rückweg, ihr Büro und den Krankensaal wiederfinden, keine große Sache. Hätte ich doch nur einen anständigen Orientierungssinn... Da der Corporal nicht mehr im Zelt war, ging ich davon aus, dass er gegangen war. Doch vor dem Zelt erlebte ich eine Überraschung: er hatte tatsächlich auf mich gewartet. Das hatte ich als dermaßen unwahrscheinlich eingestuft, dass ich abrupt stehen blieb und der gleiche Forscher der mich im Zelt schon angerempelt hatte, lief wieder gegen mich und ich meinte ihn etwas von "Inkompetenz" murmeln zu hören.


Die Krankenschwester des Hauptmanns (Levi x Leser)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt