Kapitel 19

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Als Greta anfing zu singen, stand mein Herz für einen Moment still. Ich wusste nicht, dass sie so schön singen konnte. Ihre Stimme berührte mich sehr, drang in jede Zelle meines Körpers vor, nahm Besitz von mir. Man konnte ihr ansehen, wie sehr sie dieses Lied fühlte. Ich schaute mir das Video noch einige Male an, ich wollte es immer wieder abspielen. Mit jedem Hören wurde ich jedoch auch verwirrter. Sie teilte mir ihre Gefühle mit und vielleicht auch ihre Ängste. »Ich halt dich nicht, flieg mit den Träumen hinauf in dein Glück, ein goldener Käfig mit offener Tür - du bist frei, mein Herz gehört dir.« Warum verstand sie nicht, dass mir meine Freiheit nicht so wichtig war, wenn ich sie dafür an meiner Seite hatte? Meinetwegen konnten wir uns heimlich treffen, es musste niemand erfahren. Für mich war momentan nur wichtig, dass sie da war.

»Hallo Greta, der Song ist unglaublich! Deine Stimme auch. Ich wusste gar nicht, dass du singst, aber freue mich, dass du es mit mir teilst. Du machst es dir zu schwer, aber das habe ich dir bereits gesagt. Ich werde nicht gehen. Niemals.« Dann schickte ich die Nachricht ab und schrieb hinterher: »Lina war bei mir. Sie benötigt noch etwas Zeit von uns, aber wir konnten endlich mal wieder vernünftig miteinander reden. Ich glaube, sie wird es irgendwann akzeptieren. Oh, wie gern ich dich jetzt sehen wollen würde.« Eine Weile später erreichte mich ihre Antwort. »Wollen wir uns treffen? Ich könnte dich abholen.« Las ich gerade richtig? Sie wollte mich abholen? Wir hatten uns die letzten Tage nicht gesehen und ich vermisste sie schrecklich. Der Gedanke, dass ich sie gleich wieder sehen konnte, brachte mein Herz zum Rasen. »Klar! Ich warte vor der Tür.« Dann hüpfte ich schnell unter die Dusche und ging danach nach draußen. Noch war sie nicht zu sehen, doch wenige Sekunden später sah ich ihren Passat in unsere Straße einbiegen und mein Puls beschleunigte sich. Sie hielt an und ich stieg ein. Sie gab mir einen flüchtigen Kuss und fuhr los. Die Klimaanlage hatte das Auto schön kühl gemacht und ich lehnte mich entspannt zurück. Ich dachte, wir würden zu ihr nach Hause fahren, aber sie bog in die falsche Richtung ab. »Wo fahren wir hin?«, fragte ich sie neugierig und sie lachte leise auf. »Verrate ich dir nicht. Das wirst du gleich sehen.« Ich legte meine Hand auf ihre und sie sah mich erstaunt an. »Es ist so schön, dass wir uns endlich sehen.« Sie nickte bestätigend. Dann fuhren wir aus der Stadt. Irgendwann bog sie rechts in ein Waldstück ab und ich war total aufgeregt. Dann hielt der Wagen und sie stieg aus. Wir waren mitten im Wald. Sie steckte ihren Kopf wieder in das Auto und sagte: »Kommst du?« Irritiert stieg ich aus. Was wollte sie hier? Sie ging voran mit einem Korb in der Hand. Ein schmaler Pfad führte immer weiter in den Wald hinein. »Hältst du das hier für eine gute Idee?«, fragte ich gerade und schaute dabei auf den Boden, um nicht zu stolpern. Plötzlich blieb sie stehen und sah mich an. »Sag du es mir.« Dann machte sie einen Schritt zur Seite und ich blickte auf einen kleinen See mit Steg. »Wow«, entfuhr es mir. Sie nahm meine Hand und zog mich mit in Richtung Steg. Wir waren die einzigen Menschen hier, obwohl es ein so magischer Platz war. »Was ist das für ein Ort?«, fragte ich Greta und sie antwortete: »Ich habe ihn vor langer Zeit mal entdeckt und komme immer her, wenn ich mal etwas Ruhe brauche.« Das konnte ich verstehen. »Das sieht alles so wunderschön aus, wie in einem Film. Warum ist hier niemand?« Stirnrunzelnd blickte sie mich an. »Ich weiß es nicht. Alle fahren ans Meer und nicht an diesen See hier. Kaum jemand kennt ihn, er liegt zu weit abseits.« Nun standen wir auf dem Steg.

Wir blickten uns an. »An was denkst du?«, fragte sie neugierig und ich ging einen Schritt auf sie zu. »Ich denke daran, dass ich dich jetzt am liebsten küssen möchte.« Sie lächelte mich an. »Dann los.« Und dann küssten wir uns. Ich konnte das wirklich 24/7 machen und es wurde nie langweilig. Dann aber lösten wir uns voneinander und sie zeigte auf den Korb. Sie öffnete ihn, zog eine Decke heraus und breitete sie auf dem Steg aus. Danach griff sie erneut in den Korb und eine Schale mit Erdbeeren und Melone, ebenfalls auch zwei kleine Flaschen Sekt, eine mit Alkohol und eine ohne, und Kekse kamen zum Vorschein. Sie war so süß.

Ich setzte mich und sie legte sich mit ihrem Kopf auf meine Beine. Zärtlich fuhr ich mit meinen Fingern durch ihre Haare und sie schloss die Augen. Sie strahlte Zufriedenheit aus. Wir sprachen nicht viel miteinander. Ich betrachtete ihr Gesicht. Plötzlich öffnete sie ihre tollen blauen Augen und wir sahen uns eine Weile einfach nur an. »Sei mir bitte nicht böse, wenn ich dich so oft schweigend betrachte. Ich genieße es nur, dich anzusehen.« Sie setzte sich auf und küsste mich. »Ich will dich.« Zögerlich fragte ich sie: »Wie? Jetzt?« Sie nickte und verlegen sah ich mich um. »Aber was ist, wenn jemand kommt?« Greta lachte. »Ich denke nicht, dass hier jemand kommt und falls doch, dann sieht er zwei Menschen, die sich lieben.« Ich atmete durch, weil ich nicht glauben konnte, was sie da sagte. »Ich wusste gar nicht, dass du so unanständig bist.« Sie kam ein Stück näher und zog mir das T-Shirt über den Kopf. Greta trug ein weißes T-Shirt und eine kurze Jeans. Wir zogen uns gegenseitig aus, achteten nicht auf das, was um uns herum geschah und liebten uns auf dem Stieg irgendwo im Nirgendwo.

»Puh«, stieß ich aus, als wir uns beide erschöpft zurückfallen ließen. »Das war... phänomenal.« Zustimmend nickte sie und kuschelte sich an. Sie hatte eine zweite Decke mitgebracht, mit der wir uns zudeckten. »Es war zwar ziemlich hart, aber auf jeden Fall eine Erfahrung wert.« Laut lachte Greta auf. »Weißt du, dein Lachen bringt mich zum Lachen, es steckt an, weil es so schön ist.« Sie sah mich an und ihre Augen leuchteten. »Ich kann das alles gar nicht glauben, was du so sagst. Ich versuche, mich mit deinen Augen zu sehen, aber es gelingt mir nicht. Paul hat so etwas nie gesagt.« Ich rückte zu ihr und küsste sie. »Das ist die Wahrheit. Ich würde es nicht sagen, wenn es nicht stimmen würde. Und Paul ist anscheinend ein Idiot, wenn er das nicht erkannt hat.« Sie streichelte mir sanft über das Gesicht. »Ich weiß. Ich weiß doch.«

Eine Weile lagen wir noch eng umschlungen unter der Decke, aber dann packte uns der Appetit und wir zogen uns an und aßen die Dinge, die sie mitgebracht hatte. Sie holte auch zwei Gläser aus dem Korb und schenkte uns den Sekt ein. »Auf den gelungenen Tag/ Abend«, prosteten wir uns zu und ahnten in diesem Moment noch nicht, was er noch für uns bereithielt. Als die Sonne uns nur noch spärlich erreichte, beschlossen wir, uns auf den Heimweg zu machen. Wir gingen zum Auto zurück und verstauten die Sachen im Kofferraum. Als wir einsteigen wollten, kam mir eine Idee. Ich lief auf ihre Seite und schloss die Tür, die sie soeben geöffnet hatte. Dafür öffnete ich die Tür hinten und stieß sie zärtlich auf die Rückbank. Ich konnte ihr nicht widerstehen. Sie erkannte meinen Plan und fragte: »Uh, was wird das denn hier?« Wir grinsten uns an und ich raunte ihr zu: »Runde Nummer zwei wird das.« 

Völlig außer Atem lösten wir uns irgendwann voneinander. »Ich liebe es, mir dir zu schlafen«, flüsterte ich ihr zu und sie erwiderte: »Geht mir auch so.« Ich fühlte mich total entspannt, mir konnte heute nichts mehr die Laune vermiesen. Wieder zogen wir uns an und fuhren los. Ich konnte meine Hände einfach nicht bei mir behalten und streichelte beim Fahren ihr Bein. Ihre Wangen verfärbten sich etwas rot, als sie fragte: »Was ist heute nur mit dir los?« Ich antwortete: »Keine Ahnung, du löst diese Gefühle in mir aus. Wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen, ich brauchte etwas, um die Zeit ohne dich zu überstehen. Betrachte es als Vorschuss.« Sie prustete los. »Dir kann man echt nicht mehr helfen.« Dann ließ ich mich wieder in den Sitz zurückfallen und erinnerte mich an eine Zeile ihres Songs. »Du hast in dem Lied gesungen, dass mir dein Herz gehört. Mein Herz gehört dir auch. Das wollte ich dich nur wissen lassen, aber das weißt du ja mittlerweile sicherlich.« Sie drückte kurz meine Hand, die noch immer auf ihrem Bein lag. Es war schon spät geworden und die Sonne war verschwunden.

Glücklich parkten wir in ihrer Auffahrt. Als wir ausstiegen, stieß ich mir den Kopf und wir mussten beide loslachen. Aus dem Dunklen hörten wir eine Männerstimme, die sagte: »Ist ja wunderbar, dass ihre beide so viel Spaß habt.« Es war Paul und er trat in das Licht hervor. »Ich habe schon auf dich gewartet, Greta.«

The way I feel for her || gxgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt