4. Kapitel

3.4K 225 42
                                    

„Sie ist weg?"

Lasse sackte einen Moment in sich zusammen. Er musste seine Hände auf den Tisch stützten, damit er nicht in die Knie ging.

Seine Stimme war dennoch sehr ruhig.

Im Gegensatz zu seinem Bruder, der herumbrüllte.

„Wie konnte das passieren? War es ein Überfall? Wurde sonst noch jemand entführt?"

Liv legte ihm eine Hand auf die Brust. Sie sah schrecklich aus.

Ihre Augen waren geschwollen vom vielen Weinen und sie hatte erschreckend viel abgenommen in der Zeit in der die Männer fort waren.

Stijn wollte schon wieder losbrüllen, doch Lasse hielt ihn auf.

„Reiß dich zusammen, Mann! Siehst du nicht, dass deine Frau leidet? Es ist auch ihre Tochter, wenn du dich erinnern kannst.", zischte er seinem Bruder zu.

Stijn schloss sofort seinen Mund und legte die Arme um Liv. Sie schluchzte hemmungslos.

„Unser Mädchen, Stijn. Wer macht so etwas?"

Lasse setzte sich lieber. Er sah zu Thorge, dessen Gesicht grau war. Er würde auch bald etwas Unverzeihliches anstellen, wenn er sich nicht gleich hinsetzte. Oder er würde in die Knie gehen!

„Setz dich, Thorge!", verlangte er.

Sofort setzte Thorge sich zu ihm.

Beide sahen zu Sjard.

„Was ist geschehen?", fragte Lasse ihn ruhig.

Sjard konnte nur fassungslos seinen Kopf schütteln.

„Ich weiß es nicht. Es gab keinen Angriff. Am anderen Morgen war sie einfach nicht mehr da. Wir suchten sogar in deiner Hütte, aber auch dort war sie nicht. Einer der Bauern fand schließlich diese Stoffreste im Wald. Ich kenne die Muster. Ein Streifen war von Jule. Ein anderer war aus grobem Stoff. Du weißt, dass die vereinzelten Stämme im Osten solche groben Stoffe tragen. Ich bin in die Richtung geritten, doch ich fand keinen Hinweis mehr. Es ist wie verhext. Niemand konnte mir etwas sagen. Keiner hat sie gesehen. Oder Männer, die eine Frau bei sich hatten."

Lasse wischte sich über das Gesicht.

„Was ist vorher geschehen? Ist dir sonst etwas aufgefallen? War jemand Fremdes hier?"

Einar nickte.

„Ja, Ragnar Bjarnesson war hier. Aber er war schon längst weg, als Jule entführt wurde."

Tjark nickte.

„Ich habe ihn auf dem Markt getroffen. Wenn ich gewusst hätte, was geschehen ist, hätte ich ihn gefragt, ob ihm etwas aufgefallen war."

Lasse schnaubte leise.

„Kann es er gewesen sein?"

Tjark schüttelte den Kopf.

„Nein! Ich habe mit ihm geredet. Er wirkte weder nervös, noch schien er etwas zu wissen. Im Gegenteil. Er sagte mir sogar, dass er hier war. Das hätte er doch nicht getan, wenn er an einer Entführung beteiligt gewesen wäre."

Lasse war sich da nicht so sicher, aber es hörte sich alles verständlich an. Die Entführung durch einen feindlichen Stamm klang glaubwürdiger.

Er stand auf.

„Was hast du vor?", fragte Stijn ihn.

„Ich werde meine Frau suchen! Was sonst?"

Thorge stand ebenfalls auf.

Jules langer Weg -Gunnarsson-Saga Teil 3-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt