6. Kapitel

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Thorge richtete sich auf und starrte ins Nichts.

Lasse hielt seinen Hengst an und beobachtete ihn. 

Sie waren seit kurzer Zeit wieder unterwegs, doch sie hatten immer noch nichts Brauchbares erfahren. Doch Lasse war zuversichtlich.  Noch hatte keiner ihnen gesagt, dass Jule tot war. Sie hatten einige Sklavenhändler befragt, aber niemand schien Jule zu kennen. Auf der einen Seite war das gut, aber auf der anderen Seite hatte er manchmal das Gefühl, keinen Schritt weiter zu kommen.

Sie hatten beschlossen, von Stadt zu Stadt zu gehen und nach Jule zu fragen. Mittlerweile waren sie an der Grenze des Dänenland angekommen und man betrachtete sie immer misstrauischer. Sie waren zwar auch Nordmänner, doch sie sahen gefährlich aus.

Deswegen ritten sie eher durch die Wälder, um nicht auf zu fallen.

Thorge atmete tief ein.

„Was geschieht mit dir?"

Thorge rieb sich die Brust.

„Du weißt, dass Jule und ich zusammen den Leib meiner Mutter geteilt haben. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich immer noch mit ihr verbunden bin."

Das wusste Lasse. Es hatte schon immer Vorfälle gegeben, an denen die beiden etwas geteilt hatten, was er nicht verstanden hatte.

„Und jetzt? Was fühlst du?"

Thorge rieb sich erneut die Brust.

„Irgendwas passiert gerade. Ich weiß nicht was, aber einen Moment dachte ich, ich hätte sie schreien gehört!"

Lasse atmete erleichtert ein.

„Dann lebt sie noch!"

Thorge nickte.

„Das habe ich schon immer gesagt. Wir suchen weiter!"

Er schnalzte mit der Zunge und trieb seinen Hengst vorwärts.



Ragnar hatte sie ins Badehaus getragen und wich keinen Moment von ihrer Seite. Ileana hatte die Hebamme geholt und kümmerte sich nun um die Kinder.

Die Schmerzen waren stark, doch die Hebamme versicherte ihr, dass es noch lange dauern konnte.

„Es ist dein erstes Kind. Dein Gemahl ist groß und das Kind ist kräftig. Wie sein Vater eben."

Jule schnaubte, während die Hebamme noch einmal aus dem Badehaus ging, um noch einige Kräuter zu holen.

„Ich bringe ihn um. Sollte ich Lasse Gunnarsson noch einmal begegnen, wird er meinen Zorn zu spüren bekommen. Ich hacke allen Männern die Schwänze ab, das schwöre ich!"

Ragnar lachte leise.

„Na, da hättest du einiges zu tun, mein Herz."

Wieder kam eine Wehe und sie schrie auf.

Sie klammerte sich an Ragnar und fluchte los.

„Das ist mir egal. Es ist ungerecht. Ihr habt euren Spaß und wir die Schmerzen!"

Ragnar hielt sie fest, während die Wehe langsam abflaute. Jule war froh, dass er sie nicht alleine ließ. Trotz den Schmerzen hatte sie die Spannung zwischen ihm und der Hebamme bemerkt. Natürlich war es nicht üblich, dass die Männer bei der Geburt dabei waren. Selbst ihr Vater hatte geduldig vor der Schwitzhütte ausgeharrt, obwohl er am liebsten bei jedem Schrei seiner Frau hinein gestürmt wäre. Doch Ragnar hatte die Hebamme nur böse angestarrt.

"Du weißt, dass ich dir nicht traue!", hatte er geknurrt und die Hebamme war zusammen gezuckt. Murrend hatte sie ihn gewähren lassen.

Jule keuchte leise, als wieder eine Wehe kam. Die Abstände wurden immer kürzer und das Kind drückte gewaltig gegen ihr Becken.

Jules langer Weg -Gunnarsson-Saga Teil 3-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt