9. Kapitel

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Jule war freudig aufgeregt. Schon seit einigen Tagen lief sie fröhlich singend durch die Hütte.

Den Streit mit Ragnar hatte sie mittlerweile vergessen. Man konnte ihm auch nie lange böse sein und da er Lasse nicht mehr erwähnte, ließ sie es auch gut sein.

Sie hatte kleine Geschenke für ihre Eltern und ihre Geschwister angefertigt und saß gerade mit den Kindern auf dem Boden, um mit ihnen zu spielen, als Ragnar in die Hütte gestürmt kam.

Sein Gesicht verhieß nichts Gutes. Er sah sehr ernst aus, was sonst gar nicht seine Art war.

Jule stand erschrocken auf.

„Ragnar! Was ist geschehen?"

Er nahm sich seine Waffen und stellte sich dann vor sie.

„Packe ein paar Sachen ein und dann verschwinde mit den Kindern in den Wald. Wir werden angegriffen!"

Sie starrte ihn an, dann straffte sie den Rücken.

„Ich kann auch kämpfen. Ich werde nicht davonlaufen und an deiner Seite kämpfen! Ileana kann auf die Kinder Acht geben."

Er legte seine Streitaxt auf den Tisch und umarmte sie.

„Das weiß ich, mein Herz, aber es sind zu viele! Sachsen! Eine ganze Flotte kommt auf uns zu. Bitte höre auf mich und nimm die Kinder und verschwinde von hier. Wenn alles vorbei ist, werde ich dich suchen und zurückholen! Dieses Mal kannst du mir nicht helfen!"

Jule wehrte sich einen Moment.

„Aber..."

„Nein! Dieses Mal nicht! Ich will, dass du tust, was ich dir sage!"

Er hatte sie angebrüllt und Jule wich erschrocken zurück. Ragnar schloss einen Moment Augen.

Seufzend nahm er sie wieder in seine Arme und küsste sie lange.

„Ich bitte dich darum! Nur einmal bitte ich dich um etwas! Bring die Kinder in Sicherheit. Einige der anderen Frauen werden auch mit den Kindern gehen! Es sind einfach zu viele! Ich habe dich um nie etwas gebeten, aber dieses Mal verlange ich von dir, dass du mir gehorchst!"

Sie holte tief Atem.

Er machte ihr Angst, denn er wusste, was sie konnte. Und wenn er nun von ihr verlangte, dass sie die Kinder in Sicherheit brachte, hatte er etwas gesehen, was ihn selbst in Angst und Schrecken versetzte.

„Ich werde gehen. Aber du wirst kommen und uns wieder zurück holen."

Er nickte ernst.

Sie sah ihn fest in die Augen.

„Schwöre es!"

Nun war er es, der tief Luft holte. Er sah seufzend nach oben, dann küsste er sie erneut.

„Ich liebe dich, Jule! Das darfst du nie vergessen!"

Er ließ sie los und verabschiedete sich von den Kindern. Jedem der Knaben sah er tief in die Augen und sprach kurz und leise zu ihnen, bevor er sie auf die Stirn küsste.

Es sah verdammt nach Abschied aus. Jule stiegen Tränen in die Augen. Das konnte nicht sein! Ihr Gatte war so stark, doch nun konnte sie ihm ansehen, dass er Angst hatte. Das passte nicht zu Ragnar. Bei allen Göttern, wer griff sie denn an? Wer war so wahnsinnig, um es mit der Streitmacht von Jarl Henrikson aufzunehmen? Wussten sie denn nicht, wie viele Krieger hier waren? Und warum hatte Ragnar solche Angst?

Ragnar verabschiedete sich gerade von Lasse, der ihn umarmte und nicht mehr loslassen wollte.

„Ich muss gehen, mein Kleiner! Beschütze deine Mutter, wie es dein Vater tun würde. Du hast mich stolz gemacht!"

Jules langer Weg -Gunnarsson-Saga Teil 3-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt