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Tsukishimas Sicht:

Als ich nach Tagen wieder das Sonnenlicht erblickte, fühlte ich mich regelrecht geblendet. Ich blinzelte und blieb stehen. "Los weiter Kobayashi!", rief der Soldat hinter mir. In seiner Hand hielt er ein gefährlich anmutendes riesiges Gewehr. Also setzte ich mich besser wieder in Bewegung.

Der Platz, auf dem unsere Hinrichtung vollstreckt werden sollte, war nicht besonders groß. Viele Leute waren auch nicht da, eigentlich nur Soldaten, die durch ihre steife, disziplinierte Haltung eine große Macht ausstrahlten, in meinen Augen aber auch etwas lächerlich wirkten. Was hatten sie denn zu befürchten? Mein Vater spuckte zwar große Töne und war auch ziemlich stark, aber an Schlauheit fehlte es ihm definitiv. Meine Mutter, die neben Satori ein paar Meter vor mir lief, sah geknickt aus. Ich war mir sicher dass sie bereits aufgegeben hatte.

Aber in meinen Adern floss noch kämpferisches Blut, und in meinen Augen war ich mit 18 Jahren noch zu jung um zu sterben. Aufmerksam betrachtete ich meine Umgebung: hohe Mauern aus dicke Steinquadern, rau und nicht unbedingt schlecht zum Hochklettern. Die Männer und Frauen die da so in Reih und Glied standen, nicht allzu viele Leute, sie hatten bestimmt noch Reserven. Manche machten einen ziemlich gelangweilten Eindruck. Der Kiesweg. Viele, kleine bis mittelgroße Steine, perfekt um sie in der hohlen Hand verbergen zu können und mit tödlich scharfen Kanten. Verstohlen blickte ich auf meine Schuhspitzen, checkte die Lage und wartete auf den richtigen Moment ...

... "Oh verdammt!", ich lies mich auf die Knie fallen, nachdem ich einen taktisch und theaterisch vorbildlichen Stolperer vorgespielt hatte. "Idiot! Steh wieder auf!", der Soldat riss mich wieder auf die Füße. Aber zu spät: Der Stein lag glatt und lauwarm in meiner rechten Hand.

Als wir die kleine Holzplattform betraten auf der der Henker stand, wurde mir leicht mulmig zu Mute. Die Axt die der Typ in der Hand hielt sah nicht gerade aus wie ein Spielzeug. Der Mann hatte breite Schultern und war noch ein Stück größer als mein Vater, was mich, ehrlich gesagt, ziemlich beeindruckte. Da stand auch noch ein weiterer Kerl, eher klein und nicht gerade schlank, mit blonden Locken. In den Händen hielt er eine Papierrolle mit viel Text. Als meine Familie ruhig stand, rollte er sie auseinander, setzte eine gelangweilte Miene auf und las: ,,Kobayashi Satori. Kobayashi Kagami. Kobayashi Tsukshim... " der Henker unterdrückte ein Kichern, ich hätte ihm dafür eine reinhauen können, ,,Kobayashi Tsukishima." Ich gab ja zu, mein Name war ziemlich lang, deshalb nannten mich ja auch alle Tsuki. Aber immerhin hatte er es geschafft unseren Familiennamen dreimal hintereinander fehlerfrei auszusprechen. Das schaffte nicht mal ich, irgendwann war ich dann bei Kappshawuschi.

Ich bemühte mich meine Konzentration wieder auf den blonden Typ zu richten. ,,Wegen Mord an verschiedenen japanischen, politischen, einflussreichen und sehr berühmten Persönlichkeiten wie Yamaguchi Mariko, ..." Ich konnte nicht verhindern dass meine Gedanken erneut abschweiften. Es war so langweilig, dass ich fast Angst hatte einzuschlafen. Das war schlimmer als die wirkliche Hinrichtung die ja erst noch auf uns zukam. Ich sah zu meinem Vater auf, der die Hand meiner Mutter hielt. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet, ich bezweifelte sehr, dass er noch zuhörte. Dann zählte der Blondschopf verschiedene unserer, in seinen Augen schrecklichen, gewaltig bösartigen Taten auf, gab uns nicht direkt den Nobelpreis, aber hätten die Soldaten jetzt angefangen zu klatschen hätte es mich nicht gewundert. Aber der Leser rollte seinen Vortrag nur wieder zusammen. Die Beschimpfung, oder Ehrung oder als was auch immer ich das auffassen sollte, hatte ja auch lange genug gedauert. Mit übertriebener Feierlichkeit stolzierte er vom Podium. Ich blickte wieder zum Henker hinüber. Zwei Soldaten zwangen meinen Vater in die Knie, nachdem er meiner Mutter noch eine Kuss auf die Wange gehaucht hatte. Besiegt senkte er seinen Kopf, und meine Mutter fing an zu weinen.

Der Scharfrichter hob die Waffe mit einer Hand, und mein Kiefer klappte runter, mit einer Hand! Als ob. Vielleicht war es doch nur ein Spielzeug. In der nächsten Sekunde änderte ich meine Meinung allerdings wieder, denn die Schneide glitt durch Kobayashi Sasoris Genick, und Blut spritzte auf die Dielen. Der Kopf des Mannes fiel aufs Holz und blieb auf der Seite liegen. Seine toten Augen starrten mich an. Ich schluckte, und beobachtete mit gemischten Gefühlen, wie der leblose Körper meines Vaters zur Seite geschliffen wurde. Nicht einmal verabschiedet hatte er sich von mir. Nein, er hatte mich nicht eines Blickes gewürdigt. Deshalb stand mein Entschluss fest: Ich würde auch meine Mutter nicht vor dem Tod bewahren. Die elende Gestalt trat vor und kniete sich hin. Ihre Schultern bebten, weinte sie etwa? Ich atmete tief durch und schluckte die Gewissensbisse hinunter. Ich wollte ein neues Leben anfangen, und das ging nicht solange diese beiden Mörder auf der Welt waren. Mit einem Gurgeln schied auch Kagami dahin, ihr Blut spritzte auf mein weißes Hemd und auf mein bleiches Gesicht. Angeekelt wischte ich es weg. Auch wenn ich nach außen hin kalt und gefühllos wirkte und mir selbst vorgaukelte ein Herz aus Stein zu besitzen, so wurden meine Knie doch weich und meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich hätte mich jetzt einfach auch auf die Knie sinken lassen und mein Schicksal annehmen können. Aber ich tat es nicht.

Denn obwohl meine Eltern gerade getötet worden waren, verspürte ich kaum das, was ich wohl hätte spüren sollen. Vielleicht Trauer? Übelkeit? Hilflosigkeit? Nein, ich fühlte Stärke. Mut. Freiheit. Nur ganz tief in meinem inneren einen Schrei, und Tränen. Aber solche Gefühle hatte ich mein Leben lang zurückgehalten, und so hielt ich sie auch jetzt zurück.

Mit einer wahnsinnig schnellen Bewegung und einem fast teuflischen Grinsen im Gesicht drehte ich mich zum Henker um und schleuderte den Stein aus meiner Hand. Er flog genauso wie ich es berechnet hatte, nicht so schön wie ein Messer oder ein Wurfstern, aber er fand sein Ziel. Seine Kante rammte sich in die Stirn des Richters, er schrie auf und taumelte zurück. Blut rann über sein Gesicht und er fuchtelte mit den Händen, die riesige Axt noch immer in der Hand. Schließlich kippte er nach hinten weg in die Schar der Soldaten, das Henkersbeil krachte auf die hölzerne Plattform und riss ein gewaltiges Loch hinein. Plötzlich kam Bewegung in die Versammlung: Holzsplitter flogen durch die Luft. Überraschte Schreie und wütendes Gebrüll wurde immer lauter, die Soldaten wurden wachgerüttelt und der blonde Sprecher kreischte auf und lief im Kreis wie ein geistesgestörter Vogel.

Ich nutzte die Gelegenheit zur Flucht und sprang von der Tribüne. Dabei stieß ich gegen den Kopf meines Vaters, der mit einem ekelhaften Flatschen auf dem Kiesboden aufkam. Die Steine bohrten sich in seine geöffneten Augen, und noch immer lief Blut aus dem abgetrennten Haupt. Ein Brechreiz überkam mich, aber tapfer lief ich weiter. Ich hörte wie die Stiefel der Soldaten hinter mir über den Boden rauschten. Aber ich war schneller, noch. Kaum war ich an der Mauer angelangt, erfassten meine Augen sofort die zahlreichen kleinen Kerben und Vorsprünge, und gewandt zog ich mich auf die Mauer. Es war ein gutes Stück Arbeit, aber als ich oben stand und auf die Soldaten runtersah, fühlte ich mich sofort besser. Sie würden da niemals hochkommen. Pah, die waren doch alle viel zu blöd dafür. Ich sah wieder die Mauer entlang, und wollte gerade überlegen in welche Richtung ich am besten auf der Mauer entlang laufen sollte, als ich eine weitere Gestalt oben auf der Mauer wahrnahm. Da stand ein Mädchen. Mitten auf der Mauer. Sie hatte lange schwarze Haare die um ihr Gesicht wehten und sie sehr anmutig erscheinen ließen. Sie trug ordentliche Kleidung, und um ihre Hüfte war ein lederner Gürtel geschlungen, in ihrer Hand hielt sie ein langes Katana.

Obwohl sie noch etwa zehn Meter von mir entfernt war, war die Spitze des Schwertes ganz offensichtlich auf meine Brust gerichtet. Ihre Augen allerdings gaben dem vorbildlichen Bild einen Bruch. Sie waren hellblau wie der winterliche Himmel, und genauso eisig. Sie glänzten forsch. Mir war klar dass ich nicht einfach so an ihr vorbeikommen würde, aber einfach so davonlaufen kam mir dann doch zu feige vor. Und wenn ich etwas auf keinen Fall sein wollte, dann war das feige.

Selbstsicher ging ich auf das Mädchen zu. Sie mochte ein Schwert tragen und bei der Armee sein, aber ich war nicht leicht zu kriegen, was ich eben bewiesen hatte. Ich blieb zwei Armeslängen von ihr entfernt stehen. Etwas neidisch sah ich ihr Schwert an. Es war eine hübsche, leicht gebogene Klinge ohne jegliche Anzeichen von Flugrost oder auch nur den kleinsten Macken. Sie schimmerte silbern wie Wasser. Ich sah dem Mädchen ins Gesicht: ,, Geh weg."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 22, 2018 ⏰

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 2020- Der Krieg Um Die Macht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt