Erntedank Special

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Erntedankspecial

Tobias hatte sich an einen Baum draußen angelehnt und genoss die Sonne solange sie noch da war, denn vor ein paar Wochen hatte es immer wieder geregnet und bald wäre richtig Herbst. Doch daran wollte der junge Mann gar nicht denken, sondern einfach die Ruhe genießen. Endlich mal keine Mädchen, die vor ihm wegrannten oder ihm ihr Schwert an den Hals legten. Die Vögel zwitscherten und etwas weiter weg hörte man Soldaten trainieren. Ihre Rufe und das Klirren von Metall kamen Tobias wie aus weiter Ferne vor. Er hatte für heute bereits sein Training beendet und die Rüstung abgelegt. Da hörte er wie sein Handy eine Nachricht empfing. Sie war von seiner Mutter. „Mein Tobilein“, stand da. Tobias hatte seiner Mutter schon so oft gesagt, dass sie ihn nicht Tobilein nennen soll, dass ihm auf Anhieb 30 solcher Situationen einfielen, aber gebracht hatte das alles nichts. „Wir sind gerade aus der Kirche gekommen und haben dich schrecklich vermisst. Ich weiß noch wie du selber mit 5 dort gestanden hast, es kommt mir vor wie Gestern. Ach, wie doch die Zeit vergeht. Jetzt bist du schon groß und alleine in Japan.“ Worüber schrieb da eigentlich seine Mutter gerade? Er war schon nach dem Wort Kirche rausgeflogen. Klar, seine Eltern waren sehr gläubisch im Gegensatz zu ihrem Sohn, was sie sehr schade fanden, aber irgendwie fiel es ihm schwer den Worten seiner Mutter zu folgen. Bei den nächsten Worten verzog er sein Gesicht. „Ich hoffe du vergisst nicht deine Wäsche zu waschen und die Unterwäsche regelmäßig zu wechseln. Wir haben dich ganz doll lieb, schönes Erntedankfest, deine Mama und Papa“ Jetzt ging dem blonden Mann ein Licht auf, es war heute Erntedankfest. Ein Fest, welches man hier nicht kannte und er bedauerte dies nicht. Er hatte an dem Tag immer in die Kirche gemusst und anschließend gab es dort Mittagessen. Gemüsesuppe! Gemüsesuppe, in der … Gemüse drinnen war! Er hasste Gemüse! Plötzlich war er wieder 5 Jahre alt und zu Hause in Deutschland. „Jetzt zier dich nicht so!“, schimpfte die Mutter, während sie versuchte ihrem Sohn etwas ordentliches anzuziehen. Doch dieser wand sich und quengelte: „Ich will nicht in die Kirche, Kirche ist doof. Und Gemüse auch.“ Seine Mutter seufzte und zwängte Tobias in den kleinen Anzug, um ihn dann ins Auto zu bugsieren und loszufahren. In der Kirche war schon viel los und die ganzen Erwachsenen begrüßten sich untereinander und redeten über das Wetter, Politik oder den neusten Tratsch im Dorf. Alles Themen, für die sich Tobias damals noch nicht interessierte. Also machte er sich von seiner Mutter los und schlängelte sich durch den Beinewald, bis er einen aus seinem Kindergarten traf. Die Kindergarten Kinder hatten sich um eine Erzieherin versammelt und bekamen Körbe mit Brot, Weizen, Gemüse und sonstigem Zeug, welches sie vor der Gemeinde präsentieren sollten. Jetzt kam die Frau auf Tobias zu und wollte ihm auch ein Korb mit Karotten in die Hand drücken, doch er wich zurück. Er hasste Gemüse, besonders Karotten. Doch irgendwie schaffte die Frau es doch, ihm den Korb in die Hände zu geben und da läuteten schon die Glocken und alle Besucher strömen in das Gotteshaus. Als letztes folgte die Kindergartengruppen in einer unordentlichen Schlange, alle ihre 'Gaben' fest umklammert und nervös. Tobias war der Einzige, der mit finsterem Blick vor sich hinstierte. Er war der Letzte in der Reihe und missmutig wartete er bis alle anderen dran waren. „Wir danken Gott dafür, dass er das Getreide hat wachsen lassen.“, sagte das Mädchen vor ihm und jetzt war nur noch er dran. Alle Blicke richteten sich auf ihn und mit zittrigen Beinen ging er vor. „Ich danke Gott für gar nichts. Gemüse ist doof, also muss er auch doof sein. Ich hasse Gemüse, besonders solche Karotten.“, damit warf er seinen Korb auf den Boden und stellte sich zu den Anderen. Die Gemeinde war entsetzt, nur hier und da entstand nervöses Lachen. Tobias blickte zu seiner Mutter, die knall rot war und versuchte sich im Sitz möglichst klein zu machen. Der Pfarrer ging geschickt darauf ein, um die nervöse Atmosphäre wegzubekommen: „Viele Kinder mögen kein Gemüse, dennoch liebt Gott sie innig....“ Nach dem Wort Gott schaltete Tobias einfach ab. Was sollte den auch dieses Gerede von einem Gott? Er war selbst stark genug. Man konnte auch ohne Gemüse stark werden. Ungeduldig verlagerte er sein Gewicht von einem Bein aufs andere, während der Pfarrer predigte. Dann hatte der Kindergarten noch einmal einen Einsatz und alle Kinder sangen voller Elan. Auch Tobias sang mit, denn es machte ihm Spaß. Die Karotten waren schon längst vergessen und auch seine Mutter traute sich wieder aus dem Stuhl aufzutauchen und wurde immer Größer, als ihr kleiner Sohn vor der ganzen Gemeinde ein Solo sang. Jetzt Jahre später sang er nicht mehr gerne, aber damals hatte er es geliebt. Als der Gottesdienst zu ende war, strömten viele ins Gemeindehaus, wo es eine Gemüsesuppe geben sollte. Dazu gab es Würstchen und Brot. Brav stellte sich Tobias an und bekam seine Schale. Bei den Würstchen erbettelte er sich zwei und glücklich setzte er sich zu den Anderen. Gierig verschlang er sein Fleisch und löffelte die Suppe. Wobei Suppe übertrieben war, er löffelte das Wasser aus der Suppe, das Gemüse ließ er einfach in der Schale liegen. Irgendwann kam seine Mutter und sah die Stücke auf dem Grund seiner Schüssel und erklärte: „Ess doch bitte das Gemüse auf. Es ist nicht höflich so viel übrig zu lassen.“ „Nein, Nein, Neeeeiiiinnn.“, brüllte der kleine Junge, „Ich esse kein Gemüse!“ Lange versuchte es die Mutter noch, doch Tobias presste fest seine Lippen aufeinander, bis sie es aufgab. „Ach Tobilein, irgendwann wirst du es verstehen.“, seufzte sie und beließ es dann dabei. Zurück in Japan zuckte Tobias bei einem Knacken zusammen. Er schaute zu der Geräuschquelle und sah, wie der schwarze Junge, ein Sklave wie er sich erinnerte, eine Karotte aß. Umculo bemerkte seinen Blick und erwiderte ihn. Dann reichte er dem Krieger eine Karotte. Wütend stand Tobias auf, ohne die Karotte zu beachten und stapfte davon. Umculo sah verwirrt aus, doch Tobias murrte nur bei sich: „Ich hasse Gemüse!“

 2020- Der Krieg Um Die Macht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt