Strategie ist alles

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>>Nun, da wären wir.<<, sagt Marc und drückt die Tür zu unserer Unterkunft mit Hilfe eines roten Knopfes auf. Es ist unglaublich. Ein riesiger Wohnsaal, geschmückt mit goldenen Ornamenten, Ankern, Dreizacken und Netzen. Hinter einem flauschigen Sofa und dem gigantischen Flachbildfernseher, erstreckt sich ein Esstisch, reich gedeckt, mit Speisen und Getränken, von denen ich noch nicht einmal wusste, dass sie existieren.

Marc nimmt mich bei der Hand und führt mich nun in einen kleinen Raum, in dem nichts weiter, als ein Bett, ein Fernseher und eine kleine Kommode steht. >>Hier wirst du wohnen, zumindest für die nächsten vier Tage. Mach' es dir gemütlich.<< Sein Lächeln zum Abschied wirkt ehrlich, so ehrlich, wie noch keines, dass ich heute gesehen habe. Dann geht Marc und ich bin allein. So unglaublich allein.

Nachdem ich zu Abend gegessen habe, schließe ich mich wieder in meinem Zimmer ein. Ich will niemanden sehen, mich einfach nur hinlegen und darauf warten, dass ich den Schmerz, die Angst, den Zorn in mir nicht mehr spüre.

Katniss Everdeen. Das Mädchen in Flammen. Sie nahm mir doch schon so Vieles :

Meinen Großvater, meine Mutter, meine große Schwester Coriolana. Sie alle sind tot, Opfer des scheinbar unstillbaren Rachedurstes Katniss'. Doch nein. Nein. Diese Genugtuung, mich sterben zu sehen, werde ich ihr nicht geben, ich werde mich Rächen, rächen für alles, was sie mir angetan hat, rächen dafür, dass sie jetzt auch noch meinen Bruder, mich und einundzwanzig andere Tribute in einem unmenschlichen Gemetzel ums Leben bringen will. Ich werde kämpfen. Für Ben, für mich und für meine ermordete Familie.

Ich laufe zu der Kommode und reiße sie auf. Meine Vermutungen bezüglich ihres Inhaltes bestätigen sich, als ich fünfundsiebzig sorgfältig beschriftete Aufnahmen jeder einzelnen Hungerspiele vorfinde. Ich werde es mir einfach von den Tributen abschauen, wie sie überlebten, mir ihre Techniken aneignen und mehr über die möglichen Arenen herausfinden. Vorsichtig ziehe ich einen Film aus dem Fach und schaue auf die Beschriftung : Die 67. Hungerspiele

Nachdem ich den Flachbildfernseher in Gang gesetzt habe und mit der daugehörigen Bedienung die Aufnahme gestartet habe, sitze ich auf dem riesigen Bett und Folge gebannt dem Lauf der 67. Hungerspiele. Alles beginnt mit der Ernte, bei der sich die Tribute aus Distrikt eins und zwei natürlich freiwillig melden. Außer ihnen, werden außschließlich kleine, dürre oder sehr junge Tribute gezogen. Schon in diesem Moment steigen mir die Tränen in meine sonst so emotionslosen, eisblauen Augen. Sie sind jetzt alle tot, bis auf Einen und wahrscheinlich habe ich ein Jahr der Karrieros erwischt:

Die Parade, sowie Insideraufnahmen von den Einzeltrainings, die Punktzahlverkündung und die Interviews schaue ich mir geduldig an und mache mir nützliche Notizen auf einem kleinen Block. Dann wird es ernst : Die Tribute werden in die Arena geworfen, dazu angestichelt, sich gegenseitig umzubringen. Ewigkeiten stehen sie auf den hochexplosiven Podesten, bis der Startschuss ertönt und alle Jugendlichen auf das Füllhorn zurennen - alle bis auf zwei, welchen die Kamera folgt. Sie sprinten, durch das wirre Gestrüpp eines bedrohlich und unnatürlich aussehenden Waldes, rennen und rennen, bis sie schließlich stoppen und auf den höhsten Baum klettern, den sie finden können. Siebzehn Tote an dem ersten Tag, zählen die Beiden und das ist erst der Anfang, denn in den folgenden zwei Tagen dieser Spiele sterben ebenfalls nocheinmal zwei Tribute. Die Kamera ist aber nach wie vor die ganze Zeit auf die zwei Jugendlichen aus Distrikt sechs gerichtet, die am Anfang das Weite gesucht haben. Irgendwann werden sie dann von den Karrieros, von denen noch drei übrig sind, gefunden und der kleine Junge aus Distrikt sechs, welcher der Verbündete des fünfzehnjährigen Mädchens, ebenfalls stammend aus diesem Distrikt, war wird getötet. Das junge, überaus intelligente Mädchen, kann sich nach dem Angriff verstecken und tut das am Ende auch so lang, bis alle anderen Tribute verdurstet, verhungert, vergiftet oder von Tieren zerfleischt wurden. Ihr Glück war es, dass sie sich im Trainingscenter sehr viel mit Überlebenstechnik, essbaren Pflanzen und dem Bauen von Fallen beschäftigt hatte, während die anderen Tribute nur den Umgang mit Waffen studierten. Und sie hat es tatsächlich raus geschafft.

Verstecken also? Und mich mit Überlebenstechnik auseinandersetzen? Ein erster Anhaltspunkt.

Nach diesem Film folgen noch viele weitere und ich habe immer mehr Ideen im Kopf, wie ich es schaffen könnte, die Hungerspiele zu überleben, doch irgendwann, gerade, als ich mir die herzzerreißende Liebesgeschichte von Peeta und Katniss auf dem Monitor angesehen habe, klopft es an der Tür. >>Herein<< Die Tür wird geöffnet und Annie tritt in mein Zimmer. >>Du bist schon wach?<< Ich schüttele den Kopf und deute zum fernseher. >>Immernoch.<< Annie verdreht die Augen und nimmt meine Hand. >>Du solltest dich doch ausruhen, wir haben nur noch drei Tage und dann...<< Ihre Stimme stockt und sie schaut nur noch wortlos auf den Boden. Dann zieht sie mich aus dem Zimmer, zielsicher in Richtung Trainingscenter. Noch drei Tage.

Die Tribute von Panem - Das Ende war erst der AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt