Kapitel 4

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Am nächsten Morgen war es endlich so weit. Ich fing an meine Träume in die Tat umzusetzen und mein Leben zu leben.
Leise schnappte ich mir meinen Koffer, wo alles wichtige für Motte und mich drin war und schlich so leise es mir bei dieser knarrenden Treppe möglich war in die Küche, um mir noch schnell einen Kaffee zu machen. Im letzten Moment viel mir noch ein besser eine Mehrfachsteckdose mitzunehmen, da im Bus nur eine einzige war.
Ich wollte gerade das Haus verlassen, als ich mich dazu entschied doch noch meinen Eltern wenigstens einen Zettel zu hinterlassen:

"Hey Mom, Hey Dad,
Tut mir leid, dass ich mich nur so von euch verabschiede, aber sonst hättet ihr mich nie gehen lassen.
Das Leben, das ihr euch für mich wünscht, ist für mich wie ein Gefängnis und ich würde dadurch tot unglücklich werden. Ich muss einfach weg von hier und das kann einige Wochen (okay eher Monate) dauern.
Eure Lilli"

Ich war von mir selbst überrascht wie emotional der Zettel geworden war, wenn man bedenkt, dass unser Verhältnis nicht das beste war...
Ich legte ihn auf den Küchentisch, ehe ich mich raus zum Bus schlich, einen letzten Blick auf mein angebliches Zuhause warf und dann zu Emma fuhr ohne noch einmal zurückzublicken.

Meine Mischlingshündin schien die Welt nicht mehr zu verstehen, als ich sie auf einem der Sitze mit ihrem Hundeanschnallgurt anschnallte, aber sie wirkte ganz und gar nicht gestresst. Eher neugierig auf das was nun kommen möge. Ich war zwar ein sehr leichtsinniger Mensch, aber wenn es um Motte ging war mir jede Sicherheit noch nicht sicher genug und deshalb durfte sie auch nur mit Gurt mitfahren.

Etwa zehn Minuten später stand ich vor Emmas Haus und wartete ungeduldig darauf endlich fahren zu können, da meine reizende beste Freundin mal wieder eine halbe Ewigkeit brauchte um fertig zu werden.
Als sie mir allerdings ein Soya-Vanilleeis mitbrachte, war jegliche gekünselte Wut verflogen. Nichts geht über Eis!
Wir beschlossen, dass sie als erstes fahren würde und als sie gerade auf's Gas treten wollte, drehte sie sich noch einmal um und fragte mich lächelnd: "Und du willst das wirklich durchziehen hm?"
"Natürlich! Ich mach jetzt keinen Rückzieher!"
"Das wollte ich hören! Adios altes Leben!" rief sie und hatte sichtlich gute Laune. Wir legten eine CD von Green Day ein und sangen laut mit.

"So... da wir ja jetzt echte Hippies zu sein scheinen, geht der nächste Stop zum Friseur." bestimmte sie und erntete einen verwirrten Blick meinerseits.
"Hörst du dir eigentlich selber zu? Was willst du bitte beim Friseur?" fragte ich und musste dabei kurz lachen.
"Ich will Dreadlocks." antwortete sie so cool wie möglich bis sie einen Lachflash bekam. Dass sie die Sache allerdings trotzdem ernst rüber bringen konnte, fand ich noch viel cooler.

Und dann zog meine selbstbewusste beste Freundin mal wieder genau ihr Ding durch. Nachdem wir etwas gefrühstückt hatten, hielt sie beim Friseur ihres Vertrauens und kam mit den coolsten Haaren, die sie je hatte wieder raus. Die ganze Prozedur sah in meinen Augen zwar ziemlich schmerzhaft aus, aber sie meinte es sei auszuhalten und mit einem einfachen "Wer schön sein will muss leiden!" ließ sie das ganze Gezerre über sich ergehen.

"So meine Liebe, wohin soll es als erstes gehen?" fragte ich Emma und saß auf heißen Kohlen, weil ich es nicht mehr erwarten konnte.
"Richtung Meer. Der schnellste Weg zum Meer!"
"Alright! Ich hab meine Spiegelreflexkamera mitgenommen. Dann können wir, überall wo es uns gefällt, fotografieren."
"Nice!" zischte sie begeistert und die Fahrt begann.

Als wir um 09:00 Uhr kurz vor der Grenze von den Niederlanden waren, klingelte mein Handy das erste Mal und meine Laune sank auf die Sekunde genau als ich den Namen meines Vaters auf dem Bildschirm sah. Aus mir unbegreiflichen Gründen entschied sich mein Unterbewusstsein dafür den Anruf anzunehmen.

"Dad?"
"Wo verdammt nochmal bist du?" fragte er sauer.
"Das geht euch nichts an!" antwortete ich frech.
"Du bist meine Tochter. Das geht mich sehr wohl etwas an!"
"Dad, ich weiß, ihr habt das noch nicht so ganz mitbekommen, aber ich bin erwachsen und darf mit meinem Leben machen was ich will!"
"Und den Hund musstest du natürlich unbedingt mitnehmen hm? Das ist unser Familienhund."
"Motte gehört mir! Ich hab den Kaufvertrag unterschrieben und die Vorbesitzer bezahlt. Außerdem habt ihr euch sowieso nie um sie gekümmert!" anscheinend gab er mir Recht, da er auf der Stelle aufhörte mit mir über Motte zu diskutieren.
"Und wann kommst du wieder?" langsam schwang eine gewisse Ruhe in seiner Stimme mit.
"Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Auf jeden Fall nicht in den nächsten 3 Monaten." und damit beendete ich unser Gespräch und drückte auf 'Auflegen'.

"Haben sich deine Eltern eigentlich schon gemeldet?" wendete ich mich an meine Freundin.
"Ich hab mich per Telefon verabschiedet." antwortete sie mit einem mitleidigem Blick.
"Verstehe."
Sie hatte ein deutlich besseres Verhältnis zu ihrer Familie als ich und hatte deshalb immer ein schlechtes Gewissen, welches völlig unnötig war.

Als wir in Venlo ankamen, bettelte ich gerade zu darum aussteigen zu dürfen und dies ließ Emma sich nicht zweimal sagen. Diese Stadt hatte eine ganz besondere Bedeutung für mich, denn nach hier sind wir früher oft an langen Wochenenden mit Luke, meinem großen Bruder, gefahren. Früher...bevor er mit 18 das selbe wie ich machte und vom einen auf den anderen Tag beschloss nach Spanien zu gehen, um ebenfalls von unseren Eltern wegzukommen. Das ganze war vor drei Jahren, seitdem hatte ich ihn kein einziges mal mehr gesehen und der Kontakt war auch ziemlich schlecht. Okay es gab keinen Kontakt. Ich folgte ihm auf Instagram und hatte seine Handynummer, aber hatte mich komischerweise nie getraut ihn anzuschreiben. Doch ihm hatte ich es zu verdanken, dass ich mit 16 endlich genug Mut hatte aus mir heraus zu kommen und wurde zu dem rebellischen Mädchen, dass ich heute bin. Ich entschied mich für eine vegane Ernährung, ließ mir einen Bauchnabelpiercing stechen, färbte meine Haare in einem knalligen lila und machte einen Motorradführerschein. Nicht nur, weil ich es übertrieben cool fand, sondern auch weil meine Eltern absolut dagegen waren. Das ganze machte ich neben der Tatsache, dass ich von diesem Tag an so ziemlich jede Regel brach, die mir aufgeschwatzt wurde. Meine Haare trug ich mittlerweile wieder in meiner Naturhaarfarbe, da mir diese nach all den Jahren besser gefiel, aber die anderen Punkte blieben bis zu diesem Zeitpunkt gleich.

Emma, Motte und ich bummelten durch Venlo und fingen alles was uns gefiel mit der Kamera ein. Etwa eine Stunde später setzten wir uns ans Ufer der Maas und ich beschloss ein Notizbuch und einen Kugelschreiber aus meiner Tasche zu kramen, ehe ich selbstbewusst meine Freundin anschaute und sagte: "Wir brauchen eine Bucketlist für unseren Roadtrip, Emmi!"
"Oha ja... Gute Idee!"
nach einer halben Stunde, in der wir viel gelacht haben, hatten wir die ersten Punkte aufgelistet:

1. Ein Tattoo stechen lassen
2. Unter freiem Himmel am Strand übernachten
3. Party am Ballermann machen
4. Sich von den Wellen tragen lassen
5. Nachts im See schwimmen gehen
6. Nachts ins Freibad einbrechen
7. London, Paris, Barcelona und Rom sehen
8. Unter einem Wasserfall duschen
9. Ein Lagerfeuer am Strand machen
10. Richtig surfen lernen
11. Die Polarlichter sehen
12. Einen Fallschirmsprung wagen
13. Von einer Klippe in den Ozean springen
14. Mit armen Kindern Fußball spielen
15. In jeder Stadt mindestens ein Souvenir mitnehmen.

Wir beschlossen die Liste im Laufe der Zeit immer weiter zu ergänzen. Den Rest des Abends verbrachten wir noch in der Stadt bis wir gegen 23:00 Uhr in unserem Bus auf einem öffentlichem Parkplatz seelenruhig einschliefen.
Der erste Tag unserer Reise war bereits vorbei und es war der beste Tag seit langem. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Lebensfreude verspürt!

Roadtrip of my lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt