Das was bleibt

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„Ich habe dich begraben müssen."

„Ich weiß, John, ich -"

„Im Krieg habe ich schon genug Freunde zu Grabe getragen und dann, dann bist du gegangen und hast mich gezwungen es wieder zu tun!", seine Stimme brach in dem Versuch die Tränen zurückzuhalten, die so verräterisch in seinem Brustkorb brannten.

„Du lässt es so klingen, als hätte ich das gewollt." Die Schuld, die sein Innerstes durchtränkte, schwang in jeder Silbe. Die Wut auf sich selbst, den Menschen, der ihm am meisten bedeutete, verletzt zu haben. Der Schmerz, John verlassen zu haben. „Ich musste es tun, andernfalls hätte ich dich begraben müssen."
Trotz allem kam Sherlock nicht umhin, froh zu sein, dass er es gewesen war, der seinen Tod vorgetäuscht hatte, der 'gestorben' war. John war stark, er hatte es verkraftet. Scherlock bewunderte ihn dafür. Denn was wäre mit ihm geschehen, wenn John gestorben wäre?

Als Sherlock heimgekehrt war, auferstanden von den Toten, hatte er fast einen ganzen Tag damit verbracht in der Wohnung umher zu gehen und zu deduzieren, was John getan hatte bevor er ausgezogen war. Das war ein amüsantes Spiel gewesen.

„Moriartys Scharfschütze, ich verstehe schon. Aber danach... Wieso hast du mich im Dunkeln gelassen?! Zwei gottverdammte Jahre! Wir hätten Moriartys Netzwerk gemeinsam ausschalten können. Ich wäre dir gefolgt, Sherlock, überall hin..." John war immer leiser geworden, er wandte seinen Blick ab. Scham. Wieso schämte er sich?

„Und genau deswegen musstest du denken, ich sei tot. Sie hätten dich umgebracht, John."
Sie hätten auch Sherlock fast umgebracht, und das nicht bloß in Serbien, aber von all dem musste John nichts wissen. Den Schmerz der wieder aufreißenden Wunden auf seinen Rücken, als John ihn zu Boden geworfen hatte, hatte er erfolgreich überspielt. Nicht einmal versucht ihn abzuwehren hatte er, denn er wusste, er hatte es verdient. Seither versteckte Sherlock seine Narben. Er würde nicht zulassen, dass John ihn so sah. So kaputt.

Der Geigenkasten war unberührt und staubig gewesen, wie erwartet, denn eher würde die Hölle gefrieren bevor sie jemand beschädigen würde. Als wäre nie etwas geschehen. Die Teekanne war benutzt worden, wiederholt. Typisch, charakteristisch. Zwei Tassen waren in Gebrach gewesen, doch nur aus einer von ihnen war getrunken worden.

„Verstehe doch, ich musste das allein tun. Ich habe dich beschützt."
In Wahrheit war Sherlock nie allein gewesen. Johns Stimme hatte ihn begleitet, hatte ihn davor bewahrt zu zerbrechen. Sein Anker in Nächten der Qual. Wie sonst hätte er geschafft, das Netzwerk in nur zwei Jahren zu zerschlagen. Je eher er Erfolg gehabt hatte, desto eher hatte er nachhause kommen können, in die Baker Street, zu John.

„Nein, Mary hat mich beschützt."

Mary. Er mochte sie nicht.
„Beschützt vor was?!", das klang rüder als beabsichtigt.

Vorhersehbar, wie erwartet. Solange bis er bei Johns Schreibtischschublade angelangte war, wo dieser seine Pistole aufbewahrt hatte. Der Moment, in dem der Verschleiß ihm verraten hatte wie oft John sie geöffnet hatte, war der Moment gewesen, in dem er aufgehört hatte zu spielen.

„Vor dem Fallen, Sherlock."

Nun verstand er. Er schuldete Mary ein Leben. Er schuldete ihr ein Leben mit John.

Melodien für John (Johnlock)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt