Kurzgeschichten

Gedanken

Ist der Gedanke daran, solch einen Gedanken zu haben, schon so viel, wie daran zu denken? Etwas zu denken, heißt doch nicht es zu fühlen, richtig? Diese Gedanken waren schrecklich! Sie musste endlich aufhören, aufhören mit allem!
Sie setzte sich auf und atmete durch: "Und jetzt brauche ich Ablenkung..." Ohne einen genauen Plan zu haben stand sie auf, die Kopfhörer in die Ohren steckend lief sie durch die Wohnung.
Flur, Küche, Flur, Esszimmer, Wohnzimmer, zurück ins Esszimmer, durch den Flur, bis ins Bad.
"Du siehst scheiße aus.", warf sie ihrem eigentlich okay-aussehendem Spiegelbild vor, Selbsteinschätzung eben. Vielleicht meinte sie auch nicht das Gesicht, welches ihr in die Augen starrte, sondern das Chaos in ihrem Kopf.
Fest kniff sie die Augen zusammen, bis es in der Stirn zu Ziehen begann, schlagartig riss sie die Augen wieder auf und ging weiter, trottete durch die Wohnung. Die restlichen Bewohner dort begannen schon damit, ihr genervt oder verwirrt nach zu sehen, wenn sie nach wenigen Minuten wieder mal das Zimmer verlassen musste.
Irgendwann ließ sie sich nieder, hier würde sie bleiben, im Esszimmer, auf der Bank am Kopfende des Tisches. Gelangweilt und irgendwie erschöpft zog sie ihr Handy hervor. Twitter, WhatsApp, Snapchat, uninteressant. Warum konnte ihr denn nicht endlich wer das sagen, was sie die ganze Zeit über wissen wollte!?
Verzweifelt ließ sie ihren schweren Kopf auf den Tisch sinken, wie sehr sie sich eine Umarmung ersehnte. Sie öffnete ihrere Augen erneut, welche sie wegen der anhaltenden Verzweiflung geschlossen hatte. Sie starrte das bearbeitete Holz unter ihrem Gesicht an, so wie er es mit ihr getan hatte. Fühlte es sich so an? Sollte es sich so anfühlen?
Sie wollte nicht fühlen, nur weil er fühlte und dabei war sie sich ja noch nicht einmal sicher. Warum mussten Menschen nur so unendlich kompliziert sein!? Warum musste er sich nur so unendlich komisch verhalten!? Merkte er denn nicht, wie verrückt er sie damit machte?
Sie stieß die angestaute Luft aus ihrem Mund aus und richtete sich wieder auf, nur um kurz darauf, aufzustehen und weiter zu laufen.  Durch den Flur, wieder zurück zum Ausgangspunkt, in ihr Zimmer. Nach dem kläglich gescheitertem Versuch ihren Kopf frei zu bekommen, ließ sie sich wieder auf ihr Bett sinken, diesmal mit dem Gesicht in das Kissen gedrückt. Anscheinend war die Welt halt einfach so, wenn sie etwas wissen wollte, musste sie es selbst erfragen und wenn sie das nicht konnte, blieb sie eben im Unklaren. Und bevor sie sich noch mehr Gedanken dazu machen konnte, schlief sie, mitten am Tag, ein.