PoV Stegi
Schwarz. Das Einzige, was ich sah, war tiefe Schwärze.
Mein Kopf tat höllisch weh und mein Gedächtnis war quasi nicht vorhanden. Kurz konnte ich mich nicht einmal mehr an meinen Namen erinnern. Doch, da war er. Stegi. Ich hieß Stegi.
Verzweifelt versuchte ich mich daran zu erinnern, wie ich in dieses schwarze Loch gelangt war. War ich überhaupt in einem Loch? Vorsichtig versuchte ich irgendetwas zu ertasten, als mir auffiel, dass ich gefesselt war. Der Boden unter mir fühlte sich rau und kalt an und ich begann zu frösteln. Noch immer verzweifelt von meinem Gedächtnisschwund, versuchte ich, die Fesseln zu lösen, die sich tief in mein Fleisch bohrten und wahrscheinlich schon längst mein Fleisch aufgerieben hatten. Wo war ich? Wurde ich entführt? Und wenn ja, von wem?
Plötzlich hörte ich etwas knarzen und kurz darauf blendete mich grelles, künstliches Licht, aus Reflex kniff ich die Augen zusammen und bekam deswegen nur die Hälfte des Geschehens mit. "Hol ihn raus und bring ihn zu Tim", hörte ich ein barsche Stimme. Eine Silhouette eines schlanken relativ großen Mannes erschien im Türrahmen. Meine Augen gewöhnten sich allmählich an die Helligkeit und ich konnte mit meinem Blick durch den Raum, in dem ich saß, huschen. Keine Möbel, keine Fenster und nur eine Tür. Definitiv eine Entführung, denn nach einem Hotel sah das hier nicht aus.
Ich hörte ein zustimmendes Brummen eines anderen, etwas kleineren Mannes, welcher auch gleich auf mich zukam. Panik breitete sich in mir aus. Wer waren diese Leute? Was wollten sie von mir?
Der Kleinere packte grob nach mir und zog mich auf die Beine. Mein Kopf pochte und meine Beine wackelten, ich war kurz davor, wieder zusammen zu brechen. Der Griff des Mannes verfestigte sich und zerrte mich aus der Tür, wo der größere Mann wartete. Das Erste, das mir auffiel, waren seine stechend grünen Augen.
Viel bekam ich nicht von dem Weg zu einem anderen Raum mit. Das grelle Licht blendete und zu meiner Panik kam Übelkeit hinzu, weshalb ich den gesamten Weg damit beschäftigt war, dem Mann mit grünen Augen nicht auf die Füße zu kotzen.
Schließlich wurde ich in einem grauen Raum mit Betonwänden losgelassen. Die Wände sahen herunter gekommen und dreckig aus, ein paar Fenster waren mit Gitter angebracht und einzelne Topfpflanzen standen herum. Jedoch konnte ich den Raum kaum mehr mustern, da ich den Mülleimer einen Meter neben mir entdeckt hatte und mich sofort darüber übergab. Kurz war es mir egal, wo und mit wem ich hier war. Ich musste einfach meinen Magen entleeren.
Nachdem ich mich ausgiebig übergeben hatte, wischte ich mir mit dem Arm über den Mund und drehte mich zu den Männern. Heißt, ich wollte mich zu ihnen umdrehen, doch die beiden waren nicht mehr da. An ihrer Stelle lehnte jetzt ein braunhaariger, großer Typ gegen einen Schreibtisch und sah mir belustigt dabei zu, wie ich ihn kritisch unter die Lupe nahm.
"Wer seid ihr?", mein Hals war so trocken und meine Stimmbänder so verrostet, dass ich nicht einmal wusste, ob der Kerl mich überhaupt verstanden hatte.
"Ich glaube, das willst du nicht wissen", seufzte der Braunhaarige und nahm einen großzügigen Schluck aus einer weißen Tasse.
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich!
"Ihr seid die Oberschicht", es war eine Feststellung, die mir meine Erinnerungen teilweise zurückholte. Ich, der sich von seinen Schwestern verabschiedete, da er im Wald nach ein paar Beeren suchen wollte. Ich, der auf einer Lichtung ziemlich misstrauisch gewesen war, da die Vögel aufgehört hatten zu zwitschern. Und schließlich ich, der noch einen Schatten ausmachen konnte, als man mich mit einem Stock niederschlug.
Reflexartig wollte ich mir auf die Stirn fassen, jedoch hielten mich die Fesseln davon ab. Ich wettete darauf, dass ich eine Platzwunde am Kopf trug.
"Arschlöcher."
Das war das Einzige, das mir in dem Moment durch den Kopf ging und dass ich meinen Gedanken laut ausgesprochen hatte, bemerkte ich erst, als der Mann am Schreibtisch anfing zu glucksen. "Ja, da hast du teilweise Recht."
Er verwirrte mich, das stand fest. War er auf meiner Seite oder versuchte er so nur unterschwellig Vertrauen aufzubauen?
"Wer bist du?", fragte ich ihn, nach langem und genauem Mustern seines Körpers. Er war um die zwanzig, hatte stark aussehende Arme und auch sonst einen guten und kräftigen Körperbau. Seine braunen Augen strahlten pure Gelassenheit, Sänfte und auch ein wenig Besorgnis aus, während seine Lippen zu einem warmen Lächeln verzogen waren. Ich stempelte den Mann als attraktiven Macho ab und widmete mich seiner Antwort.
"Tim. Ich heiße Tim. Und ich bin hier, um mich um dich zu kümmern."
"Was versteht ihr unter kümmern? Wollt ihr mich wieder in das dunkle Loch, was sich Raum schimpft, stecken, um es dann als Kümmern zu bezeichnen?" Ja, das Gehässige konnte ich nicht zurückhalten. Es war dumm und das wurde mir bewusst, als es schon meinen Mund verlassen hatte. Hier hatte ich absolut nichts zu melden. Allerdings verzog Tim keine Miene. Entweder juckte es ihn nicht, dass ich gerade seine Landsleute beleidigt hatte, oder er ließ es sich nicht anmerken.
"Eigentlich bin ich hier, um genau das zu verhindern. Ich kann deine Wut verstehen, aber ich bin wirklich nur hier, um dir zu helfen, Kurzer."
"Meine Wut? Die kommt noch, pass auf. In weniger als zwei Stunden fang ich an sämtliche Gegenstände zu zerfetzen. Außerdem bin ich nicht Kurzer. Nicht für dich. "
Tim grinste bei der Erwähnung seines Spitznamen für mich. "Dann musst du mir wohl oder übel deinen Namen verraten."
Kurz zögerte, bis ich antwortete: "Stegi."
"Stegi?", fragte Tim verwundert nach, während er sich von dem Schreibtisch, gegen den er sich bis jetzt noch gelehnt hatte, abstoß und ein paar Schritte in meine Richtung machte, "Das ist ein Name?"
Instiktiv wich ich zwei Schritte zurück. Ich traute diesem Frieden nicht. Immerhin war er und seine Leute es, die mich eingefangen hatten.Doch Tim griff nur nach dem Mistkübel, um zuerst angewidert mein Erbrochenes zu mustern und es im nächsten Moment auf den Schreibtisch stellte.
"Natürlich ist Stegi kein Name. Draußen haben wir alle unsere Spitznamen. Meiner ist eben Stegi."
"Und dein echter Name?"
"Der geht dich nichts an."
Unsere Konversation war hiermit beendet. Auch wenn Tim sagte, ich würde nicht mehr in dieses Loch kommen, endete ich heute doch noch in dem grauen Raum ohne Fenster.
Das war wirklich ein beschissener Tag.
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Vertrauen <Stexpert>
Fanfiction~"Vertraust du mir?", fragte Tim. "Klar", antwortete ich etwas verwirrt, als ich auf einmal die Lippen des Älteren auf meinen spürte.~ Zwei Ränge. Arm und Reich. Wenn du Reich bist hast du Glück. Wenn nicht, dann bist du am Arsch. Tim hat ein gutes...