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PoV Stegi

Ich wusste nicht wie viele Tage vergangen waren. Hier drinnen gab es weder eine Uhr noch so was wie ein Fenster, wo ich sehen könnte wann es Tag oder Nacht ist. Die meiste Zeit verbrachte ich mit schlafen oder Nachdenken. Es ist eine Art Gefängnis hier. Bloß mit dem Unterschied, dass es hier nicht mal ein Bett oder ein Licht gab. Ein paar mal kamen irgendwelche Leute, um mir immer die selbe Frage zu stellen. Wo liegt dein Dorf? Die Frage die ich nie beantworten werde. Ich könnte euch mal erklären wie das hier abläuft. Es gibt ein paar Städte. Sie haben hohe Mauern, zivilisierte Menschen und ein strenges Gesetz. Dort wo ich jetzt gefangen wurde. Ich war mir nicht so sicher in welcher Stadt ich bin. Dann gibt es Dinge auserhalb der Mauer. Da wo ich herkomme. Es sind meistens einzelne Häuser oder gut versteckte Dörfer. Die Regierung der Reichen will sie auslöschen. Alle. Sie sind ihnen ein Dorn im Auge. Außerhalb der Mauer hast du die Arschkarte. Wirklich. Luxus ist bei uns schon ein altes moderiges Bett. Wenigstens hast du dann ein Bett.

Plötzlich ging die Tür auf und ich schrak auf. Tim kam durch die Tür. "Komm", forderte er mich monoton auf. "Ich bin gefesselt, du Spast", meinte ich genervt. Im nächsten Moment viel mir ein, dass ich ihn nicht als Spast beleidigen sollte. Aber er zeigte keinerlei Emotionen. Er kam auf mich zu und löste meine Fesseln. Ich rieb mir die Handgelenke. Aber als ich aufstand, legte er mir sofort wieder Fesseln um. Ich sah ihn fragend an. "Ich darf dich nicht ohne Fesseln rausholen", meinte er kühl und schleppte mich raus. Ich hatte ihn anders in Erinnerung. So humorvoll und nett. Ich schwieg, als wir den großen weißen Gang runtergingen. Wir bogen drei mal rechts und viermal links ab. Schließlich standen wir in einem großen Saal. Ich sah ungefähr 25 Personen an einem Tisch sitzen. Tim zog mich vor den Tisch und setzte sich auf einen Stuhl. Ein älterer Mann stand auf. "Letzte Woche haben wir einen 16 Jährigen Jungen im Wald abgefangen. Er heißt nach eigenen Angaben Stegi. Das hat zu sehr viel Aufruhe gesorgt. Manche sagen wir sollen ihn umbringen lassen, manche sind dagegen. Heute sollen wir einen Entschluss fassen", trug er vor und setzte sich wieder. Jetzt kapierte ich alles. Ich sollte getötet werden. Manche waren dagegen? War Tim dagegen? Warscheinlich...oder? Aber ich hab ihn letztens ziemlich provoziert. Vielleicht hatte er seine Meinung geändert? Nun stand ein Typ auf den ich auf 30 oder so schätzte. "Ich bin dafür das wir in töten lassen. Was bringt es ihn zu behalten?", fragte er ruhig. Tim sprang auf. "Behalten? Du redest als wär er ein Tier! Ein Tier das nicht das Recht hat zu leben!", schrie er ihn fast an. Ok Tim war eindeutig auf meiner Seite. Der Typ zuckte zusammen, fasste sich dann aber wieder. Er schaute Tim provozierend an und fuhr fort:"Entschuldigung ich korrigiere mich: Was haben wir davon ihn tagtäglich in einem Raum zu lassen und ihn durchzufüttern? Ich meine wir haben ja nicht Essen für jeden." Tims Gesichtsausdruck wurde immer wütender und seine Hände formten sich zu Fäusten. "Weißt du eigentlich wie dreckig es denen da draußen geht? Wie sie Tag für Tag um ihr Leben kämpfen müssen? Wir gehen in Cafès oder auf Partys, essen tagtäglich Massen an gutem Essen und uns geht es einfach gut. Uns geht es sogar zu gut. Täglich landet Kiloweise Essen im Mülleimer. Und dann erzählst du mir was von zu wenig Essen für alle?", meinte Tim ruhiger als ich erwartet habe. Der ältere Heer von vorhin stand wieder auf. "Herr Bau? Herr Berger? Setzten sie sich!", forderte er auf und beide setzten sich wieder. "Wir haben uns jetzt beide Seiten angehört und werden jetzt eine demokratische Abstimmung einhalten. Wer ist dafür das wir den Jungen töten?", fragte er. Mir liefen Schweißtropfen über die Stirn und mir wurde kalt und heiß gleichzeitig. Es ist ein schreckliches Gefühl wenn du weißt das dein Leben bald vorbei sein könnte. Tim, welcher neben mir saß, sah mir in die Augen. Seine Augen waren mindestens genauso gestresst wie ich mich fühlte. Ich sah in die Runde. Ich konnte nicht genau zählen, ich war einfach zu gestresst, aber rund 10 Personen hoben die Hand. "Ich zähle 12 Stimmen", stellte der ältere Typ fest, "Wer ist dagegen?" Alle anderen hoben die Hand. Auch Tim war dabei und lächelte mir aufmunternd zu. "Ich zähle 15 Stimmen. Herr Berger, sie sind somit überstimmt. Der Junge bleibt fürs erste am Leben", meinte der Typ und setzte sich. Fürs erste? "Haben wir in Betracht gezogen das eine Affäre zwischen Herr Bau, welcher eindeutig einen sehr einflussreichen Bezug zu bestimmten Personen hat, und dem Jungen existieren könnte? Ich meine wir wissen doch alle das Tim sich vor ein paar Jahren als Homosexuell geoutet hatte", sagte dieser Berger ruhig, aber mit einem gehässigen Grinsen im Gesicht. Tims Augen wurden schmal. "Sie benutzen nicht gerade ernsthaft meine Sexualität für ihren eigenartigen Entschluss. Nur weil ich auf Männer stehe, heißt das nicht dass ich gleich auf jeden Typen abfahre den ich sehe. Oder ist das bei Heterosexuellen auch so? Nein? Dann habe ich nichts mehr zu sagen", meinte Tim kühl, stand auf und zog mich aus dem Zimmer.
Er war wütend. Sehr wütend. Er zog mich weiter den Gang entlang bis wir bei meinem "Zimmer" angekommen waren. Gerade als er mich reinschubsen wollte hielt ich inne. "Tim? Warum bist du so kalt zu mir? Als wir uns das erste mal gesehen haben warst du auch nicht so", fragte ich vorsichtig. Er schaute mir in die Augen. "Das ist etwas kopliziert", nuschelte er und schubste mich rein. Dann schloss er zu und entfernte sich mit dumpfen Schritten.

Vertrauen <Stexpert>Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt