22. Kapitel: Feentanz

1K 74 0
                                    

Greg legt Fionola sanft auf dem Bett ab und streicht ihr mit der flachen Hand sanft über die Stirn. Sie sieht so jung und verletzlich aus wenn sie in seinen Armen liegt und sich an ihn schmiegt. Ihr Körper ist zart, fast schon jungenhaft, aber dabei doch verführerisch.

Es macht ihm manchmal ein wenig Angst, wie sehr sie ihn in ihren Bann gezogen hat, mit ihren großen Augen, dem frechen Mundwerk, der schnellen Auffassungsgabe und ihrer Intelligenz. Sie ist etwas ganz besonderes, das spürt er. Und er spürt auch, dass er sie nie wieder loslassen darf, denn wenn sie geht, hat er keinen Grund mehr weiter zu machen. Sie ist sein Lebenselixier, seine Liebe, seine Seelenverwandte und ohne sie gibt es keinen Grund zu leben.

"Hab ich was im Gesicht?", Verwirrt schaut er sie an und sieht ihr spitzbübisches Lächeln, "oder wieso starrst du mich so an?". Er lächelt nur flüchtig und dreht sich um, sein Gesicht ist dunkelrot, weil sie ihn beim Starren erwischt hat. Bevor er aber gehen kann, hält ihn eine kleine Hand fest: "Das muss dir nicht peinlich sein, ich starr dich auch immer an... Aber anscheinend besser als du mich, weil du es nicht bemerkt hast, bis jetzt!" Schnell dreht er sich wieder zu ihr um und lässt sich vor ihrem Bett auf die Knie sinken. Er hebt seine Hände und legt sie sanft an ihr Gesicht, sodass sie sich nicht mehr wegdrehen kann. Sie öffnet ihre Lippen und setzt an zum sprechen, aber er lässt es nicht so weit kommen.

Er drückt seine Lippen auf ihre, fühlt, wie sie sich vor Überraschung öffnen, aber dann den Kuss sanft erwidert. Er merkt, dass sie nicht viel Erfahrung hat, aber das macht sie durch ihre Sanftheit, die so untypisch für sie ist, wieder wett. Er kann nicht sagen, ob Sekunden oder Stunden vergehen, aber er hat kein Zeitgefühl mehr, als sich ihre Lippen im Einklang mit seinen anfangen zu bewegen. Seine Hände wandern von ihrem Gesicht zu ihren Schultern bis zu ihrer Taille und er zieht sie noch enger an sich, sodass kein Papier mehr zwischen sie passt. Er drückt sie an sich, seine Lippen stärker auf ihre und stupst mit der Zunge sanft gegen ihre geschlossenen Lippen. Zögerlich öffnet sie sie und lässt seiner Zunge Einlass, spielt mit und küsst ihn jetzt heftiger zurück. Ihre Hände legen sich an seinen Nacken und sie küsst ihn immer stärker, bis er nach hinten taumelt und sie zusammen aus dem Bett nach hinten fallen. Sie stürzt auf ihn und er hält sie so fest, dass sie nicht von ihm herunter kann. Sie schauen sich an und fangen gleichzeitig an zu lachen. Zärtlich streicht er ihr über den Rücken und drückt ihr einen Kuss auf die Nasenspitze: "Ich liebe dein Lachen. Was sag ich da, ich liebe alles an dir... Weißt du eigentlich, dass du wunderschön bist?" Eine Strähne hängt ihr ins Gesicht und er streicht sie zärtlich weg: "Ich würde gerne mit dir einen Ausflug machen, zu einem Ort, der mir unglaublich wichtig ist... In drei Tagen ist die Wintersonnenwende- würdest du mit mir kommen?" Bittend schaut er sie an und streicht ihr weiter über den Rücken, während sie nervös auf ihrer Lippe kaut. Schüchtern schaut sie auf den Boden, aber dann nickt sie und ein strahlendes Lächeln stiehlt sich auf ihre Lippen. Er grinst zurück und drückt ihr dann nochmal einen Kuss auf die Lippen, bevor er aufsteht, sie mit sich hochzieht und sie auf dem Bett nieder lässt: "Aber jetzt kümmern wir uns erstmal um deine Beine! Kann ja nicht sein, dass du immer noch nicht laufen kannst!" 

Drei Tage sind vergangen, seit dem sie sich geküsst haben. Seit dem hat er keine Annäherung versucht, auch wenn er jede Nacht mit ihr in einem Bett liegt. Er nimmt nur ihre Hand in seine, aber er hat sie nicht mehr geküsst und es fehlt ihr. Hat er nun doch das Interesse verloren? Sie verzieht das Gesicht, das kann sie sich nicht vorstellen, er weicht ihr keine Sekunde von der Seite, passt auf sie auf und liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Heute wollte er sie mitnehmen zu diesem besonderen Ort, aber er hat nicht mehr gesagt, also weiß sie nicht, ob sie heute wirklich dahin gehen.
Ein Klopfen an der Tür lässt sie aufschrecken und sie setzt sich hin, während sie ihre Kleidung glatt streicht. Greg betritt den Raum, in der einen Hand hält er Decken und in der anderen einen warmen, schweren Wollmantel: "Ich hoffe du hast unsere Verabredung nicht vergessen! Ich hab hier warme Kleidung, lass am besten deine Hose und das warme Hemd an, wir reiten jetzt aus." Er zieht ihr den Mantel über, Handschuhe, Schal und Mütze. Er fängt an zu Lachen und drückt ihr einen Kuss auf die Wange: "Wenn man dich so sieht, siehst du aus wie ein Törtchen. Wir müssen dir neue Kleidung besorgen, Aileanas steht dir nun wirklich nicht!" Genervt schlägt Fionola nach ihm, aber er weicht geschickt aus: "Nein, nein, meine Liebe, so geht das wirklich nicht." Sanft hebt er sie hoch und trägt sie aus dem Wohnturm, über den großen Hof zu den Ställen. Sein Pferd steht da schon gesattelt, mit vollen Satteltaschen, und Greg hebt sie hoch: "Ich denke, es ist besser, wenn wir gemeinsam reiten. Ich will nicht, dass dir etwas passiert!" Geschickt steigt er hinter ihr auf und zieht sie fest in seine Arme, während sie ihren Kopf gegen seine Schulter lehnt. Er treibt das Pferd an und gemeinsam reiten sie aus dem Burgtor hinein in das kleine Dorf. Fast niemand ist mehr auf der Straße, alle sitzen zuhause und harren aus. Auch wenn die katholischen Priester die Bräuche verbieten, werden sie zuhause im Stillen immer noch abgehalten. Fionola spürt, wie sich in ihr eine Gänsehaut breit macht und ein Kribbeln ihre Wirbelsäule hoch läuft. Ihre Vater war immer strikt gegen alles mystische, aber ihre Mutter hat ihr alles, was sie wissen musste, beigebracht. Diese Nacht, ist eine der wichtigsten Nächte, die Feen kommen aus ihren Höhlen und tanzen und preisen die Göttin der Nacht. Greg treibt sein Pferd schneller an und schon bald sind sie aus dem Dorf draußen und reiten in den Wald hinein. Es ist dunkel im Wald, aber man kann gerade noch erahnen, wo die Bäume stehen. Obwohl kein Wind weht, scheinen die Bäume sich im stillen Tanz  zu wiegen, sie begrüßen und einzuladen, mit ihnen zu tanzen. Das Pferd geht sicher seinen Weg, scheint genau zu wissen, wo es hintreten muss, um sie sicher zu ihrem Ziel zu bringen. Weder Greg noch Fionola sagen ein Wort, als hätten sie Angst, die Atmosphäre zu zerstören. Sie reiten immer tiefer in den Wald, bis sie vor einer alten, verfallenen Hütte stehen bleiben. Greg deutet ihr an, dass sie sich festhalten soll, während er absteigt und das Pferd anbindet. Sanft hebt er sie runter und greift sich die Satteltaschen und die Decken. Er läuft durch die Tür der Hütte und skeptisch schaut sie ihn an: "Das ist dein besonderer Ort?" Er lacht leise und schüttelt den Kopf: "Sei nicht so neugierig. Warte hier kurz, dann hol ich dich!" Er setzt sie ab, nimmt sich die Taschen und eilt aus der Hütte, aber aus der entgegengesetzten Richtung, als sie rein gekommen sind. Sie lauscht, wie er mit Stöcken hantiert und anscheinend ein Feuer entzündet. Nach ein paar Minuten kommt er wieder, zieht sie wortlos hoch und trägt sie nach draußen. Die Decken liegen neben einem Feuer, das warm und einladend vor sich hinflackert. Der Schein erhellt einen kleinen See, der ruhig und einladend vor ihnen liegt. Ein magisches Summen liegt in der Luft und lädt sie dazu ein, sich dazu zu gesellen und die Wintersommerwende zu feiern. 

Greg lässt sie auf einer der Decken nieder und setzt sich hinter sie, sodass sie sich anlehnen kann und legt dann zärtlich den Arm um sie. Fionola bestaunt den See und wendet sich dann zu ihm: "Was ist das für ein Ort?, "Das ist der bean-sìdh-loch, oder auch der Feensee. Hier tanzen die Feen und das Wasser soll heilende Kräfte haben. Aber warte und sieh, was passiert, wenn die Sonne ganz untergegangen ist. Das ist nicht umsonst eine magische Nacht." Schweigend sitzen die beiden da und schauen auf den See, während die Sonne ihre letzten Strahlen über die Welt schickt und dann verschwindet. Schnell senkt sich Dunkelheit über Schottland und nur die Feuer, die überall brennen, erhellen die Dunkelheit. Fionola schmiegt sich enger an Greg und er legt ihr schützend den Arm um die Schulter: "Wir müssen noch kurz warten... Aber es lohnt sich!" Leise murmelt er in ihr Ohr, während sie sich immer enger an ihn schmiegt und sich an ihn kuschelt. Es wird später und auf einmal scheint sich das Wasser zu kräuseln, obwohl kein Wind weht. Die Bäume wackeln, tanzen und bewegen sich wie wild um den See herum, während das Wasser immer wilder Wellen schlägt. Aus der Ferne hört man das Heulen der Wölfe und im Unterholz raschelt es. Fionola hält die Luft an, als auf der anderen Seite des Sees ein wunderschöner Hirsch auftaucht. Sie hat noch nie einen Hirsch mit einem so großen Geweih gesehen. Er schaut ihr in die Augen, neigt den Kopf und fängt an zu trinken. Neben ihm brechen weitere Rehe aus dem Unterholz und gesellen sich zu ihm, trinken und ruhen sich aus. Die Stunden verstreichen, bis Greg Fionola sanft am Arm berührt: "Gleich ist Mitternacht, die Feenstunde!" Er schließt grade den Mund, als es im Wasser anfängt zu brodeln, ein seltsames Licht steigt aus der Mitte des Sees und erhellt die Umgebung. Die Rehe werden unruhig und stoßen sich gegenseitig an, springen herum, und nähern sich dem Wasser, um dann wieder wegzuspringen. Auf einem erhebt sich ein wunderschöner Gesang und kleine Lichter tauchen über dem Wasser auf, tanzen, singen und feiern die Wintersonnenwende. Ihr Tanz wird immer schneller, immer exzessiver, bis sie auseinander brechen, und ihn alle Himmelsrichtungen wegfliegen. Eines der Lichter berührt Fionola beim vorbei fliegen und ein wohlige Wärme breitet sich in ihr aus, ein Kribbeln von Kopf bis Fuß. Leise hört sie ein Flüstern an ihrem Ohr: "Alles wird so, wie du es dir erhoffst. Hab Vertrauen..." Die liebliche Stimme verschwindet und hinterlässt nur ein warmes Gefühl. Wie verzaubert starrt sie weiter auf den See, bis der Zauber langsam nachlässt. Die Rehe brechen aus und verschwinden wieder im Unterholz, der See kommt zur Ruhe und Fionola fallen die Augen zu. Sofort schläft sie ein.

Am nächsten Morgen wird sie von der Kälte geweckt. Sie liegt eingewickelt in eine Decke an Greg geschmiegt, sein Körper ist von hinten an sie gepresst. Langsam schält sie sich aus der Decke und setzt sich auf, suchend starrt sie den See an. Ist das gestern wirklich passiert? Vorsichtig robbt sie zum Wasser und taucht ihre Hand in das eiskalte, klare Wasser. Vorsichtig nimmt sie einen Schluck und stöhnt wohlig auf- ihr war ihre ausgedörrte Kehle gar nicht aufgefallen bis zu dem Moment. Sie schöpft immer mehr Wasser und trinkt schnell, bis sie nicht mehr trinken kann. Sie robbt zurück zu Greg und streicht ihm die Haare aus dem Gesicht. "Wach auf, wir müssen zurück." Verschlafen schlägt er die Augen auf und streckt die Arme aus, sodass er sie in eine Arme ziehen kann. Er umschlingt sie und drückt ihr dann einen Kuss auf die Stirn. "Du hast Recht, komm wir gehen zusammen." Er steht auf, schnappt sich die Decken und bringt sie zurück zum Pferd, während Fionola alleine noch am See sitzen bleibt. Wie von Fern hört sie, wie jemand mit einer lieblichen Stimme ihren Namen ruft. Ein Kribbeln breitet sich in ihr aus und sie muss lächeln. Eine wahrlich magische Nacht.

Highlands: Schrei nach LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt