Horkruxe

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Während der Tage nach Weihnachten wechselten Tom und ich kein Wort mehr miteinander. Hätte ich Tom irgendwo gesehen, hätte ich wohl kaum gewusst, wie ich mich verhalten sollte. Ich war hin- und hergerissen zwischen der Verstörtheit darüber, wie er mich manipuliert und Abraxas Malfoy mit dem Cruciatus-Fluch gequält hatte, und dem Pflichtbewusstsein, ihn auf Schritt und Tritt zu überwachen. Tom war seinerseits wahrscheinlich angewidert von dem Gedanken, dass ich Gefühle für ihn hatte und er in der Weihnachtsnacht meine dringendste Frage beantwortet hatte. Nie war er menschlicher gewesen als in diesem Moment - Eine Erinnerung, die in uns beiden ohne Frage sehr gegensätzliche Gefühle auslöste.

Die anderen Schüler hatten größtenteils das Schloss verlassen, um ihre Familien zu besuchen. Nur eine Handvoll war aus jedem Haus übrig geblieben. Prisha und Ellie waren ebenfalls fort, und ich fühlte mich so verlassen wie nie zuvor. Nachdem die ersten Tage nach Weihnachten verstrichen waren und ich meine aufschäumenden Emotionen wieder unter Verschluss halten konnte, verhielt ich mich so natürlich und unauffällig wie möglich. Ich ging zu den regulären Essenzeiten in die Große Halle, besuchte die Bibliothek oder spazierte über die Ländereien - Immer in der Hoffnung, auf Tom zu treffen und zu erfahren, was seine Pläne waren. Doch er schien wie vom Erdboden verschluckt. In meiner Verzweiflung streunte ich sogar in den Kerkern herum- Dort, wo ich den Gemeinschaftsraum der Slytherins vermutete. Erfolglos.

Stattdessen entwickelte ich ein beklemmendes Gefühl von Paranoia - Die wenigen Slytherins, die sich über die Winterferien im Schloss aufhielten, schienen mir andauernd an den ungewöhnlichsten Orten zu begegnen. Ich ging dazu über, die Tür zu meinem Schlafsaal über Nacht mit Schutzzaubern zu versehen - Ein bloßes Rätsel zur Sicherung des Einganges zum Ravenclawturm erschien mir auf einmal viel zu unsicher. Ich fürchtete mich vor Abraxas Malfoy's Worten. Davor, dass nicht nur er mich aus dem Weg schaffen wolle. Würden alle von Tom's Gefolgsleute mir Schaden zufügen wollen, wären sie zahlenmäßig bei weitem überlegen. Ich bezweifelte, dass ich Tom so viel bedeutete, dass er Zwietracht in den Reihen seiner Todesser tolerieren würde, nur um mich zu schützen. Ich hörte also auf, Tom im Schloss zu suchen und verließ den Schutz meines Zimmers nur dann, wenn es absolut unausweichlich war.

Die Zeit verstrich und der Silvesterabend brach sternenklar und mit einer frühen Abenddämmerung herein, als ich in einer heißen Badewanne lag, ein Buch las und Minztee trank. Zum Beginn des neuen Jahres würde ein Festmahl und eine kleine Feier in der Großen Halle stattfinden, doch der Schreck saß mir nach der Weihnachtsfeier noch immer in den Gliedern. Ich würde den Abend deshalb alleine im Turm verbringen.

Grade als ich diesen beruhigenden Beschluss fasste, mich endlich entspannte und bis zur Nase zwischen den Schaumblasen versank, hörte ich ein Rascheln im anliegenden Mädchenschlafsaal. Augenblicklich verkrampften sich meine Muskeln und ich griff mit nassen Fingern nach dem Zauberstab, den ich nun vorsichtshalber immer in Reichweite behielt und wie einen Schatz hütete. Ich lauschte angestrengt und hörte leichte Schritte auf dem Parkett vor der Badezimmertür. Die Klinke wurde herunterdrückt und ohne einen weiteren Moment abzuwarten, feuerte ich einen Ganzkörperklammerfluch los.

Die Tür wurde im selben Moment ganz aufgestoßen. Tom Riddle blockte den Zauber mit einem mühelosen, blitzschnellen Schwung seines Zauberstabes.

„Warum so schreckhaft?" fragte der dunkelhaarige Slytherin amüsiert. Ein leichtes Lächeln deutete sich auf seinen vollen Lippen an.

Ich schnappte entgeistert nach Luft und verbarg mich so gut wie möglich in dem trüben Seifenwasser der Wanne.

„Was... was tust du hier?" stotterte ich und spürte, wie meine Wangen sich rosa verfärbten.

„Ich brauche deine Hilfe." antwortete Tom, noch immer dieses verräterische Lächeln auf den Lippen. „Aber zieh dir vorher etwas an, Evangeline." Er zog missbilligend eine schwarze Augenbraue hoch, ganz so als wäre nicht er derjenige gewesen, der ungefragt in mein Badezimmer geplatzt wäre.

The Heir of Slytherin || Tom RiddleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt