Ich blickte nach oben und beobachtete die vorbeiziehenden Wolken, die den strahlend blauen Himmel verdeckten. Was braucht der denn wieder so lange? Er sagte, dass er fünf Minuten bräuchte, um was aus seinem Spind zu holen und jetzt ist er schon viel länger weg.
Wie ich meiner Mutter geschrieben habe, dass ich nach der Schule noch was mit einer Freundin unternehme, hatte sie gleich angeboten, dass ich auch gleich über Nacht bleiben dürfte. Wenn ich ihr die Wahrheit gesagt hätte, dass ich etwas mit einem Jungen machen würde, würde sie alles wissen wollen. Sie sagt mir ja auch andauernd, wie aufregend die Zeit ist, in der ich mich gerade befinde, dann erzählt sie mir immer von ihrer ersten Liebe und so einen Kram. Mein Leben ist vielleicht aufregend, aber nicht so, wie ich es mir wünschen würde.
„Sorry, hat ein bisschen länger gedauert. Können wir jetzt los?", ließ mich eine Stimme aus meinen Gedanken aufschrecken. Ich drehte mich zu ihm um und sagte mit einem Lächeln, das eines der wenigen war, die ich wirklich ernst meinte: „Klar, wo willst du zuerst hin?" "Ich bin erst seit ein paar Tagen hier und bin noch nicht wirklich aus dem Haus raus, also ich hab keine Ahnung was es hier so gibt", erklärte er mir mit einem Schulterzucken. "Dann gehen wir besser mal los", schlug ich etwas ungeduldig vor.
Wir liefen gerade von der Schule weg in Richtung Innenstadt bevor mir einfiel, dass ich keine Ahnung hatte, was ich ihm überhaupt zeigen sollte, denn so viel gab es in der Kleinstadt nicht zu sehen. Ich könnte ihm einfach das Kino zeigen und den Platz, wo oft Feste und sowas in der Art gefeiert werden. Wenn ich manchmal Abends noch was für meine Mutter aus dem Supermarkt holen soll, sehe ich oft am Busbahnhof Jugendliche rumsitzen, die da zusammen rauchen und trinken, soweit ich das beurteilen konnte. Für eine Führung wird das schon irgendwie reichen, dann hab ich sogar vielleicht noch Zeit meine Pro- und Kontra - Liste zu schreiben, weil ohne die ich keine Entscheidung treffe, zuerst brauchte ich immer einen Plan.
"Alles ok mit dir?", fragte mich mein Gegenüber Liam. Ich blickte ihn stirnrunzelnd an: „Ja, was soll denn nicht in Ordnung sein?" "Du bist einfach stehen geblieben, deswegen dachte ich, es wäre irgendwas", erläuterte er mir. Da fiel mir erst auf, dass wir beide gar nicht mehr laufen, sondern stehen geblieben waren. "Oh sorry, hab gar nicht gemerkt, dass ich stehen geblieben bin, hab nur überlegt, wo wir jetzt hingehen", teilte ich ihm etwas verlegen, aber der Wahrheit entsprechend, mit. "Und wo gehen wir zuerst hin?", wollte er wissen. "Ähm, ich dachte, dass ich dir erstmal das Kino zeige?", weihte ich ihn in mein Vorhaben ein. Daraufhin nickte er nur.
Zusammen folgten wir dem Straßenverlauf auf dem Gehsteig, sodass wir auch schon bald an unserem Ziel ankamen. Es wurden zwar nicht allzu viele Filme gezeigt, aber wenn man hier her kommt, findet man schon immer einen, der einem gefällt. Das letzte Mal war ich vor über einem Jahr mit meiner Mutter hier und ich musste ein echt ödes Drama schauen, bei dem man das Ende schon nach den ersten fünf Minuten voraussehen konnte.
"Das ist ja echt... groß", meinte er scherzhaft und ich musste lachen. "Was hast du anderes erwartet in einer Kleinstadt?", fragte ich ihn amüsiert. "Ich dachte vielleicht gibt's hier irgendwas aufregendes...", fing er an zu erläutern. "...zum Beispiel?", wollte ich herausfinden, was er versuchte mir zu sagen. "Ja keine Ahnung was Besonderes halt", versuchte er sich zu erklären. "Tja diese Stadt ist und bleibt eben langweilig", teilte ich ihm mit Schulterzucken mit. "Und was machst du dann so in deiner Freizeit?", fragte er. "Hmm halt so Hausaufgaben, lesen und so weiter, das Gewöhnliche halt", antwortete ich. "Mit Gewöhnlich meinst du also, mit irgendwelchen komischen Leuten schreiben, dass du immer fast vor Schreck umkommst, wenn sie schreiben?", versuchte er mich aufzuziehen. Ich blickte ihn böse an: „Das ist nicht lustig und außerdem sterbe ich fast an einem Schock." "Du müsstest dich mal sehen wenn du eine Nachricht bekommst, du fängst mehr an zu zittern wie meine Oma. Vielleicht erzählst du es mir jetzt nicht, aber irgendwann bring ich das noch aus dir raus", sagte er zwar unter einem leichten Lachen, aber ich fand das gar nicht lustig. Wenn er wüsste, um was es bei den Nachrichten geht, würde er keine Witze mehr reißen.
"Weißt du eigentlich, dass du echt nicht lustig bist?", gab ich genervt zurück. Bevor er was erwidern konnte, klingelte mein Handy und ein Gefühl sagte mir, dass es nicht meine Mutter war, sondern die einzige andere Person, mit der ich noch schrieb, war. Im Moment konnte ich nicht kontrollieren wie ich aussehen musste und ob er sich dann wieder lustig über mich machen würde, ich konnte nicht verhindern, was mein Körper tat, wenn er mir eine Nachricht sendete, es war fast wie ein Fluch. Ich holte mein Handy aus meiner Tasche und Liam konnte es sich mal wieder nicht verkneifen: "Sag ich doch, jedes Mal wenn dieser jemand dir schreibt, denkt man du hast einen Anfall." Ich versuchte meinen Emotionen unter Kontrolle zu bringen, aber wann machte der Körper schon mal das, was man wollte.
Ich öffnete den Chat und las: Schreib mir jetzt, ob du dich treffen willst, länger warte ich nicht. Was sollte ich jetzt tun? Wenn ich ja schrieb, treffe ich mich mit einem Mörder und wenn nein, wird er vielleicht sauer und es passiert was Schlimmes mit mir.
Und in meiner ganzen Verzweiflung merkte ich nicht, wie mir jemand über die Schulter blickte.
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Alone - Alleine gegen den Mörder
Mystery / Thriller*Longlist Wattys2018* Ein Fremder macht Mona ein Angebot: Er hilft ihr aus ihrer misslichen Lage des Schul-Mobbing-Opfers heraus, sie ist ihm einen Gefallen schuldig. Mona, die alles machen würde um nicht mehr das Opfer an der Schule zu sein, willig...