Endlich hatte ich mich dazu überwunden, ihr zu schreiben. Es hatte drei Tage gedauert...
...
Oh verdammt!
Hatte ich mich etwa ohne es zu beabsichtigen an die drei-Tage-Regel gehalten? Eine der ältesten Männer-Regeln besagt, dass man sich, wenn man die Telefonnummer einer Frau bekommt, erst drei Tage danach bei ihr melden darf, um nicht zu anhänglich zu wirken. Ich fand das schon immer dämlich. Warum sollte ich ein Mädchen warten lassen, anstatt ihr gleich mein Interesse zu zeigen?
Die Geschichte mit Flo war aber eine ganz andere. Ich hatte doch kein Interesse an ihr. Zumindest keines solcher Art. Ich hatte mich nicht drei Tage lang nicht gemeldet, weil ich mich rarmachen wollte, sondern weil ich einfach so lange gebraucht hatte, um mich dazu durch zu ringen, ihr zu schreiben. Ich hatte nicht gewusst, wie ich eine Konversation beginnen sollte. Persönliche Gespräche lagen mir nun mal besser als Textnachrichten. Wenn man etwas Dummes sagt, kann man es nachher abstreiten, aber wenn man etwas Dummes schreibt, hat der Gesprächspartner einen Beweis dafür und zwar schwarz auf weiß. Deshalb wollte ich etwas Witziges schreiben, für den Fall, dass sie meine Nachrichten ihren Freundinnen zeigte. Obwohl ich sie eigentlich nicht so einschätzte. Unbeholfen und unerfahren wie ich war, fiel mir natürlich nichts besonders Geistreiches ein und ich haderte drei Tage lang mit mir selbst. Als Teenager hatte ich wirklich schreckliche Angst davor, mich in jeder erdenklichen Weise zu blamieren.
Dann war ich aber zu dem Schluss gekommen, dass es wohl das Einfachste wäre, den Running Gag der Party zu nehmen. Das würde Flo beim Öffnen der Nachricht sicher zum Schmunzeln bringen. In diesem Moment hatte ich das Bild von ihr im Kopf, wie sie im Garten in der Hängematte lag, ihr Handy vibrieren hörte, sich über eine Textnachricht von einer unbekannten Nummer wunderte und dann mit einem unterdrückten Kichern lautlos die dümmlichsten Worte der letzten Tage las. Dieser Gedanke gefiel mir und deshalb schickte ich ihr genau diesen Text.
Natürlich hätte ich auch einfach nur so etwas schreiben können wie: „Hi! Das ist meine Nummer. LG Jakob Winter" und dann noch irgendeinen lächelnden oder zwinkernden Emoji hinten anfügen. Aber das wäre so gewöhnlich gewesen und Flo und ich waren eben nicht gewöhnlich. Auf diese Weise musste ich auch keine Grußformel hinten anhängen, denn die Nachricht konnte ja schließlich nur von einer bestimmten Person sein. Und das war ich.
Oh. Ich war die „bestimmte Person". Wie aufregend! Soweit ich mich erinnern konnte, war ich bislang noch nie die bestimmte Person gewesen. Ich hoffte nur, dass der Witz auch nach der Party noch witzig war...
Gleich nachdem ich auf >Senden< gedrückt hatte, legte ich mein Handy weg. Ich wollte nicht mit dem Smartphone in der Hand nur so dasitzen, darauf glotzen und nervös auf eine Antwort warten, als wäre sie mein heimlicher Schwarm. Zu meiner Verwunderung piepste das Telefon aber sogleich wieder. Sie hatte prompt geantwortet.
Jakob: Der Bass muss ficken!
Flo: Und wie er das muss!
Toll! Sie war zwar mit Humor darauf eingegangen, aber darauf konnte ich nichts erwidern. Das bedeutete, nun lag es an mir, die Konversation in Gang zu bringen.
Jakob: Du hast zwar gesagt, ich soll mich melden, wenn ich wieder bei einer Party bin, aber ich dachte mir, ich lass schon vorher mal was von mir hören.
Einige Sekunden vergingen. Ich hoffte, dass sie ihr Handy noch nicht weggelegt hatte.
Flo: Achso! Jakob! Du bist das. Ich dachte, es wäre der Andere.
Jakob: Welcher Andere??
Flo: Spasssss! ;)
Ich seufzte. Das war schon irgendwie fies. Und es machte es nicht gerade leichter für mich, die Unterhaltung fortzuführen. Zum Glück tat sie das.
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Sowas gibt's!
ComédieJakob (16), Schlagzeuger, steht nicht auf Star Wars, mag Pommes nur mit Mayonnaise und ohne Ketchup, würde am liebsten fließend Finnisch sprechen können und hat vor kurzem erfahren, dass bei einem Barcode nicht die schwarzen, sondern die weißen Stri...