6. kalter Nudelauflauf bei Kerzenschein

58 1 0
                                    

Wir lagen in Flos Wohnzimmer mit Sofakissen auf dem Teppich im Schein der Kerzen. Draußen tobte ein furchtbares Gewitter. Es hätte eine richtig romantische Kulisse sein können, wenn die Protagonisten nicht wir gewesen wären.

Flo hatte den Nudelauflauf aus der Küche geholt. Wir aßen ihn kalt direkt aus der Auflaufform und schrieben schweigend unsere Listen. Der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben, der Wind pfiff draußen und der Donner schien die Erde zum Beben zu bringen. Drinnen war nur das Geräusch unserer Kugelschreiber auf Papier und das gelegentliche Kratzen der Gabeln an der gläsernen Auflaufform zu hören.

Ich hatte noch nie zuvor kalten Nudelauflauf gegessen. Ich hatte generell noch nie einen Nudelauflauf gegessen. So etwas würde meine Mutter nie kochen. Mateo war schon immer glutenintolerant. 

Nach einer sehr kurzen Verhandlung hatten wir uns auf sieben Punkte geeinigt. Natürlich musste es unbedingt eine ungerade Zahl sein und wir empfanden beide sieben als eine herrlich unkonventionelle Zahl für eine Liste.

Angestrengt dachte ich mir Punkte für meine Liste aus. Okay, ja, wir wollten jung und wild und verrückt und sonst was sein, aber an konkrete Beispiele hatte ich dabei nicht gedacht. Ich wusste nur von meinem Bruder Mateo, dass seine Jugend ziemlich wild gewesen war. Er hatte schon mit vierzehn mit dem jung und wild sein angefangen, um schließlich mit neunzehn seine Sturm und Drang Phase zu beenden um Papa zu werden. Ich hoffte, dass mir das nicht auch blühte. Viele der verrückten Geschichten hatte er mir natürlich erzählt, aber sie waren mir zu krass, um ihnen nachzueifern.

Natürlich war ich beim Schreiben nicht völlig unbeeinflusst. Ich wollte ein paar coole Dinge machen, die Flo einerseits nicht kindisch und langweilig finden sollte, die sie aber gleichermaßen auch nicht schockieren sollten. Das Letzte, was ich wollte, war, dass sie von mir dachte, ich wäre ein Junge mit einem netten Gesicht und einem kranken Gehirn.

Ungefähr eine halbe Stunde verging, bis Flo ihren Kugelschreiber sinken ließ und mich ansah. Meine Hand hielt mitten in der Schreibbewegung inne und ich wusste, dass der Moment gekommen war. Hastig kritzelte ich den Satz zu Ende und legte den Kugelschreiber neben der Auflaufform auf den Boden.

"Bereit?", fragte Flo ernst.

Ich nickte. "Fang du an", sagte ich. Wenn ich wusste, wie ihre Liste aussah, konnte ich meine nachträglich noch an sie anpassen.

Flo räusperte sich. Sie wirkte ein bisschen verlegen und innerlich beruhigte mich die Tatsache, dass es ihr wohl genauso ging wie mir. Ich hatte keine Ahnung, was ich mir in diesen Belangen von ihr erwarten konnte. 

Mit unsicherer Stimme fing sie an zu lesen: "Ich will im Schwimmbad vom Fünfmeterturm springen. Das hab ich ich noch nie getraut. Eigentlich ist das keine Leistung. Man muss nur springen, die Schwerkraft tut ihr übriges. Aber trotzdem ist das so etwas, das mir furchtbare Angst macht. Und diese Angst will ich nur einmal überwinden." 

Ich nickte zustimmen. Ich selbst hatte noch nie ein Problem damit gehabt, vom Fünfmeterturm zu springen. Obwohl ich noch nie verstanden hatte, was daran denn nun so toll sein soll. Das Konzept des Springens hielt nicht viel Lohnenswertes für mich bereit. Ich mochte Rutschen lieber. Rutschen macht Spaß. 

"Punkt zwei", fuhr sie fort, "Ich will Karaoke singen gehen. Das ist nicht wirklich etwas Außergewöhnliches, aber ich will das schon so lange machen und es hat sich nie die Gelegenheit ergeben. Deshalb dachte ich, ich setze es mal auf die Liste. Dann muss ich es ja tun." Das stellte ich mir lustig vor.
"Nummer drei: Ich will in einem Baumhaus übernachten."
Ich zog die Augenbrauen hoch. Sie bemerkte das und errötete ein bisschen. Wie um sich rechtzufertigen fügte sie noch hinzu: "Das haben meine Freundinnen in der Grundschule öfter mal gemacht. Aber ich war nie dabei, weil ich zu große Angst hatte, in der Nacht aus dem Baumhaus heraus zu fallen. Jetzt fehlt mir aber so eine Kindheitserinnerung und das finde ich sehr schade. Ich würde das gern nachholen."  Das konnte ich nachvollziehen. Nur kannte ich niemanden, der ein Baumhaus besaß...
"Da bin ich gern dabei. Sowas hab ich auch noch nie gemacht", pflichtete ich ihr bei.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 16, 2020 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Sowas gibt's!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt