3.

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Mit erhobenem Kinn läuft Loki die Straße hinab. Erhoben, nicht weil er besser ist als diese mickrigen Menschen, nicht nur. Jedes mal wenn er durch die Straßen von New York läuft, hört er Getuschel, Gemurmel und empörtes nach Luft schnappen.
Es ist ihm egal, was diese Ameisen von ihm denken.
Er ist zwar auf die gute Seite gewechselt, trotzdem sehen die Menschen ihn nicht als Helden. Das war auch gut so.
Es gefiel ihm, dass er überall angestarrt wird. Es ist Angst oder Respekt, eher ein Mischmasch aus beidem.
Er betritt den Coffeeshop und stellt sich ganz normal in die Reihe.
Mittlerweile ist er zum richtigen Kaffeejunkie geworden. Der Kaffee im Stark-Tower schmeckt ihm nicht, also geht er jeden morgen zu Heartbucks.
Nachdem Loki seinen Kaffee bekommen hat, geht er wie gewohnt den Weg zum Tower zurück.
Doch irgendetwas ist anders. Ein Gefühl sagt ihm, dass er verfolgt wird.
Er lässt sich nichts anmerken und läuft geradewegs die Straße hinauf.
Langsam biegt er in eine leere Gasse ein und versteckt sich hinter einem Müllcontainer.
Und siehe da, eine ganz in schwarz gekleidete Gestalt schlurft in die Gasse.
So schnell er kann, geht er auf die Person zu und drückt die gegen die Wand.
"Was willst du von mir?"
Er sieht nur die schwarze Kapuze des Hoodies.
Von den Leuten angestarrt werden ist eine Sache, aber verfolgt zu werden?
"Ich Frage noch einmal: Was. Willst. Du. Von. Mir."
Langsam reißt bei Loki der Geduldsfaden.
Den Kopf weiterhin auf den Boden gerichtet antwortet eine melodische Frauenstimme:"Redet man so mit einer Lady, König Loki?"
Verwirrt lockert er seinen Griff. Diese Stimme, ist ihm so fremd, wie auch bekannt.
Sie hebt den Kopf und strahlt ihn an.
Ist das ...? Das kann nicht sein!
"Mae?" Dieder Name ist ihm schon seit Jahrhunderten nicht mehr über die Lippen gekommen.
"Wie ... Du ... Ich freue mich so, Dich zu sehen."
Ihm fehlen die Worte. Er hat niemals geglaubt, sie einmal wieder zu sehen. Es war damals schmerzhaft gewesen, sich mit dem Gedanken abzufinden.
Es hat ihm viel Zeit und viel Kraft gekostet, doch es ist ihm gelungen.
Und jetzt steht sie einfach vor ihm.
Ihr Lächeln wird breiter und sie schmeißt sich in seine Arme. Ohne darüber nachzudenken, schmiegt er sich an ihren Körper und erwidert die Umarmung.
"Endlich habe ich dich gefunden!" Ihre Stimme ist gedämpft, da sie ihr Gesicht an seine Schultern presst.
Er streicht ihr sanft über den Kopf.
"Ich hätte niemals gedacht, Dich je wieder zu sehen!"
Sie lösen sich voneinander, für Lokis Geschmack etwas zu früh.
Sie ist erst zwei Minuten in seiner Nähe und schon fühlt er sich wieder wie der kleine Junge, der er vor ihrem Verschwinden war.
Sie schauen sich tief in die Augen und wissen beide nicht, was sie sagen sollen.
Doch dann drängen sich dutzende Fragen in Lokis Kopf in den Vordergrund.
Aber die wichtigste zu erst:
"Was ist damals passiert?"
Eine grobe Frage, aber Mae weiß gleich, was er meint.
"Das ist eine lange Geschichte. Wollen wir uns dafür irgendwo hinsetzen."
Es ist so schön, ihre Stimme zu hören.
Er nickt und führt sie zum Tower.
Die meisten sind auf Missionen, daher haben sie die Wohnung mehr oder weniger für sich.

Sie betreten die Lobby des Towers.
"Bis hierhin habe ich es auch schon geschafft, aber weiter nicht."
Loki drückt auf den Aufzugknopf und schaut sie an.
"Was meinst du, bis hierhin?"
Sie verschrenkt die Arme und sieht ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Glaubst du, ich hätte nie nach euch gesucht?" Ein warmes Gefühl macht sich in Loki breit.
Sie hat nach mir gesucht!
Die Aufzugtüren öffnen sich und die beiden steigen ein.
"Als ich gehört habe, dass ihr in New  York seid, bin ich sofort hierher gekommen. Aber ihr wart schon weg, als ich ankam. Übrigens bin ich kein Fan davon, was du hier angestellt hast."
Sie blickte ihn enttäuscht an und er fühlte sich schlecht. Er fühlte sich schlecht? Er hatte nichts unrechtes getan! Wieso verspürte er dann dieses Ziehen in der Brust?
"Immer mal wieder bin ich in den Tower, aber niemand hat mir geglaubt. Und Thor war fast die ganze Zeit hier. So nah und doch so fern."
Ihre Augen sind auf den Boden gerichtet. Warum war er so dumm, zu glauben, dass Mae ihn finden wollte?
Natürlich hat sie nach Thor gesucht, die beiden sollten heiraten.
Will sie ihn immer noch heiraten?
Ein ekelhafter Geschmack breitet sich in seinem Mund aus.
Thor ist nicht da, also muss er sich jetzt noch keine Gedanken darüber machen.
Als die Türen sich öffnen, treten die beiden in die Wohnung.
Er läuft vor ihr in das Wohnzimmer.
Als er ihr etwas zu trinken anbietet, bittet sie um einen Kaffee.
Alles ist still in der Wohnung, einzig und allein hört man das rattern der Kaffeemaschine.
"Der Kaffee ist nicht so gut, nur dass du Bescheid weißt." Er reicht ihr denn Kaffee.
"Also, erzähl mir alles."
Er brennt darauf, es zu erfahren. So viele Jahre hatte er sich gefragt, was geschehen war. Er hatte sich schon damit abgefunden, dass er keine Antwort auf seine Fragen erhalten wird.
Sie saßen zusammen auf der Couch und blickten einander an.
"Als du mir unterbreitet hast, dass du heiraten würdest, bin ich aus dem Palast gestürmt. Ich bin auf dem schnellsten Weg zu dem Wasserfall gerannt." Loki erinnert sich an den Wasserfall. Dort waren sie oft als Kinder gewesen und haben die Regenbogen bewundert, welche sich um das fallende Wasser schlängelten.
Er will sie fragen, was damals los war, warum sie weggerannt war, aber da redet sie schon weiter.
"Weißt du noch, was wir damals im Unterricht über die neun Welten gelernt haben? Über die Konvergenz? Ich bin wie durch ein Loch gefallen und war plötzlich auf der Erde. Ich wollte wieder zurück, es gelang mir aber nicht."
Loki stellt sich das schrecklich vor. Mae alleine in einer anderen Welt und es führte kein Weg zurück.
"An meinen ersten Tagen auf der Erde, habe ich versucht Hilfe zu holen. Die Menschen waren engstirnig und dumm. Sie dachten, die Erde wäre eine Scheibe, Loki!
Ich hätte mich damit abgefunden, hier zu verweilen, also hatte ich mich angepasst. Irgendwann kam ich in ein Heim für Menschenkinder. Die Eltern derer wollten sie nicht haben, also wurden sie in ein Haus gebracht, wo andere Familien sich Kinder aussuchen konnten."
So etwas verrücktes hat Loki noch nie gehört? Kinder aussuchen?
Doch dann erinnert er sich daran, wie er zu Odin gekommen war und verdrängt den Gedanken daran, dass er womöglich nicht gewollt worden war.
"Nach ein paar Jahren begriffen die Hausherren, dass ich nicht alterte und schmissen mich aus dem Heim. Ich schlug mich viele Jahre auf der Straße durch, bis ich einen Job als Hausmädchen bekam. Das ist so etwas ähnliches wie eine Zofe.
Es war schon spannend, wie sich die Welt in 648 Jahren verändert hat."
Loki begriff, dass sie fertig ist und schluckt den fetten Klos hinunter, welcher sich in seinem Hals breitgemacht hat.
Es war nicht seine Schuld gewesen, dass sie verschwunden war.

648 Years (Loki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt