10. Kapitel: Warum?

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14. Juni 2013

Felicitas Perspektive:

Und die größte Frage ist ja, was Phil dazu sagen wird, wenn sein bester Freund jetzt mit mir, seiner Zwillingsschwester, zusammen ist?

Bevor wir mein Zimmer betraten, sahen wir uns nochmal kurz an und atmeten durch. Wir hatten beide keine Ahnung, wie die Anderen reagieren würden. Als wir dann eintraten, stellten wir fest, dass nur noch Francesca da war. Sie sagte uns, dass Phil und Niklas schon zurück in Phils Zimmer gegangen waren. Per Gedankenaustausch entschieden wir uns dazu, es Francesca jetzt direkt mitzuteilen und dass die Jungs es dann nachher von Julian erfahren würden. Dann begann ich zu reden: „Wir müssen dir noch was sagen.“

Noch während ich redete, schaute sie zwischen mir und Julian hin und her. Dann quietschte sie auf: „Oh, ich wusste es. Ihr habt es endlich geschafft. Ich freue mich so für euch.“ Erstaunt sah Julian sie an. „Wie, endlich?“, brachte er dann heraus. „Ja, Felicitas hat mir schon die Ohren voll gejammert, dass sie in dich verliebt ist und du aber nicht in sie.“

Verlegen sah ich Julian an und wurde rot. „Francesca übertreibt voll“, versuchte ich mich rauszureden. Julian schüttelte nur grinsend den Kopf und nahm mich in den Arm. „Du bist süß, wenn du rot wirst. Aber jetzt muss ich auch langsam rübergehen. Ich hoffe die Jungs reagieren auch so wie Francesca“, sagte er und küsste mich dann. Daran musste ich mich auch erst noch gewöhnen.

Als wir uns lösten, wünschte Julian mir noch eine gute Nacht und verließ dann das Zimmer. Verträumt sah ich ihm noch hinterher, bis Francesca mich kichernd anstieß und mich mit einem Blick aufforderte zu erzählen. Daraufhin erzählte ich ihr alles. Von unserem kurzen Gespräch heute Morgen, bis zur Liebeserklärung vorhin im Garten und dem anschließenden Kuss. Davon wie unsicher Julian war und wie süß er vor sich hin gestottert hatte. Wie ich erstmal gar nicht reagieren konnte und Julian damit zur Verzweiflung brachte. Sie hörte mir aufmerksam zu und gab nur ab und an einen kurzen Kommentar von sich.

Nachdem wir noch eine Weile geredet hatten und wir uns gerade umziehen wollten, um dann ins Bett zu gehen, kam Niklas ohne Vorwarnung ins Zimmer gestürzt. „Du musst sofort mitkommen, Felicitas“, sagte er, bevor er schon wieder weg war. Francesca und ich tauschten noch schnell einen fragenden Blick, bevor ich aufstand und mich beeilte hinter Niklas her in Phils Zimmer zu kommen. Was ich da sah, konnte ich kaum glauben...

Phils Perspektive:

Als wir abends alle zusammen saßen, fiel mir wieder mal auf, wie oft Julian Felicitas ansah. Er verfolgte sie regelrecht mit seinen Blicken. Aber das war vermutlich normal, wenn man verliebt war. Und das war Julian schon länger. Vor ein paar Wochen hatte er mir das erzählt. Natürlich musste ich versprechen, niemandem davon zu erzählen, schon gar nicht Felicitas selbst. Ich wusste selber noch nicht, ob ich es jetzt gut oder schlecht fand, dass er ausgerechnet in meine, um wenige Minuten jüngere, Zwillingsschwester verliebt war.

Felicitas war mir unglaublich wichtig und wir hatten eine sehr enge Bindung zueinander. Wir erzählten uns einfach alles und wussten, dass wir jederzeit mit unseren Problemen kommen konnten. Ob es jetzt daran lag, dass wir Zwillinge sind oder dass wir sonst keine Geschwister haben, weiß ich nicht. Aber wir merkten auch beide sofort, wenn es dem anderen nicht gut ging. Naja, auf jeden Fall wollte ich daher immer nur das Beste für Felicitas und sie vor Allem beschützen. Und jetzt sollen wir beide die Hauptpersonen im Kampf um die Welt sein. Wie soll ich sie da bitte auf Dauer beschützen?

All das schwirrte mir im Kopf herum, als Felicitas sagte sie wolle noch etwas rausgehen. Ich wollte gerade aufspringen, um mitzugehen, als Julian bereits neben ihr stand. Einerseits war ich ja froh, dass er sich auch um sie sorgte und alles für sie tun würde, auch wenn sie das noch nicht wusste. Aber andererseits war das jahrelang meine Aufgabe gewesen und ich hatte starke Probleme damit, jetzt 'Konkurrenz' zu haben. Und dann noch ausgerechnet durch meinen besten Freund. Während ich so tief in Gedanken versunken war, unterhielten sich Francesca und Niklas noch eine Weile, bis wir beschlossen, dass wir Jungs in mein Zimmer gehen, da es langsam spät wurde.

Als dann ein ganze Weile später Julian dazu kam und ein breites Grinsen im Gesicht hatte, wusste ich sofort Bescheid. Er hatte meiner Schwester seine Gefühle gestanden. Und ich wusste schließlich ganz genau, dass es ihr genauso geht wie Julian. Ich hörte ihm nur halb zu, als er erzählte, dass er ihr seine Gefühle gestanden und sie schließlich geküsst hatte.

„Du hast sie einfach so geküsst? Ohne dass du wusstest wie sie fühlt? Finde ich ganz schön mutig. Sie hätte dir auch einfach eine klatschen können“, sagte Niklas gerade. „Ja, das stimmt. Aber das hat sie ja zum Glück nicht. Und jetzt sind wir zusammen“, verkündete er freudestrahlend. Zusammen? Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Das konnte in unserer neuen Situation seinen und, noch schlimmer, auch ihren Tod bedeuten. Sie musste immer volle Konzentration halten können und konnte echt keine Ablenkung gebrauchen.

Diese Gedanken flogen in Sekundenbruchteilen durch meinen Kopf und meine Sicherungen brannten durch. Das war der Moment, in dem meine Faust auf Julians Gesicht traf. Da er auf diese Reaktion meinerseits nicht vorbereitet gewesen war, blieb ihm keine Zeit in Deckung zu gehen, als ich schon das zweite Mal zuschlug. Halb bekam ich mit, wie Niklas das Zimmer verließ, während ich noch auf Julian, der sich jetzt auch wehrte, einschlug und ihn beschimpfte. Dann kam Niklas plötzlich wieder ins Zimmer, dicht gefolgt von Felicitas, die uns nur geschockt ansah. Ich ließ von Julian ab und sie kam auf uns zu. Mit Tränen in den Augen fragte sie: „Warum Phil, warum?“

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