●Kapitel 8●

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"Es kann nicht sein, dass du nichts bist!" Sindustrasz ging auf und ab und warf dem Krieger, der als einziger übrig geblieben war, einen hoffnungsvollen Blick zu. "Ich schätze, einen Krieger macht physische Stärke aus, doch das besitzt Kirastrasza nicht. Habt Ihr eventuell eine leichtere Waffe?"

Der Orc nickte und schmiss einen metallverstärkten Beutel vor ihnen auf den Boden, der sich dadurch ein wenig öffnete und den Blick auf mehrere erstaunlich kleine Waffen freigab.
Vorsichtig fischte er eine kleine Zweihandaxt heraus und drückte sie Alaris in die Hände.
Sie konnte sie problemlos halten.

"Besser sein, wenn Orc zeigt, wie man kämpft?" Der Krieger zeigte auf eine notdürftig aus Knochen zusammengebastelte Attrappe.
Alaris nickte nur und versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen.
Gleich würde herauskommen, ob sie wirklich Kriegerin war...

"Erster Schritt.", kündigte der Orc an und zeigte ihn ihr.
Ein Schritt vor und ein schnelles Schlitzen mit der Axt.
Alaris kopierte seine Bewegungen...und traf das Gestell, als hätte sie es jahrelang geübt.

Doch ihr kurzzeitiger Lehrer pfiff nur anerkennend durch die Zähne. "Sehr gut. Jetzt Schritt zwei."
Der erste Schritt festigte nur den Stand, dann ließ er seine Axt von oben auf sein Ziel zusauen.
Mit einem lauten Krachen brach ein Knochen ab.
Alaris atmete tief durch.
Wenn sie diesen Schritt schaffte, war es unmöglich, dass sie keine Kriegerin war...
Ein weiteres Bersten ließ sie aufsehen.
Sie hatte unbewusst den Schritt ausgeführt und dem Dummy den Kopf abgeschlagen.

"Orc denkt, seine Axt war nur zu schwer.", meinte dieser und nickte langsam. "Orc wird sich bei Lordregent informieren. Der hat sicher etwas von seinen Kriegern bemerkt."
"Ich danke Euch von Herzen." Sindustrasz nahm Alaris die Waffe aus der Hand und gab sie dem Orc zurück, der sie verstaute und mit dem Versprechen, sehr bald zurückzukehren, davonging.

"Netter Kerl.", schmunzelte Sindustrasz ihm hinterher und legte Alaris einen Arm um die Schultern. "Findest du nicht a- Alaris?"
Sie wollte sich umdrehen und ihm antworten, doch sie war auf einmal wie gelähmt.
Ihr Blick lag auf dem Knochengestell, das eine Art Bogen bildete, doch dort, wo man vorher hindurchsehen konnte, hatte sich eine blassblaue Schicht gebildet, einem Spiegel ähnlich.

Doch die Person im Spiegel war nicht Kirastrasza.
Es war...sie selbst.
Und gleichzeitig jemand Fremdes.

"Das bin nicht ich.", murmelte sie. "Das bin nicht ich."

"Alaris?" Gedämpft nahm sie Sindustrasz' Stimme wahr und mit einem Mal hörte sie alles wieder normal.
Überrascht blinzelte sie, doch als sie ihre Augen wieder öffnete, waren nicht nur der Spiegel, sondern auch das Knochengestell verschwunden...

"Alles in Ordnung?", fragte der besorgte Drache und hielt sie vorsichtshalber an ihrem Ellenbogen fest.
"Alles bestens.", erwiderte sie und rückte näher, als sie den Platz betrachtete, an dem ihr Körper gestanden hatte.
Der Spiegel, die aufflimmernde Magie, alles was damit zu tun gehabt hatte war weg.
Es jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken.

"Du zitterst...", widerlegte Sindustrasz ihre Aussage, hielt dann jedoch inne. "Ah ja, dir muss kalt sein..." Doch anstatt ihr eine Decke umzulegen oder ähnliches erhitzte sich sein Körper unnormal hoch und er schien es nicht einmal zu merken.
Verwirrt sah Alaris zu ihm hoch. "Was ist mit dir?"
"Hm?"
"Dein Körper?"
"Dir ist doch kalt.", meinte Sindustrasz und zog sie in eine feste Umarmung.
Die Hitze umgab sie nun von allen Seiten und sie merkte erst jetzt, dass sie tatsächlich gefroren hatte.

Von den angenehmen Schauern gelenkt legte sie ihre Arme um den Rubindrachen und verharrte so.
Am liebsten wollte sie ihn nie wieder loslassen, so warm wie er war und so kalt wie ihre Umgebung war.

"Ich liebe dich...", wisperte Sindustrasz plötzlich in ihr Ohr und Alaris wandte ihren Kopf, um ihn ansehen zu können ohne ihren Körper von seinem lösen zu müssen.
"Du meinst Kirastrasza, nicht wahr?"
Sindustrasz schwieg und zögerte seine Antwort sehr lange hinaus, bis sie ein leises "Hm" wahrnahm.
Also eine Bestätigung.

"Ich würde gerne Alath wiedersehen...", murmelte sie ihm zu und krallte ihre Finger in den Stoff der hellroten Robe. "Ich erinnere mich nicht an viel, aber irgendwas sagt mir, dass ich ihn auf alle Fälle wiedersehen muss..."

Plötzlich löste Sindustrasz die Umarmung auf und beugte sein Gesicht so, dass seine Stirn und seine Nasenspitze ihre berührten.
Sein Blick war ernst, doch Alaris dachte mehr daran, wie nah sein Gesicht dem ihren war.

"Sindustrasz...?", fragte sie leise.
Doch diesmal schien er nicht aufzuwachen.
Er nahm seinen Kopf nicht zurück.
Er sah sie nicht entschuldigend an.
Er blieb, wo er war und überließ es seinem heißen Atem ihre Lippen zu streicheln.

"Sindustrasz, das ist Alaris und nicht Kira.", ertönte eine weitere Stimme, woraufhin der Rubindrache aufgeschreckt von ihr abließ.
"Weiß ich doch...", grummelte er dann schlecht gelaunt in Amigos' Richtung.
Doch während Alaris Sindustrasz nur verständnislos anstarrte, wandte sich der Azurdrache an sie. "Und hat sich jetzt herausgestellt, was du bist?"
"Kriegerin.", antwortete Sindustrasz und sah krampfhaft von ihnen weg.

Amigos zog eine Augenbraue hoch und rückte näher zu Alaris. "Wenn du ein bisschen Zeit für dich brauchst, gehen wir. Ich muss sowieso etwas mit Alaris besprechen."
"Nur zu." Sindustrasz wagte einen Blick in Amigos' violette Augen und knurrte leise, doch deutlich hörbar. "Aber komm ihr ja nicht zu nahe."
"Schon verstanden, keine Sorge." Amigos verdrehte die Augen. "Wir werden hier reden. Vielleicht kannst du dir einen anderen Platz suchen?"
"Ich werde bei Eastrasza sein." Sindustrasz verschwand innerhalb weniger Sekunden.

"Also." Amigos atmete tief ein und aus. "Keine Panikattacke, Alaris. Ich habe etwas über die Krankheit herausgefunden. Erstens: wenn man nicht innerhalb einer Woche nach der Wiedererweckung den Körper findet, springt die Krankheit auf zwei weitere Körper über und ohne Achtsamkeit wird damit ganz Azeroth ins Chaos gestürzt. Das war allerdings noch gar nichts im Gegensatz zum Zweiten, denn das Problem haben wir gerade. Ich weiß nicht, wie es bei Alath aussieht, aber bei Sindustrasz ist es offensichtlich." Amigos schloss die Augen, während er eine Art dramatische Pause macht. Als er fortfuhr, öffnete er sie wieder. "Wenn sich einer der Partner oder beide in die inneren Werte der Vertauschten verliebt, ist eine Umkehrung der Seelen unmöglich."

Imprisoned in a different bodyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt