"Immer noch nichts?!", fuhr Amigos den älteren Schwarzdrachen ungläubig an.
"Wenn du uns nicht zwanghaft von der Nexussäule fernhalten würdest, könnte ich ihn eventuell ausfindig machen, aber nein, Klein Ich-kenne-mich-aus weigert sich ja!"
"Wollt Ihr wirklich die Energien vom Nexus spüren?"
"Es geht ja wohl nicht anders!"
"Jetzt lass Sheranion doch machen, was er tun muss!", mischte sich Alaris in das Streitgespräch der zwei Älteren ein. "Wir haben jetzt alles außer die Gegend nahe der Nexussäule abgesucht, es ist doch klar, dass wir ihn dann entweder dort oder..." Sie schluckte schwer. "...eben gar nicht finden."
"Wir finden ihn." Sheranion wuschelte durch ihre Haare. "Ich werde ganz Azeroth bereisen, bis ich ihn gefunden habe."
"Übertreib mal nicht.", kommentierte Amigos leise und sah zu dem Strom unkontrollierter arkaner Energie.Sheranion schwieg und setzte sich schnellen Schrittes in Bewegung, gezwungenermaßen folgten sie ihm.
Kurz vor einer eisüberzogenen Brücke blieb er jedoch stehen und schloss die Augen.
Unaussprechliche Worte verließen seine Lippen, dann schwieg er wieder und riss wenig später seine stark golden leuchtenden Augen auf."Folgt mir." Seine tiefe Stimme war um einiges tiefer und hatte einen irritierenden Hall wie in einer Höhle, doch sie standen unter freiem Himmel... "Ich habe ihn."
"Lauf.", forderte Alaris ihn auf. "Ich will wissen, ob wir nicht zu spät sind."Sheranion nickte und umfasste vorsichtig ihr Handgelenk und lief los.
Da er zum ersten Mal rannte, stellte Alaris verwundert fest, dass der Schwarzdrache ein beeindruckendes Tempo einschlug.
Amigos blinzelte sich ihnen hinterher, bis sie einen riesigen Eiskristall nach unten rutschten.Noch bevor Alaris erkennen konnte, was sich in dem Raum befand, brüllte der Schwarzdrache ein weiteres unverständliches Wort und etwas reagierte mit merkwürdigen Lauten.
Als sie die Tränen wegblinzelte, die ihr durch den Gegenwind in die Augen getrieben worden waren, erkannte sie endlich etwas.
Lauter Elementarüberreste - Sheranion hatte sie ganz offensichtlich getötet - und ein blutbedeckter Sindustrasz.Er bewegte sich nicht.
Ohne zu zögern lief sie zu ihm und hob vorsichtig seinen Kopf an.
Überall am Körper hatte er Wunden, aus denen noch immer Blut floss und ein bisschen davon klebte auch in seinen Mundwinkeln.
Alaris wollte sich nicht mal vorstellen, was für Schmerzen er erlitten haben musste und sicher noch erlitt."Wir sollten uns beeilen. Ich kann leider nur meinesgleichen heilen, nur unkorrupte Drachen, die empfänglich für Mutters Stimme sind." Sheranion wischte erfolglos ein wenig Blut von Sindustrasz' Wange. "Ich werde von hier aus einen Weg schaffen, zurück zur Brücke, aber wir müssen den Weg schnell passieren, denn ich werde den Weg wieder hinter uns verschließen. Ich möchte Mutter nicht länger wehtun als nötig."
"In Ordnung. Amigos..." Alaris sah entschlossen zu dem missmutigen Azurdrachen auf. "Ich brauche deine Hilfe beim Tragen."
"Schon klar, dafür bin ich wieder hilfreich...", murrte Amigos und nahm den Rubindrachen mühelos Huckepack. "Beeil dich lieber, Sheranion."Doch der antwortete nicht.
Seine Hände flach auf den Boden gelegt, die Augen geschlossen und die Lippen stumm Worte bildend konzentrierte sich der Schwarzdrache offenbar auf die Kommunikation mit 'Mutter'.
Nach einer Weile wellte sich der Boden, riss auf und offenbarte einen dunklen Tunnel, der nach ein paar weiteren stummen Worten golden schimmerte."Ladies first." Amigos zeigte mit dem Kopf auf die Öffnung, woraufhin Alaris sich an den Rand des steil nach unten verlaufenden Tunnels setzte und sich dann abstieß.
Eine wilde, wenn auch kurze Rutschfahrt begann.Vor ihr gingen Treppen in die Höhe.
Sie wartete noch, bis die anderen Zwei ankamen, dann erklommen sie sie gemeinsam, bis endlich der altbekannte Schneesturm ihre Sicht trübte.
Noch nie hatte Alaris sich über so ein Unwetter gefreut..."Ich werde euch beide mit Wind von dieser Öffnung wegstoßen. Verwandelt euch besser sofort." Sheranions Hände verschwammen schon hinter den Winden, die er kanalisierte. "Springt...jetzt!"
Alaris und Amigos sprangen, wurden von den Winden von der Felswand geschleudert - zum Glück in die Höhe - und verwandelten sich.
Mittlerweile schaffte sie es mühelos.Sheranions massiger Körper schob sich zwischen sie, packte jeden von ihnen mit einer Klaue und dann rauschte die Luft wieder so heftig an ihnen vorbei, dass Alaris kaum Luft holen konnte.
Doch es lohnte sich, denn der Wyrmruhtempel war schnell erreicht und ihre sterblichen Gestalten schnell angenommen.
Alexstrasza hatte wohl schon ein paar Heiler und Sanitäter gerufen, denn Sindustrasz war schneller verschwunden als Amigos gucken konnte.Alaris wandte sich an den Schwarzdrachen, dessen Augen wieder rot-golden waren und ihr lag schon ein 'Danke' auf den Lippen, als sie sich entsinnte, wovor er sie gewarnt hatte: er wollte keinen Dank hören.
Also stupste sie ihn an und sah ihn bittend an, als sein Blick auf sie fiel. "Kannst du 'Mutter' meinen Dank ausrichten?"
Ein breites Grinsen schlich sich auf Sheranions Lippen, dann wurden seine Augen wieder golden und wieder rötlich.Doch er gab keine Erwiderung.
Stattdessen schien...der Boden mit ihr zu 'sprechen'.
Tiefe Zufriedenheit und Wärme wie auch Liebe stieg in ihr auf, doch diese Emotionen waren zu stark und zu überwältigend, um von ihr selbst zu sein.
Sie spürte 'Mutter'.
Sie spürte, was Sheranion jeden Tag spürte.
Und es trieb ihr einen wahren Fluss an Tränen in die Augen.
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Imprisoned in a different body
AdventureSie starb an einer unbekannten Krankheit magischen Ursprungs. Sie schloss ihre Augen, erwartete schon das Jenseits...als sie ihre Augen im Diesseits wieder öffnete. Mit Gedächtnisverlust erwacht Alaris in einem Körper, der alles andere als zart und...