Unbekümmert griff Adam nach dem ihm dargereichten Apfel und nahm ebenfalls einen Bissen. Daraufhin durchlebte er dieselben Erfahrungen wie Eva. Neugierig und zärtlich erkundeten sie sich gegenseitig, bis sie dabei immer selbstsicherer wurden. Nach einer Weile wurde Eva schwanger und Gott verstoß beide als Strafe für diesen Frevel aus dem „Paradies" Eden, in eine kalte und harsche Welt, genannt Erde. Sie mussten Hunger, Kälte und andere Widrigkeiten durchmachen. Doch nach und nach lernten die beiden immer mehr sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden. Und bauten sich ein neues unabhängiges Leben auf. Viele Monate später erblickten Evas Neugeborene das Licht der Welt. Es waren Zwillinge. Als Eva und Adam ihre Kinder sahen, schienen alle Strapazen der letzten Monate von ihnen zufallen. In diesem Moment wurde ihnen klar, dass sie diesen Schritt den sie gegangen waren nie bereuen würden. Und dass die Verbannung aus Eden kein wirklicher Verlust mehr für sie bedeutete, denn sie hatten wesentlich mehr gewonnen. Auch wenn ihr Leben von nun an wesentlich beschwerlicher sein würde, so würde es doch auch weit aus erfüllender sein.
Es vergehen Monate, Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte, aus der kleinen Familie kamen viele Nachkommen hervor, die sich auf der Erde verbreitet haben und sich immer mehr zu erblühenden Völkern entwickelten.
Gott war sehr erzürnt darüber, dass die Menschen ihre Verbannung aus seinem Paradies nicht länger als Strafe ansahen. Welch undankbare Kreaturen. Er hatte ihnen das perfekte Leben geschenkt. Warum sollten sie auch mehr wollen? Wie konnten sie es wagen seinen Befehlen zuwider zu handeln. Sein eigentlicher Plan war es, dass Luzifer durch die Folgen seines Rebellierens gegen ihn Schuldgefühle bekam und so wieder leichter lenkbar und unterwürfiger werden würde. Leider kamen die Menschen viel zu gut in ihrer neuen Umgebung zu Recht. Das vereitelte seinen Plan. Er musste etwas an der Situation der Menschen ändern. Und seinem Sohn zu verstehen geben, dass er allein an deren Leid schuld war. Er hatte die Menschen, die er erschuf, eindeutig unterschätzt. Diesen Fehler würde er kein zweites Mal begehen. So legte er den Menschen Steine in den Weg, indem er auf Erden Krankheiten, Naturkatastrophen und Hungersnöte herabließ. Zwischen den Nachkömmlingen Adam und Evas säte er Zwist und Misstrauen, der bald zu blutigen Auseinandersetzungen und Kriegen führte.
Hilflos musste Luzifer vom Himmel aus mit ansehen wie die Menschen sich Jahrhunderte bekriegten, sich gegenseitig verletzen, sie die größten Qualen durch fürchterliche Krankheiten und unerbittlichen Hungersepidemien erleiden mussten. Er fühlte sich so unendlich schuldig und verantwortlich für das Leid der Menschen. Er musste versuchen seinen Vater davon abzubringen die Menschen weiterhin zu bestrafen.
Also betrat Luzifer den Palast Gottes um mit seinem Vater zu reden. Sichtlich nervös trat er diesem gegenüber und sprach seinen Vater an:
„Vater, ich bitte dich. Hör auf die Menschen so hart zu bestrafen. Deine Schöpfung leidet fürchterlich auf Erden. Das kannst du doch nicht ernsthaft wollen oder? Hör auf bitte...", bevor Luzifer weiter reden konnte richtete sich Gott zu seiner vollen Größe auf und unterbrach ihn:
„Du wagst es mir Befehle zu erteilen? Mir deinem Schöpfer? Überhaupt ist es deine eigene Schuld, du musstest dich ja unbedingt einmischen. Da die Menschen wegen dir meine Befehle missachtet hatten, blieb mir nichts anderes übrig als diese Verräter für ihren Frevel zu bestrafen. Hast du etwa geglaubt ich wüsste nichts von deinem kleinen Trick mit dem Baum der Erkenntnis? Ich bin zutiefst enttäuscht von dir und nun will ich keine Widerworte mehr hören. Nun geh und wage es ja nicht dich ein weiteres Mal gegen meine Befehle zu widersetzen. ich will keine weiteren Einmischungen erdulden müssen."
Der Schock traf Luzifer wie ein Schlag ins Gesicht. Sein Vater wusste von seiner Beteiligung am Sündenfall der Menschen. Er hatte gehofft Gott durch seinen Trick täuschen zu können. Es war seine Schuld, dass die Menschen so schrecklich leiden mussten.
Was sollte er nur tun? Niedergeschlagen setzte sich Luzifer auf eine Wiese und blickte auf das Geschehen der Erde hinab.
Was er da erblickte trieb ihm die Tränen in die Augen. Er sah ein kleines Mädchen im eiskalten Schnee sitzen. Über ihrer toten Mutter gebeugt, rüttelte die Kleine verzweifelt den leblosen Körper und flehte sie an die Augen aufzumachen. Leider blieb das Flehen des Kindes unbeantwortet. Die beiden waren Tage lang von Tür zu Tür gegangen und hatten um eine Bleibe gebeten. Doch vergeblich. Kaltherzig wurde ihnen jede Tür, an der sie klopften, mit Verachtung und Missbilligung vor der Nase zu geschlagen.
Das Mädchen fing bitterlich zu weinen an. Es fühlte sich vollkommen allein auf dieser Welt. Wie konnte das Gott völlig unberührt lassen? Luzifer konnte es einfach nicht mehr ertragen. Er musste einfach etwas dagegen tun. Er wollte den Menschen helfen, ihr Leiden lindern. Seine Entscheidung war gefallen, sollte Gott ihn doch bestrafen es war ihm egal.
Nachdem seine Entscheidung gefallen war suchte Luzifer seinen Bruder Raphael auf und bat ihm um Hilfe und Rat, wie er zur Erde hinabzusteigen könnte.
Sein Bruder war das komplette Gegenteil von ihm. Er war der ruhige, gelassene Typ. Immer äußerst besonnen und vernünftig. Trotzdem vertraute Luzifer ihm bedingungslos. Wie oft hatte dieser seinen hitzköpfigen, rebellischen kleinen Bruder vor Schwierigkeiten bewahrt. Oder zumindest versucht seinen Vater zu besänftigen, wenn Luzifer ihn wieder einmal durch Missachtung dessen Befehle und seinem eigensinnigen Denken erzürnt hatte. Zuerst hatte Raphael auf die außergewöhnliche Bitte seines Bruders geschockt reagiert. Er hatte zwar schon oft Gottes Befehle umgangen, jedoch hatte er noch nie diese so offen missachtet.
„Luzifer das ist nicht dein Ernst oder? Du weißt, dass unser Vater außer sich vor Zorn sein wird, solltest du diesen törichten Plan wirklich in die Tat umsetzen. Wer weiß wie hart deine Strafe diesmal ausfallen wird, sollte unser Vater dich erwischen. Das ist viel zu gefährlich."
Eigentlich wollte Raphael diese unmögliche Bitte ablehnen. Er hatte viel zu große Angst um seinen kleinen Bruder. Aber als er in das verzweifelte, von Schuld geplagte, Gesichts Luzifers blickte, konnte Raphael ihm diesen Wunsch einfach nicht abschlagen. Also geleitete Raphael seinen Bruder zum verborgenen Portal der Menschenwelt. Mit einer geschwungenen Handbewegung ließ er die Barriere, die die Pforte verbarg verschwinden. Besorgt sprach Raphael noch ein letztes Mal seinen Bruder an:
„Bist du dir sicher, dass du das wirklich durchziehen willst? Noch können wir das Ganze abbrechen."
Luzifer schüttelte energisch den Kopf:
„Tut mir leid Raphael, aber für mich gibt es kein Zurück mehr."
Kaum hatte er dies ausgesprochen, schloss Luzifer die Augen und streckte seine wunderschönen langen weißen Flügel aus. Ruhig atmete dieser ein und aus, bis er einen Zustand höchster Konzentration erreicht hatte. All seine Energie um sich herum fokussierend, trat er fest entschlossen durch den vor ihm liegenden Durchgang zur Erde. Er hoffte, dass dieser kleiner Trick ihm etwas Zeit verschaffen würde, bis Gott von seiner Abwesenheit und Ankunft auf der Erde erfahren würde.
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Veritas Lux
FantasyHallo ihr lieben :) Ich trage seit einigen Jahren eine Idee für eine Geschichte über den gefallenen Engel Luzifer mit mir rum. Wobei er bei mir nicht der böse Teufel ist. Und Gott nicht unbedingt das absolut gute. Seht selbst. ;) Seit einiger Zeit h...