Ich traf dich, als ich am Fenster stand,
Das Gesicht zur strahlenden Sonne gewandt.
Du warst einfach da und ich sah dich dort sitzen,
Hoch oben in leuchtenden goldgrünen Spitzen.
Hoch oben im Himmel, ganz ohne Ballast,
Deine Schwärze stand dort in scharfem Kontrast.
In Freiheit gekommen, in Freiheit geblieben,
Der Sonne, dem Himmelslicht, einzig verschrieben.Und wie ich dich sah, da erschien es mir so,
Als wäre ich plötzlich zum ersten Mal froh.
Mein Blick folgte Träumen voll Sehnsucht und Schmerz,
Mit Diebeskunst raubtest du mich und mein Herz.
Ich wünschte, ich würde jetzt mit dir dort hocken.
Dein Anblick allein schien mich zu dir zu locken.
Ich zögerte noch, wollte nicht, dass du fliehst.
Ist's fruchtloses Hoffen, dass du mich nur siehst?Ich dachte noch nach, da begannst du zu singen,
Verzweifelt sah ich: Du breitest die Schwingen!
Bald würdest du fliegen, weit, weit - himmelan!
Ich spürte schon, wie meine Zeit mir entrann.
Ich begriff, und als hätt' mich ein Kurzschluss durchschlagen,
fasste ich Mut und beschloss, es zu wagen.Ganz sachte streckte ich mich nach dir aus,
Ganz sachte rief ich dich näher ans Haus.Du blicktest mich an und ich sah dich kurz nicken
Und hoffnungsvoll bat ich dich mit meinen Blicken,
Zu kommen, und sei's nur für ganz kurze Zeit.
Eine Ahnung von Freiheit - ich war bereit!Dann stiegst du empor, immer höher und weiter,
Hinauf zu der Sonne, dein ew'ger Begleiter.
Die Trauer befiel mich, ich konnt' sie nicht zügeln.
Flatterndes Rauschen von nachtschwarzen Flügeln
Durchbrach uns're Stille - dann warst du fort.
Verschwunden in Freiheit, ein anderer Ort.Und so blieb ich zurück, in mir herrschte nur Leere,
Zwischen mir und der Welt eine hohe Barriere.
Wo mochtest du sein, wohin wardst du gesandt?
In fernes Gebiet - ins Niemandsland?Und die Sehnsucht nach Freiheit ist schwerer geworden,
Der Drang, auch zu fliegen, nach Süden, nach Norden!
Doch alles, was bleibt, ist das Wissen allein:
So, wie du warst, werde ich niemals sein.
Des Traums flücht'ger Schatten, dein schwarzes Gefieder,
Du gingst wie du kamst und ich sah dich nie wieder.31. Mai 2018
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LebensWege
PoesiaManche Menschen glauben an das Schicksal. Daran, dass unser gesamtes Leben von Anfang an vorherbestimmt ist. Manche Menschen glauben an einen Gott. An eine höhere Macht, die über uns waltet und ihre schützenden Hände über unser Leben hält. Manche M...