»I pray every single day for a revolution«

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Es war der erste Montag des ersten Schuljahres in der ersten Stunde, als Jim aufging, dass auch die Lehrer völlig zurückgeblieben waren.

Jim saß im Mathematikunterricht und fragte sich wie die Vogelscheuche eines Mannes da vorn Lehrer hatte werden können. Ständig strich er sich nervös über den blauen Anzug oder warf verlegene Blicke in den Raum, als wisse er auch nicht mehr so recht, wieso er sich einen Beruf ausgesucht hatte, in dem er vor fünfzehn Jugendlichen stehen musste, von denen jeder einzelne die gigantischen Schweißflecken unter seinen Armen erblicken konnte.

„Wie kann es sein", fragte Jim flüsternd Sebastian, der neben ihm in der letzten Reihe saß (Jim hatte ihn dazu gezwungen, sich neben ihn zu setzen, weil er niemand Fremdes und Blödes neben sich wollte; Sebastian war allemal besser als jeder von ihnen), „dass er drei Jahre lang studiert hat und trotzdem nichts von der Mathematik versteht?"

Sebastian warf ihm einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel hinzu und ein Grinsen zupfte an seinen Mundwinkeln. Er saß am Fenster; das frühe Morgenlicht fiel direkt auf sein kantiges Profil, weshalb sich Schatten unter seine Augen legten, die dieses Grinsen eigenartig bösartig aussehen ließen. „Könntest du es denn besser, Jim?"

„Auf jeden Fall", entgegnete Jim prompt. „Hundertprozentig. Selbst du könntest das besser erklären als dieser Idiot da vorn."

Sebastian sah noch immer geradeaus, beobachtete, wie der Lehrer den Lappen fallen ließ und sich ungeschickt danach bückte. Als er wieder aufsprang, stieß er sich den Kopf am Lehrerpult; die Klasse lachte und Jim schnaubte verächtlich. Dennoch sagte Sebastian: „Sei dir da mal nicht so sicher. Ich bin eine Niete in Mathe. Außerdem muss man doch sicher klug sein, wenn man Mathe studiert."

Erneutes Schnauben von Jim. Diesmal wandte sein Zimmergenosse sich ihm zu. „Klar muss ein gewisser IQ vorhanden sein. Aber ich weiß nicht, ob dieser Typ den besitzt. Außerdem ist es ein Unterschied, ob man einfach im Saal sitzt und ein paar Formeln auswendig lernt und vielleicht den leisesten Hauch vom mathematischen Verständnis besitzt oder ob man sich und die Menschheit weiter entwickelt, allein durch die Mathematik."

Sebastian verzog das Gesicht: „Du klingst wie mein Vater: »Nur die, die ihr Wissen nutzen, um die Menschheit einen Schritt weiter zu bringen, haben es verdient, dass man zu ihnen aufsieht. Der Rest sollte sich in die zweite Reihe setzen und lernen"

Jim hob die Augenbrauen. „Ich finde, dein Vater klingt nach einem sehr vernünftigen Mann."

Daraufhin erwiderte Sebastian nichts.

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„So rein theoretisch", fing Jim in der Mittagspause an. „Ist es erlaubt auch in der Woche ohne den Rest der Schule in die Stadt zu gehen?"

Sebastian zuckte die Schultern und stocherte unzufrieden in seinen geriffelten Möhren herum, von denen die Frau hinter der Kantine Sebastian einen ganzen Berg auf den Teller gehauen hatte. „Ich weiß nicht. Das macht eigentlich niemand. Außerdem müsstest du viel zu weit laufen. Und das durch den Wald."

„Und wenn man ein Auto hat? Und was ist denn so schlimm an dem Wald? Bitte sag mir, dass jemand ermordet wurde, dann wäre es nicht so langweilig hier."

How To: Stay AliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt