»It was Sunday - what a black day«

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Am Sonntag ging Richard mit ihren Eltern in die Kirche. Da ihr Vater dort Priester war, standen sie noch früher als andere Kirchengänger auf und kamen auch erst später zurück, weshalb Jim theoretisch Zeit für sich hätte. Nur war Sebastian da. Und irgendwie fühlte er sich dann doch für den Blonden verantwortlich.

„Sebastian?", fragte er, als er vorsichtig an der Tür des Gästezimmers klopfte und es klang eher wie ein erschöpftes Seufzen. Nachdem die Situation am gestrigen Nachmittag so eskaliert war und Sebastian sich für Jim eingesetzt hatte, hatte Letzterer mit niemandem mehr ein Wort gewechselt. Eigentlich hatte niemand mit irgendwem geredet - ihre Eltern hatten nicht einmal versucht, in Erfahrung zu bringen, wieso sowohl Richard als auch Sebastian Blessuren im Gesicht aufwiesen. Jim hatte auf Erklärungen gehofft, stattdessen hatte er eine übereilte Abreise und eine verstreute Umarmung seiner Großmutter bekommen, die sonst immer darauf achtete, den Sicherheitsabstand, den Jim gern hielt, zu achten.

Als keine Antwort kam, klopfte er erneut. Wieder nichts. Erneut schlug er seine Fingerknöchel gegen das Holz, dieses Mal ernergischer. Doch es brachte nichts. Niemand reagierte auf Jim. Verwirrt ließ der Dunkelhaarige die Hand sinken. Dann kam ihm ein Gedanke: Was, wenn Sebastian...?

Panisch stieß er die Tür auf, ohne noch einmal seinen Eintritt anzukündigen. Blickte sich hektisch im Zimmer um, in der Erwartung ein leeres Bett und kalte Laken vorzufinden.

Stattdessen schreckte Sebastian hoch, als die Tür gegen einen alten Ventilator knallte und irgendetwas umwarf. Einen Moment starrten die beiden Jungen sich an - Sebastian nur in Boxershorts und in die Bettdecke gewickelt und Jim, der die Türklinke noch in der Hand hielt.

Es dauerte eine weitere Sekunde für Jims sonst so schnelles Gehirn, um zu realisieren, dass Sebastian nicht abgehauen war - wieso sollte er auch? Im Nachhinein kam ihm diese Vermutung dämlich vor, aber für einen kurzen Augenblick hatte Jim wirklich geglaubt, Sebastian hätte sich davon gemacht und Jim in dieser Hölle zurück gelassen.

„Es zieht", bemerkte Sebastian, der offenbar genug von dem wortlosen Starren hatte.

„Kommt davon, wenn man halbnackt schläft", antwortete Jim automatisch, als wäre der Teil seines Gehirns, der für Erwiderungen auf dumme Bemerkungen zuständig war, mittlerweile so geübt, dass er Jim dazu nicht mehr brauchte.

„Wieso sollte ich denn das hier auch verstecken?" Sebastian deutete mit ausschweifenden Handbewegungen auf seinen athletischen Körperbau.

Augenverdrehend wandte Jim sich ab, um die Tür für den Blonden zu schließen. „Igitt", stellte er so sachlich fest, wie es ihm nur möglich war.

„Weshalb habe ich die Ehre, dass du mich früh am Morgen aus meinen süßen Träumen reißt und beinahe die Tür zertrümmerst?", wollte Sebastian wissen und ließ sich wieder zurück in sein Kissen fallen. Weil Jim nicht wusste, was er sonst tun sollte, durchquerte er den Raum und setzte sich auf den alten Königssessel, der vor dem antiken schwarzen Schreibtisch seines Ur-Urgroßvaters stand.

„Ich habe geklopft", erklärte Jim und musterte stirnrunzelnd einen Tierschädel, in dem ein Loch gebohrt war und den irgendjemand als Stiftehalter benutzt hatte. „Aber du hast nicht geantwortet. Dann bin ich reingekommen." Er griff nach dem Schädel und drehte ihn ruckartig um, sodass die Stifte geräuschvoll zu Boden fielen und Jim sich das Gebiss des toten Tieres - offenbar ein Raubtier - eindringlicher besehen konnte. Wie kam es, dass er sich noch nie genauer in diesem Zimmer umgesehen hatte?

„Das liegt vielleicht daran, dass ich geschlafen habe. Aber wirklich nett von dir, dass du auch ohne meine Zustimmung herein kommst und dann auch noch so leise und nachsichtig." Der Sarkasmus in Sebastians Stimme ließ Jim aufblicken.

How To: Stay AliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt