»I want a new drug, one that won't go away, one that won't keep me up all night«

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Es war schwer zu schlafen, wenn alles so laut war. Jims Gedanken drehten sich einmal mehr im Kreis und er kam nicht weiter. Er öffnete Türen, die lange Zeit verschlossen gewesen waren, fand aber keine Lösung für sein Problem. Keine perfekte jedenfalls.

Jim knirschte mit den Zähnen, drehte sich in seinem Bett herum und starrte die Wand an. Das Mondlicht, welches durch sein Fenster fiel, ließ Schatten darauf tanzen und der Anblick der schwingenden Äste (beziehungsweise der ihrer Schatten) lenkte Jim lang genug ab, um ein wenig Ordnung in ihn zu bringen. Nur dass seine Ordnung bei anderen Menschen noch immer als Chaos zu bezeichnen wäre und er es noch immer nicht schaffte, so zu denken, wie er das gern wollte.

Deshalb beschloss er, sich wann anders den Kopf darüber zu zerbrechen. Er schloss die Augen und wartete auf den Schlaf.

Der kam zwar, brachte aber auch Albträume mit sich.

Jim war noch nie jemand, der oft träumte. Jedenfalls konnte er sich nie an seine Träume erinnern, was vielleicht auch daran lag, dass er oftmals zu wenig Schlaf bekam und sein Körper gerade genug Zeit hatte, ihm ein wenig Energie zu beschaffen.

Wegen dieses Umstandes wusste Jim sofort, dass er nur träumte und dass er weiterhin friedlich in seinem Bett lag. Es würde ihm also nichts etwas anhaben können.

Nur leider war Jims Geist ein dunkler Ort. So wusste Jim, dass die Bilder, die an ihm vorbeizogen, nicht echt waren. Das Blut nicht, die Schüsse nicht, die leeren Blicke nicht. Was sie allerdings nicht weniger real erschienen ließ.

Richard hatte ihm früher oft seine Träume erzählt - obwohl Jim das eigentlich nicht interessiert hatte (aber früher war Rich wirklich schwer zum Schweigen zu bringen gewesen). Er hatte immer in Bildern geträumt, war oft nicht er selbst, sondern ein muskelbepackter Ritter oder einmal sogar - was er aus einem Jim unerfindlichen Grund bis heute noch unglaublich witzig fand - ein Troll, der unter einem alten Eiswagen gewohnt hatte.

Wenn Jim träumte, dann sah er die Geschehnisse jedoch nicht wie ein Film vor sich ablaufen. Er wusste, was geschah. Er sah es nur nicht. Die Bilder waren zu flüchtig.

Deshalb wusste Jim, dass er irgendetwas falsch gemacht hatte. Er sah nur nicht, was es war. Er wusste, dass es was mit Sebastian und seinem Bruder zu tun hatte. Und dass es mit ihm selbst zusammenhing und mit Filip. Doch er konnte es nicht deuten. Er sah nichts, außer Blut und zu flüchtige Bilder.

Jim war sich nicht sicher, wieso ihn diese Bilder so beunruhigten. Es war ihm ja eigentlich gar nicht klar, worum es in diesem Traum ging. Aber da war eine Stimme. Sie wollte ausbrechen, wollte, dass jemand half - ihr selbst und Sebastian. Sie flüsterte und schrie zugleich und Jim brauchte einen Moment, um sie zuzuordnen.

Es war seine eigene.

Als er erwachte, war er ruhig. Sein Herz schlug ihm nicht bis zum Hals, er zitterte nicht und er lag einfach ganz bewegungslos da. Er würde sich nicht von Träumen verschrecken lassen. Niemals.

Es kam ihm vor, als hätte er die Augen nur für wenige Sekunden geschlossen, doch als er aus dem Fenster sah, stand der Mond bereits viel höher.

Jim atmete tief durch und versuchte herauszufinden, was das jetzt bedeutete. Er glaubte, dass in seinem Traum jemand gestorben war. Nein, nicht jemand... Sebastian. Sebastian war gestorben. Er war erschossen worden - deshalb das ganze Blut und der Klang von Schüssen. Und Jim hatte ihm nicht helfen können, obwohl er es versucht hatte.

Jim schüttelte langsam den Kopf. Jetzt schlich Sebastian sich schon in seine Träume. So durfte das nicht weitergehen.

Er stützte sich kurz auf, klopfte sein Kissen aus und ließ sich dann zurück hineinsinken. Die Augen schloss er wieder, in der Hoffnung, diesmal ungestört zu schlafen.

How To: Stay AliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt