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Kapitel 6

Er antwortete nicht und ich zog die dunklen Augenbrauen hoch. „Also haben Sie noch vor an einer Überdosis zu sterben?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust.

Wie absurd diese Situation doch war. Sie war so surreal, dass ich nicht anders konnte, als es zu genießen. „Kommst du mich dann im Krankenhaus besuchen?", fragte er. Automatisch verschnellerte sich mein Herzschlag. Es ist ein Jahr her, seit ein Mann mir so nah war und selbst dann hatte es nicht solch eine Wirkung auf mich.

„Ich kann auch paar Wochen warten und direkt zum Friedhof kommen" Ich lächelte ihn an „Danke für das Geld" Damit schien er nicht gerechnet zu haben, den sein Gesichtsausdruck wurde mit einem Mal härter. „Wieso?", hauchte ich.

Es schien mir einfach nicht sinnvoll, dass er mir so viel Geld aus dem Tresor gab. So egoistisch wie er war, passte das nicht zusammen. Er war nach wie vor ein Krimineller, der eine Firma kaltherzig um so viele Tausend Euros ausgeraubt hatte.

Das durfte ich nicht so schnell vergessen. Niemals durfte ich es vergessen. Deshalb ging ich einen Schritt zurück, was er sofort zu Bemerken schien. Diese Distanz hielt ich für nötig, nachdem mir nochmals bewusst wurde, wer vor mir stand. Ich wusste nicht, wer dieser Mann war, geschweige denn,welche Verbrechen er durchgezogen hatte.

„Deine Zukunft", antwortete er kühl. Ich schüttelte den Kopf. „Jetzt tun Sie bloß nicht so, als würde Ihnen das etwas bedeuten. Sie haben die Zukunft von so vielen Mitarbeitern geklaut. Da hat es Sie doch auch einen Dreck interessiert. Wieso also tun Sie das für mich?", zischte ich und bemerkte zum Glück selbst früh genug, dass ich lauter wurde.

„Schrei lauter, so dass es der ganze Laden hört. Am Besten, die ganze Stadt", schimpfte er mit finsterer Miene. Ich hatte ihn wütend gemacht und das war nicht das erste Mal.

Und einen Mann wie diesen sollte man nicht wütend stimmen. Deren Zorn war unberechenbar.

„Du hast Recht. Mierda, wie ich es bereue. Undankbares-" Er schlug gegen die Wand der Umkleide und ich zuckte als Reaktion auf den Knall zusammen. „Dann gebe ich Ihnen das Geld eben zurück", antwortete ich genervt und zuckte so mit den Schultern, als würde es mir überhaupt nichts ausmachen. Doch das würde es.

[ Scheiße ]

„Behalte es", sagte er und ich versuchte meine Erleichterung zu unterdrücken. Mal wieder blickten wir uns direkt in die Augen, ohne etwas zu sagen. Mein Stolz kämpfte gegen seine Dominanz an. Dieser Kampf war verurteilt zum Scheitern.

„Was tun Sie hier noch? Wollen Sie nicht abhauen und Ihr geklautes Geld ausgeben?", provozierte ich den Streit noch mehr und lächelte so süß, wie ich nur konnte.

„Alles gut da drinnen?", erklang plötzlich die Stimme der Verkäuferin. Sofort zuckte ich zusammen und auch der Kopf von ihm schoss in die Richtung. Fragend blickte ich ihn an, doch er schloss nur wütend die Augen. Er verabscheute mich genau so sehr, wie ich ihn.

„Es ist alles gut hier. Ich habe mich nur an der Wand gestoßen" Ich betete, dass die Frau mir die schlechte Ausrede abkaufte. Genau so wie meine Eltern mir die Lüge mit den dreitausend Euros abgekauft hatten.

Ich mutierte zu einer Lügnerin. Und das alles, wegen ihm. Nur wegen ihm. Ich hasste diese Veränderung. So war ich nicht. Das war ich nicht. Und ich würde es auch niemals sein. Ich würde niemals so sein, wie er. So kaltherzig und niederschmetternd boshaft.

Die Frau ging fort, woraufhin ich erleichtert ausatmete und mir müde über das Gesicht fuhr. Alles raubte mir die letzten Nerven. Alles. Aber am meisten war er es, der mich herausforderte.

GANGSTER OF THE STREETSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt