3 What's going on in that beautiful mind?

973 47 49
                                    

Sechste Stunde Bio!

Derek saß ganz hinten in der Klasse und das war auch kein Zufall. Dies war der Platz, an dem er von Mr. Harris, ihrem Lehrer und vom Unterrichtsgeschehen relativ ungestört seinen Gedanken nachhängen konnte und die hatten zugegebenermaßen selten etwas mit der Schule zu tun.

Nein, Derek stand wirklich nicht im Verdacht, ein Intellektueller Überflieger zu sein.

Andererseits war er wohl auch schlauer, als man ihm allgemein zutraute, denn er hatte das Ganze sehr genau durchdacht und durchschaut. Er war ein Sport-As. Das war ein immer schon gewesen und dann hatte er im Sophomore-Jahr noch einmal diesen Wachstumsschub gemacht und nun in der Junior-Class war er der Star seiner Schule. Das Basketballteam der Beacon Hills High bestand praktisch nur aus ihm. Vor den Spielen gab ihnen der Trainer nur eine einzige Spielanweisung und die lautete 'Spielt zu Derek!'.

Man machte sich in Dereks Position vielleicht nicht immer nur Freunde, aber mit Sicherheit hatte man den Respekt der Anderen!

Und darum hatte Derek es auch überhaupt nicht nötig, sich in der Schule anzustrengen. Die Lehrer ließen ihn nicht durchfallen, ganz gleich, wie schwach seine Leistungen waren, denn da waren immerhin die ganzen Sponsoren!

Und über die Zukunft musste Derek sich auch keine Sorgen machen, denn die besten Colleges des Landes hatten ihm bereits Sportstipendien angeboten.

Stiles dagegen saß in jeder Klasse, die sie gemeinsam hatten stets ganz vorn. Er meldete sich ständig und wusste fast immer die richtigen Antworten.

Im Sport hingegen war er eine ziemliche Null, genauso wie sein Freund Scott, der wie immer in der Bank neben im saß. Die beiden spielten Lacrosse, eine selten dämliche Sportart und obendrein waren die Zwei darin auch noch wirklich mies. Stiles röchelte, er japste, er stolperte über seine eigenen Füße, machte auf dem Spielfeld eine noch schlechtere Figur, als sein asthmatischer Kumpel und bei jedem Spiel der Saison wärmte er mit schöner Regelmäßigkeit mit seinem kleinen Hintern die Bank.

Es gab beim besten Willen keinen vernünftigen Grund, sich dieses Trauerspiel anzuschauen!

Und doch blieb Derek nach jedem Basketballspiel eine Weile am Rand des Lacrossefelds stehen und schaute.

Und er lächelte!

Und auch jetzt, wo Harris vor der Klasse stand und den Unterschied zwischen Mitose und Meiose erklärte, hatte Derek nichts besseres zu tun, als auf Stiles kurzgeschorenen Hinterkopf zu starren und sich zu fragen, was in dessen Verstand wohl gerade vorgehen mochte.

Derek liebte Stiles, doch das tat er ganz leise.

Niemand durfte jemals etwas über seine Gefühle erfahren, schon gar nicht seine Clique. Das wäre das Ende der Welt!

Danny Mahealani, Ethan Steiner, Brett Talbot und Jackson Whittemore, das waren seine Jungs; große, athletische, maskuline und sehr, sehr heterosexuelle Kerle. Und Derek war ihr Anführer.

Typen wie sie waren einfach nicht schwul!

Schwule, das waren so kleine, schmalbrüstige Nerds wie Corey und Mason aus der Unterstufe, die ständig Hand in Hand durch die Gänge liefen. Kein Wunder, dass ihr Schultag oft damit endete, dass man sie als Schwuchteln beschimpfte, ihre Schulrucksäcke am Fahnenmast aufhängte, oder ihnen sonst irgendeine Gemeinheit tat.

Derek tat so etwas nicht. Nein, er war kein Mobber.

Er unternahm allerdings auch nichts dagegen, wenn Jackson so etwas machte, obwohl es ein Leichtes für ihn gewesen wäre, doch die Angst war zu groß, dass sein Geheimnis dadurch auch irgendwann auffliegen könnte.

Und diese Angst war auch der Grund, warum Derek eine Freundin nach der anderen hatte; die süße Paige, die feurige Erica, die gerissene Kate, die unnahbare Braeden und im vorigen Jahr sogar die schüchterne Referendarin Jennifer Blake, die ein paar Monate lang ihre Klasse unterrichtet hatte.

Derek hatte sich einen gewissen Ruf erworben, was nur noch mehr zu seiner Legende beitrug.

Mit ihm selbst, mit seinem wahren Kern hatte das alles herzlich wenig zu tun, aber das musste ja keiner wissen.

Und nun saß Derek hier im Biologieunterricht und starrte Stiles Stilinski an, welcher vergeblich versuchte, die Aufmerksamkeit von Mr. Harris zu erlangen, welcher von diesem aber ignoriert wurde, weil der den nervösen, blassen Jungen nämlich aus tiefster Seele zu hassen schien.

Derek nahm an, dass es sich hierbei wohl um eine Art Übertragung handeln musste. Der Lehrer erkannte sich offenbar in seinem Schüler wieder und verabscheute was er sah.

Derek, der Starathlet selbst hingegen, wurde von Harris beinahe schon hofiert. Dieser komische Nerd rannte tatsächlich immer noch hinter der Anerkennung der coolen Kids her, dabei war er längst jenseits der dreißig.

Es war grotesk und erbärmlich!

Stiles tat das nicht. Ihm schien es total egal zu sein, wie die beliebten Schüler ihn sahen und dass er selbst ein ziemlicher Außenseiter war. Stiles machte was er wollte und es mangelte ihm dabei wirklich nicht an Selbstvertrauen, auch wenn es Derek ein Rätsel war, woher er dies eigentlich nahm?

Stiles hatte eine wahnsinnig große Klappe und immer einen sarkastischen Spruch auf den Lippen.

Er watschelte über den Schulhof, als würde er ihm gehören und wenn er dabei wieder einmal ungeschickt auf die Nase fiel, dann stand er eben einfach wieder auf!

Neulich war Stiles in so einem komischen, grauen Sakko in die Schule gekommen. Welcher Siebzehnjährige trug schon freiwillig so ein komisches Ding? Doch Stiles war das offensichtlich ziemlich Wurst gewesen. Er hatte das scheußliche Ding mit Würde und Selbstsicherheit getragen!

Zumindest bis Jackson und Ethan vorbeikamen, denn dann hatten diese ihm die Jacke nämlich abgenommen, sie eine Weile hin- und hergeworfen und Stiles danach jagen lassen, bis sie sich schließlich dazu entschlossen hatten, das Kleidungsstück im Jungsklo zu versenken.

Genau in diesem Augenblick war Derek hinzu gekommen. Und er hatte er endlich einmal den Arsch in der Hose gehabt einzuschreiten:

"Lasst gut sein, Jungs!" hatte er gesagt, Jackson die Jacke aus der Hand genommen und sie Stiles überreicht.

Sowohl diesem, als auch Dereks Freunden war in diesem Moment die Kinnlade heruntergefallen. Stiles hatte sich dann aber schnell wieder gefasst, einen finsteren Blick aufgesetzt, sich mit einem zackigen Nicken bei Derek bedankt und hatte Jackson im Hinausgehen angerempelt.

Derek hatte daraufhin alle Mühe gehabt, seinen Freund davon abzuhalten Stiles dafür gründlich den Arsch aufzureißen.

Und heimlich wäre Derek in diesem Augenblick beinahe das Herz aus der Brust gesprungen, so sehr liebte und bewunderte er diesen kleinen, leichtsinnigen, sich selbst überschätzenden, tapferen Mistkerl in diesem Moment. Stiles musste immerhin klar gewesen sein, dass er sich von Jackson dafür ganz leicht heftige Prügel hätte einfangen können, doch er pfiff darauf, weil es ihm offenbar wichtiger war, seine Würde zu bewahren?

Nachts lag Derek oft wach und dachte daran, Stiles zu küssen.

Bestimmt war Stiles noch ungeküsst?

Bestimmt waren diese schönen, geschwungenen, zart rosafarbenen Lippen köstlich?

Allein davon zu träumen brachte Derek beinahe um den Verstand.

Gerade kritzelte Derek eine Zeichnung dieser Lippen hinten in sein Bioheft, dann eine weitere von diesen großen, hellbraunen Augen, die unter einem Schatten dichter Wimpern lagen und dann noch eine von den kräftigen Händen, die einander gegenseitig nervös kneteten, weil Stiles wütend darüber war, dass Harris ihn ignorierte und weil er dies dank seines ADHS nicht gut verbergen konnte.

Oh ja, Derek liebte diesen Jungen, liebte ihn wider alle Vernunft und ohne selbst auch nur die geringste Ahnung zu haben wieso. Er liebte ihn, obwohl sie auf unterschiedlichen Planeten lebten, obwohl aus dieser Sache höchstwahrscheinlich niemals etwas werden würde und obwohl es ihn wahrscheinlich alles kosten würde, was er hatte, wenn doch.

Er liebte diesen Verstand, diesen Witz, diese Unerschrockenheit und diese Unvernunft.

Aber er tat es ganz leise und von der letzten Reihe aus!

All of meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt