"Herzlichen Glückwunsch", witzelte ein hagerer Mann mit schwarzer Maske, die die obere Hälfte seines Gesichtes bedeckte, während er den Glaskasten öffnete und anfing, meine Fesseln zu lösen.
Obwohl ich verstand, was er sagte, wollten die Worte nicht bis zu meinem Gehirn vordringen. Man hatte mir irgendetwas gespritzt, ein starkes Beruhigungsmittel, mutmaßte ich, was meinen Geist und mein Reaktionsvermögen lähmte.
Ich befand mich in einem hell erleuchteten Raum mit weißen, kahlen Wänden. Zu meiner rechten waren in einer Nische Büromöbel mit Computern aufgestellt, an denen zwei ebenfalls maskierte Männer eine Anzeige auf einem Monitor verfolgten. Auch wenn mir bewusst war, dass ich schon einmal hier gewesen sein musste, kam mir nichts davon auch nur im Geringsten bekannt vor. Meine letzte wirklich klare Erinnerung war der Abend mit Emilia und wie ich danach nachts nach Hause gelaufen war. Angestrengt versuchte ich mich an das Geschehen danach zu erinnern, doch mein Kopf dröhnte so sehr, dass ich schmerzverzehrt das Gesicht verzog. Ich war so benebelt, dass ich alles um mich herum nur schemenhaft wahrnahm.
Als ich von dem kleinen Podest gezogen und meine Handgelenke sofort in neue Fesseln gelegt wurden, hatte ich das Gefühl, mich nicht durch Luft, sondern durch eine dicke, zähe Masse zu bewegen. Einen Moment lang war ich mir nicht einmal mehr sicher, ob ich mich wirklich in meinem eigenen Körper befand, so steif und fremd fühlte er sich an.
Was ist das für ein Alptraum?
Mechanisch kniff ich die Augen zusammen, als mich der fremde Mann durch eine Tür in einen kleineren, ebenso fensterlosen Raum zerrte. Verschwommen nahm ich die mit goldenen Mustern verzierten Kleiderschränke und eine Kommode, auf der sich eine Bürste und Make-Up befand, war. Auf einem weißen Teppich in der Mitte befand sich ein dunkelblauer Sessel, auf dem goldene Verzierungen eingestickt waren, die denen auf den anderen Möbelstücken ähnelten. Das Zimmer erinnerte mich an einen Ankleideraum.
Der maskierte Mann schob mich unsanft auf den Sessel. Meine Hände krallten sich in die weiche Polsterung, als ich mich behäbig abstützte. Ich blinzelte heftig, um den Schleier vor meinen Augen loszuwerden, doch er ließ sich nicht abschütteln.
"Bleib hier", zischte der Fremde mit erhobenem Zeigefinger, während er sich zum Gehen wandte.
"W-Was willst du von mir? Warum bin ich hier?", fragte ich mit zittriger Stimme.
Noch immer hatte ich nichts begriffen. Vielleicht wollte ich es auch einfach nicht. Vielleicht suchte mein Verstand noch immer verzweifelt nach einer Erklärung, die nichts mit einer Entführung zu tun hatte.
"Ich?", lachte er leise mit kalter Stimme. "Ich bin nicht von Bedeutung." Ohne mir weitere Antworten zu geben, drehte er sich um und verließ den Raum.
Ich starrte auf die schwarze Tür, die hinter ihm knarzend ins Schloss fiel. Ohne das helle Licht des angrenzenden Raumes, das gerade eben noch das Zimmer erhellt hatte, engte mich die plötzliche Dunkelheit schlagartig ein. Mein Atem ging unregelmäßig und obwohl ich nichts sehen konnte, hatte ich das Gefühl, dass die Wände immer näher und näher rückten. Meine Hände zitterten und meine Instinkte schrien mir zu, zu fliehen, doch meine Glieder wollten mir einfach nicht gehorchen. Der Nebel, der zuvor noch meinen Geist umgeben hatte, war verschwunden, stattdessen war nun eine lähmende Angst wie eine zweite Haut über meinen halbnackten Körper gekrochen.
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Gold für eine Jungfrau
ChickLitIn einer kühlten Oktobernacht gerät Chloés Leben völlig aus den Fugen. Von Menschenhändlern entfürt, wird sie in der Unterwelt auf einer Auktion an den Meistbietenden verkauft. Da Chloé eine Jungfrau ist, überschlagen sich die Angebote nach ihr. Doc...