vierundzwanzig

154 3 2
                                    

baby don't hurt me


Ende Juni 2018

Heute ist der erste Ferientag, aber nicht nur das. Heute ist Montag, Zahltag. Seit heute Morgen stehe ich mit Handy vor meinem Fenster und beobachte draußen alles. Ich kann seit meiner Ankunft Zuhause an nichts anderes mehr denken, als an den anonymen Anrufer und der indirekten Drohung.

Mittlerweile haben wir exakt 14:03 Uhr und noch immer halte ich mich bereit, jeden Moment eine Nachricht zu erhalten. Plötzlich erreicht mich eine Nachricht von einer unbekannten Nummer.

Das Geld ist da.

Eilig öffne ich die Nachricht, um somit die Nummer vom Absender anzurufen. Ein erstes Tuten erklingt, ein zweites Tuten erklingt und dann stille. Hat jemand abgehoben? ,,Hallo?" Plötzlich ertönt ein Piepen, so laut, dass ich denke, dass ich taub werde und dann herrscht wieder Stille.

,,Die Nummer die sie gewählt haben, ist  nicht verfügbar."

,,UGHH..." schreie ich laut auf und werfe mein Handy auf mein Bett. Das kann es doch nicht sein? Wie zur Hölle sollte er denn binnen fünf Tage 20.000€ bekommen?" Wodurch wohl.... Cindy! Sei ruhig wenn Erwachsene reden!
Erneut fängt mein Handy an zu klingeln, mit der Hoffnung es sei der Anonyme Mann, schaue ich nicht nach wer angerufen hat, sondern gehe einfach dran. ,,Jasmin? Amir - er hat Scheiße gebaut. Kannst du bitte kommen?" höre ich Dennis' Stimme. Hat er etwa geweint? Sofort sammeln sich meine Tränen. ,,Wohin soll ich kommen?" antworte ich kaum hörbar, damit der den Bruch in meiner Stimme nicht hören kann. ,,Marien Krankenhaus- Intensivstation." Sofort lege ich auf und schaue kurz stumm aus dem Fenster. Plötzlich, wie vom Blitz getroffen, renne ich schon fast mit meinem schweren Gips zu meinem Kleiderschrank um mir einfach einen Pullover rauszunehmen und um somit gleichzeitig Zeit zu gewinnen, bei der ich nach einer Ausrede suche. Du musst zu Juli, weil sie Liebeskummer hat und auf dem Weg zum Krankenhaus schreibst du ihr, das sie dein Alibi ist. Wow, zum ersten Mal sagt Cindy. Nickend schnappe ich mir meine Krücken und laufe somit ins Wohnzimmer, woraufhin ich meine Mutter erst einmal ziemlich bearbeiten muss, bis sie mich gehen lässt und nun sprinte ich.

Atemlos stehe ich nun mit zittrigen Beinen, naja einem zittrigen Bein vor dem Krankenhaus und habe Angst. Angst vor dem was sich mit Amir abgespielt hat. Seufzend betrete ich das Gebäude und bekomme Zeitgleich eine Nachricht von Dennis.

Zimmer 2404.3

Wo ist das denn bitte? Na da auf der Intensivstation. Murrend begebe ich mich nun zum Aufzug und versuche mit irgendwelche Sätze zusammenstellen zu können, die begründen würden, weshalb ich hier bin. Hier, bei ihm.
Doch nichts dergleichen kann ich tun. Das einzige woran ich denken kann, ist ihn in den Arm zu nehmen und ihm zu sagen, dass alles gut wird. Und dass obwohl ich noch nicht einmal weiß, was passiert ist und ob es jemals überhaupt wieder gut werden kann...
Ein letztes Mal atme ich tief ein und öffne die Tür. Erschreckend lasse ich meine Krücken fallen und blicke auf das Krankenbett. Er ist übel zugerichtet. Seine Lippe ist geplatzt, sein rechtes Auge unglaublich angeschwollen. Seine Fäuste sind blutverschmiert und eine Halskrause hat er auch. Niemand ist hier, er ist alleine und scheinbar schläft er. Stumm setze ich mich auf den Stuhl neben seinem Bett mit Blick nach draußen und sehe erst jetzt den Regenschauer. So sehe ich innerlich auch aus... Langsam komme ich ihm näher, würde alles auf der Welt tun, um seine Haut anfassen zu dürfen. Ich tue es nicht, aus Angst, sie würde wie ein Porzellanglas in tausende Splitter zerfallen.
Plötzlich geht die Tür auf, Luana ist da und zwei andere - und die zwei Personen sehen aus wie Amir's Eltern.
Erschrocken schaut Luana mich an, ist es etwa schlimm, dass sie mich gesehen haben? Stell dir vor, deine Eltern würden es erfahren... Schluckend blicke ich zur Tür und stehe von meinem Platz auf, woraufhin Amir's unglaublich hübsche Mutter weinend auf mich zu kommt und mich in den Arm nimmt. ,,Ich bin so froh, dass du auch hier bei ihm bist mein Kind." stumm erwidere ich die Umarmung und bin einfach erstaunt.
Lächelnd biete ich ihr nun meinen Sitzplatz an, welchen sie widerstandslos annimmt. Okay, puh eine Hürde überwältigt. Ängstlich schaue ich den Vater an, welcher mich kritisch beäugt. ,,Bist du nicht die Tochter von Abudee?" Mit geweiteten Augen sehe ich ihn an, mein Herz bleibt stehen. Das war's! Mein Leben ist nun offiziell vorbei, woher kennt er meinen Vater? ,,Ja." antworte ich kleinlaut und schaue beschämt auf den Boden. ,,Ist er auch hier irgendwo?" ,,tz Baba.." warnt Luana ihn und zieht ihn etwas zu sich, woraufhin er mich schmunzelnd ansieht und die Arme öffnet. ,,Ach komm her Jasmin.." langsam tapse ich zu ihm hin und mustere ihn. Amir sieht ihm gar nicht ähnlich... Er hat blaue Augen und sieht einfach komplett anders aus... Seiner Mutter hingegen ist er aus dem Gesicht geschnitten, das einzige was er doch von seinem Vater hat, ist die Körpergröße. Außerdem trägt sie Kopftuch, wie meine Mama. ,,Das war nur ein Witz, ich kann mir vorstellen, dass du illegal hier bist. Nâ terz tmam kîza mîn?" (Hab keine Angst mein Mädchen, okay?) Noch geschockter als zuvor schaue ich ihn an. Amir's Vater ist Kurde!? Oh mein Gott! Wieso hat dieser Idiot nichts gesagt? ,,Er kann nur gebrochen kurdisch und deshalb..." Sagt der Vater abwinkend zu mir. Sofort tue ich so, als hätte mich ein Anruf erreicht, weshalb ich sofort los müsste. Zackig schnappe ich mir meine Krücken und würde einfach nur am liebsten aus dieses verfluchte Krankenhaus wegrennen. Aufkommenden Tränen, die aufgrund der Sorgen für Amir kommen, wische ich schnell weg, da ich gerade einfach nicht daran denken kann. Das einzige worauf meine Gedanken nun fokussieren kann, ist die Panik davor, was passieren würde, wenn Amir's Vater sich verplappern würde. Inshallah, inshaaaallah wird dies nicht der Fall sein. Was würde es bringen, wenn ich geköpft in der Ecke liege oder nach Afrika geschickt werde? Amir's und meine Liebesgeschichte fängt gerade doch erst neu an.

__________________________________

✼✾

Dieses Kapitel wird meiner wundervollen Freundin Hana gewidmet!   Du bist ein Mensch mit einem einzigartigen Charakter, verstell dich bloß für niemanden und bleib immer dir selbst treu! In diesem Sinne noch mal Happy Happy Birthday!!! Love you! xox!!!

✼✾

HerzblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt