fünfundzwanzig

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eine Rose mit zahlreichen Dornen


Anfang Juli 2018

Die zweite Ferienwoche ist mittlerweile auch schon zu Ende. Ich habe nachher einen Termin beim Orthopäden und morgen fliegen wir anschließend nach Istanbul, worauf ich mich schon sehr freue. Jibril, Reza und Miran sind 'rein zufällig' auch da, was meine Eltern nicht wissen. Juli ist in Frankreich und sonst gibt es nichts, wovon ich berichten kann. Was ist mit Amir?
Das... Das kann man gar nicht so leicht sagen. Nachdem ich ihn besucht habe, habe ich erst einmal einige Tage weder von ihm, noch was von Dennis gehört. Selbstverständlich besuchte ich ihn kein zweites mal, so schwer es mir und meinem Herzen auch fiel. Vor einigen Tagen las ich dann in den Nachrichten, dass ein Drogenboss aus NRW der schon länger der Polizei auffällig gefasst wurde und dass einem seiner Handlanger, Amir einer Anklage bevorsteht. Erneut. Muss ich noch etwas dazu sagen? Dennis' habe ich dann den Link zu diesem Artikel geschickt, woraufhin er mir nur sagte, dass Amir bloß wieder mit dem dealen anfing um seine Schulden bei den Typen zu bezahlen und dass diese Typen ihn so zugerichtet haben. Der Grund dafür war angeblich, dass Amir ihnen drohte, ihr Leben zur Hölle zu machen, wenn sie mich nicht in Ruhe lassen würde.
Wer das glaubt, wird selig. Jedoch kann ich ihm gegenüber noch immer keinen Hass verspüren. Egal wie sehr ich es versuche, fühle ich nichts anderes.

Müde sitze ich mit meinen Eltern und Soraya am Flughafen in Köln und warte darauf, dass jeden Moment das Boarding beginnt. Wir haben im Moment drei Uhr morgens und in einer Dreiviertelstunde geht unser Flug.

Ein erneuter Zeitsprung. Mittlerweile sind wir im Hotel angekommen und haben halb neun. Ich war eben duschen und warte nun auf Soraya, damit wir die Umgebung des Hotels abchecken können. Eventuell sieht man Jibril oder Reza? Nicht, dass Reza und ich derartiges geplant hätten oder so.. Das würden wir niemals machen.
Kichernd stehe ich auf und schreibe meiner Mami, dass wir die Gegend erkunden und so beginnt der Sommer für mich. Ohne Krücken. Ohne eine Schiene. Ohne Amir. Aber humpelnd und- und einem verletzten Herzen.

,,Wieso hast du mir nicht gesagt, dass es draußen so heiß ist?" meckere ich meine Schwester zum tausendsten Mal an und ziehe an meiner Hose, damit sie nicht klebt, was jedoch eine Sekunde später wieder passiert. ,,Wieso willst du jetzt in diese Gasse rein?" fragt meine Schwester mich angewidert, woraufhin ich schelmisch grinsend mit den Schultern zucke. ,,Jasmin, sieh mal!" deutet meine Schwester nun auf die vier Jungs, die vor einem Kiosk stehen.
Nein, es ist nicht so wie geplant! Wieso sind sie zu viert? Wer ist der vierte bei ihnen? Du weißt genau er es ist... Es soll aber nicht wahr sein! Amir ist hier. Hier in Istanbul. Amir ist hier, hier bei mir. Hier bei uns. Allah!
Okay, puh alles wird gut. Falsch lächele ich meine Schwester an und nicke ihr zu ,,Ja! Da ist Miran mit Reza!" Soraya kennt Reza, da sich mich öfters gedeckt hat, so dass ich mich mit ihm treffen konnte. ,,Merhabaaaa!!" ruft meine Schwester laut, woraufhin sich Miran direkt zu uns dreht und in ihre Arme springt. ,,Merhabteeeen!!" schrie er dabei ganz euphorisch. Lächelnd betrachte ich die beiden, doch sofort erlischt dieses Lächelnd meinerseits, als ich merke, dass zwei Augen mich fassungslos fokussieren. Tja er hat wohl auch sein blaues Wunder erlebt und dass wortwörtlich. Die Schwellung seines linken Auges ist zwar zurückgegangen, doch noch immer ist ein blau lila Schimmer zu erkennen, ein Bluterguss auf seinem Augenlid. Seine Lippen sind noch immer trocken und seine Fäuste sind voller Blutkrusten. Wehleidig sieht er mich an und beißt sich auf seine Lippen. Tut ihm das nicht weh?
Schnell schaue ich weg und versuche, mich nicht von ihm zu beirren zu lassen. Doch erneut trifft sein Blick meinen, er checkt mich ab und sein Blick bleibt bei meiner Hose hängen. Ist etwas falsch damit? Hab ich meine Tage bekommen? Das hätte ich doch gemerkt! Ich hab doch eine weiße Jeans an, dann würde es ja jeder sehen können. Schmunzelnd steht er da und verschränkt seine Arme.

,,Jasmiiin.." wissend stößt meine Schwester leicht ihren Ellbogen in meinen Bauch. ,,Er ist es, oder?" flüstert sie mir leise ins Ohr, woraufhin ich sie völlig perplex anschaue und wie von selbst mit dem Kopf nicke. Glücklich lächelt sie mich an und deutet mir hin, dass ich zu ihm gehen soll. ,,Mán inhará mebarám.." (Ich bring die weg) ruft sie mir auf persisch hinter her, doch ich habe nur noch Augen für ihn. Zu erst gehe ich mit kleinen Schritten, ganz langsam- doch dann hat mein Herz die Oberhand und ich werde nur etwas schneller. Wie in einem schlechten Hollywood Film fing es an zu regnen und ich stürzte mich direkt in seine Arme, die er mir schon offen hielt. Für diesen einen Moment gibt es nur noch ihn und mich, kein Drama, keine Probleme, rein gar nichts. Grinsend löse ich mich. ,,Danke" flüstert er und drückt seine Stirn auf meine, wofür er sich etwas bücken muss. Stumm laufen wir an den ganzen türkischen Gemüseladen in den Gassen vorbei, ehe er die Stille durchbricht. ,,Ich stehe einer Anklage bevor." Emotionslos sehe ich ihn an, ,,Wie kamst du zu dem Geld?" Er bleibt stehen und kratzt sich am Kopf. ,,Ich erzähl dir alles, aber Jasmin." er stoppt um meine Hände in seine zu nehmen und es an sein Herz hält. ,,Bitte, egal was kommt. Verlass mich nicht. Niemals. Das würde ich nicht überstehen." Nickend schaue ich auf den Boden. ,,Nein Jasmin, versprich mir das.", ernst sieht er mich an. ,,Versprich mir, dass sobald du die gesamte Geschichte gehört hast, dass du dann nicht vor Schreck weg rennst, mich verlässt oder dann Angst vor mir hast. Versprich, immer an meiner Seite zu bleiben. Selbst wenn die restliche Welt sich gegen uns wendet. Kannst du das?"

Schweigend sitzen wir auf einer etwas versteckten Bank und ich warte gespannt auf Amir's Geständnis. ,,Lukas war einst mein Boss, doch nun ist er im Gefängnis und ihm drohen viele Jahre Haft." ,,Was für ein Boss?" frage ich kleinlaut. ,,Er hat mir Stoff gegeben, den ich dann für ihn verkaufen sollte und habe dann 40% des gesamten Geldes bekommen.Bis hier hin ist alles noch relativ normal und ungefährlich gewesen. Aber Lukas hat als Drogenboss selbstverständlich auch Konkurrenz, also auch Feinde, die aber weitaus mehr als mit illegalen Substanzen dealen." ,,Was tun sie denn?" frage ich vorsichtig. ,,Sie sind Auftragsmörder, Räuber, sie dealen mit Waffen und etc. Das gesamte Paket." ,,Und was ist dann passiert?" ,,Sie wussten, dass unser Geschäft gut lief und auch, dass ich seine rechte Hand war. Und um Lukas auszuschalten war nichts anderes nötig, als mich hinter Gitter zu bringen. So wurde mir der Mord geworfen und ich wurde aus meinem Leben gerissen." Schuldig schaut er in die Ferne, vorsichtig nehme ich seine Hand und fahre mit meinem Daumen sanft über seine verletzten Hand Knöchel. ,,Mein Anwalt gab sein bestes und konnte mich raus boxen und auch den richtigen Mörder verhaften lassen, sodass das Mädchen in Ruhe und Frieden beerdigt werden konnte." ,,Wie alt war das Mädchen denn?" Mit geröteten Augen sieht er mich an. ,,Sie war fünf, die kleine Schwester von Alina.." ,,Wer ist Alina?" ,,Sie war die beste Freundin von Amina.Und diese Feinde verlangten 20.000€, wenn ich diese nicht bezahlt hätte, hätten sie ohne mit der Wimper zu zucken meinem Neffen etwas angetan. Deshalb musste ich erneut mit dem Dealen anfangen." Mit halbem Ohr höre ich ihm zu, wer ist Amina? welcher Neffe? ,,Nimmst du Drogen?" ,,Nein." ,,Wissen dass deine Eltern?" ,,Könnte ich sonst hier sein?" ,,Weshalb wirst du angeklagt? ,,Verdacht auf Besitz von illegalen Substanzen." ,,Haben die etwas gegen dich in der Hand?" ,,Nein.. Ich werde aus dieser Sache rauskommen.. Ich werde das nicht mehr tun. Ich höre auf damit." ,,Amir, wer ist Amina?" ,,Sie war meine kleine Schwester."

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HerzblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt