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Ich war jetzt schon ungefähr drei Monate aus der Einrichtung raus, das Leben hier draußen war irgendwie anders als ich es erwartet hatte. Hier waren so viel mehr Menschen, es gab mehr Möglichkeiten aber eben auch mehr Risikos. Ich lebte noch in der WG in der ich ganz zu Anfang gekommen war.

Es war ziemlich ungewohnt gewesen plötzlich von allen mit dem Namen angesprochen zu werden, nicht nur mehr von Taddl.

Taddl... ihn hatte ich seit genau diesen Monaten nicht mehr gesehen.

Es war mittlerweile Anfang Oktober und die Tage wurden auch kühler, was irgendwie zu meiner Stimmung passte, auch wenn die Sonne mal nicht schien und ein grauer Tag vor uns stand, beschrieb das alles meine Stimmung nahezu perfekt. Ich steckte in diesem Loch und wusste mir nicht zu helfen.

Jedoch musste ich das ganze etwas kaschieren, also ging ich jeden Tag raus und versuchte mich abzulenken. Spazierte viel umher und entdeckte viele neue Orte an denen ich oft Zeit verbrachte.

Auch das Rauchen hatte ich angefangen, naja es war ein Kanalisator, welcher mich davon abhielt komplett am Rad zu drehen.  Es war nicht gut für mich, das wusste ich aber es beruhigte mich nun mal auf so vielen verschiedenen Ebenen.

Gerade saß ich in meinem Zimmer und starrte nur aus dem Fenster mal wieder stellte ich mir vor, der blauharige der mir mein verdammtes Herz gestohlen hatte würde jeden Moment in mein Zimmer kommen und alles wäre wieder gut.

Ich hoffte so sehr darauf, dass mir selbst mein Kopf streiche spielte. Denn kurz glaubte ich einen blauen Haarschopf unten zwischen den Leuten gesehen zu haben. So schnell wie dieser Moment da war so schnell war er wieder fort. Doch es brannte noch ewig in meinem Herzen, ihn nicht mehr sehen zu können.

Als es klopfte und ich aus meinen Gedanken gerissen wurde, zuckte ich kurz zusammen und wenn ich nicht gesessen wäre, wäre ich vermutlich zur Seite gesprungen.

„Ja?" fragte ich an die Tür gewandt und blickte sie fragend an.

Die Türe ging auf und ein braunhaariger Junge, nicht gerade groß blickte mich leicht lächelnd an.
„Simon, ich wollte noch in die Stadt gehen und dachte vielleicht willst du mit weil du ja alleine nicht so gerne in die Stadt gehst" stellte er eine halbe Frage und ich nickte langsam.

„Klingt nach einer Idee, dann komm ich hier raus" ich nickte ihm zu.

„Ich komm gleich" fügte ich dann an und stand von meinem Platz auf.

„Kein Problem ich warte draußen auf dich" er lächelte mich warm an und verließ mein Zimmer.

Schwerfällig raffte ich mich auf und begann mir was anderes anzuziehen. Tauschte die Jogginghose gegen eine schwarze löchrige Jeans. Meinen Pulli wechselte ich nicht, er war etwas, dass Taddl mir geschenkt hatte an dem Tag an dem ich ging, hatte er ihn durch den Pulli der Anstalt ausgetauscht und ihn mir gegeben.

Auch wenn er nicht mehr nach ihm roch, erinnerte er mich so sehr an ihn und dieser Pulli war etwas den ich für nichts her geben würde.

Ich verließ das Zimmer es war immer noch ungewohnt, dass er Boden unter den Füßen wärmer war als in der Anstalt und überhaupt das es wärmer war.

„Ardy?" fragte ich den braunhaarigen an der Tür zögernd.

„Ja?" er blickte mich fragend an, seine grün-blauen Augen strahlten dabei eine Wärme aus die ich nicht erfassen konnte.

„Denkst du... ich sehe ihn irgendwann wieder?" stellte ich langsam die Frage und Ardy nickte.

„Bestimmt, so wie du es erzählt hast, hatte es für ihn eine wichtige Bedeutung, genauso wie für dich. Er hat schließlich viele Risiken auf sich genommen. Für dich" er lächelte und ich nickte langsam.

Mein Hoffnung ihn zu sehen, war ziemlich gering und schwand mit jedem Tag den ich hier war mehr und ich fühlte mich immer leerer und kälter als den Tag zuvor.

Die Erinnerung an ihn war schön aber hatte sie auch einen bitteren Beigeschmack auf der Zunge.

Ich erinnerte mich an jedes kleine Detail von ihm. Seine Haare, seine Augen, welchen Schimmer sie zu pflegen hatten, seine beinahe unzähligen Tattoos die mich jedesmal auf's Neue fasziniert und gefesselt hatten, seine weiche Haut, das prickeln das er in mir auslöste, seine Lippen, sein leicht schiefes Kinn und dieses Lächeln. Er hing in meinem Kopf und in meinem Herzen und dort ging er nicht mehr weg und ich wollte es auch nicht. Ich wollte ihn nicht aus meiner Erinnerung streichen. Auch wenn ich seit über drei Monaten vergeblich gewartet und gesucht hatte.

Er hatte mein Herz bei sich und ich wusste nicht wie viel er von mir noch bei sich trug. Ich wusste nicht ob ich überhaupt noch relevant für ihn war. Zeit vergeht nun mal schnell und vielleicht hatte er ja inzwischen jemand Neues der ihm gefiel oder die ihm gefiel. Ich wusste es schließlich nicht.

Aber ich wollte ihn auch nach dieser Zeit nicht aufgeben, auch wenn es vergeblich schien, für mich war alleine schon die Erinnerung an ihn jedes Mal ein Stich und dennoch wollte ich ihn nicht gehen lassen.

Vielleicht hing es mit dem herannahenden Winter zusammen aber das wusste ich natürlich nicht. In der Anstalt hatte ich nie ein Gefühl von Zeit oder derartiges gehabt, entweder hatte ich einen Termin bei meinem Arzt oder ich schlief.

Zeit hatte dort keinen Stellenwert gehabt, Zeit war dort relativ, es war völlig irrelevant wann man schlief oder sonst was, Hauptsache man brachte sich nicht um. Zeit war denen egal, sie hatten ihre Abläufe, wie unsere Tage aussahen war ihnen egal. Solange man sich konform verhielt, war alles im Loht.

Ich verwischte meine Gedanken halb und schlüpfte in meine Schuhe, anschließend zog ich mir eine Jacke über, da es doch „recht frisch" draußen sein sollte, wie Ardy mir mitgeteilt hatte.

„Können los" murmelte ich, damit verließ Ardy die WG und ich folgte ihm stumm die Treppe runter, unsere Schritte halten durch den leeren Flur des Hauses, hier war es frischer als eben in meinem Zimmer, während er mir erzählte was er brauchte und was er noch wollte und wie lange er sich die Hilfe hier noch gab bevor er gehen würde. Ich hörte nur halb zu. Viel zu interessant waren meine Gedanken und mein Blick haftete am Boden.

Sodass ich als wir auf die Straße traten, den blau Haarigen jungen Mann nicht um eine Ecke verschwinden sah. Nicht einmal Ardy hatte ihn gesehen so vertieft war er in seine Erzählung die langsam in den Vordergrund meiner Sinne führte und meine Gedanken hinter sich ließ.

Times Change|| Taddl x Wavvyboi FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt