Kapitel 13

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Liebe Mira,

wie überlebe ich dieses vermissen? Wie machen andere das? Immerzu sterben Leute. Jeden Tag. Jede Stunde. Überall auf der Welt gibt es Familien die auf leere Betten starren, in denen nie wieder geschlafen wird, Schuhe, die nicht mehr getragen werden. Familien, die bestimmte Essensmarken oder Shampoo nicht mehr kaufen müssen. Überall gibt es Leute, die mit ihren Hund spazieren gehen, einkaufen müssen und an der Kinoschlange stehen, während in ihnen die Herzen in Stücke reißen.
Ich glaube nicht, das die Zeit Wunden heilt, und das will ich auch nicht.

Wenn ich heile, heißt das dann nicht, dass ich die Welt ohne dich akzeptiert habe?

In Liebe, Thea.



Liebe Mira,

heute ist etwas seltsames passiert, von dem ich dir gerne erzählen würde.
Ich habe heute morgen die Augen geöffnet und aus unerfindlichen Gründen musste ich sofort an Finn denken.
Es hat sich so komisch angefühlt, weil seit Wochen mein erster Gedanke immer du bist, zusammen mit dem ungeheuerlich Schmerz in meiner Brust.

Doch dieser Morgen war anders.

Schon als ich die Schule betrat sah ich ihn. Meine Augen waren sofort auf ihn gerichtet. Da stand er, mit seiner großen Gestalt. Er trug wieder mal komplett schwarz. Mit dem Rücken zu mir. Unter seinem Arm klemmte sein Skateboard und ich konnte nicht anders, als ihn einen Moment einfach nur zu beobachten.

Ich stellte mir vor, wie seine Brust sich hebt und senkt bei jedem Atemzug.
Als ich ihn ansah, fielen mir ein paar Dinge auf.
Zum Beispiel, dass der Reißverschluss seiner Jacke kaputt ist. Das der Spinnt, den er offen vor sich hatte, eine Delle an der Tür trug.
Mir fiel auf, dass er sich langsam bewegte als er seine Schulbücher in den Spinnt packte und er wirkte gedankenversunken.
Ich stellte mir vor, wie er an mich denkt.

Dann bin ich zu ihm hingegangen und blieb direkt hinter seinen breiten Rücken stehen. Ich dachte an die vielen Male in denen er plötzlich vor, neben, hinter mir aufgetaucht ist.
Und ich musste an unserer ersten Begegnung denken. Und mein Mund war schneller als mein Gehirn.

„Als wir uns das erste Mal gesehen haben. Wieso bist du direkt zu mir gekommen?"

Er zuckte so stakt zusammen, das ich beinahe mit erschrocken wäre.
Im nächsten Moment drehte er sich zu mir um und seine Augen leiteten sich gleich auf meine Lippen. Ich habe versucht sie normal liegen zu lassen.

„Oh. hey, Thea", sagte er. Ein leichtes Lächeln zierte seine Lippen und seine Finger zuckten kurz. Ich beobachte seinen Brustkorb und hoffte, dass seine Atmung schneller wird, weil ich in seiner Nähe bin. Doch nein.
Er atmete genauso weiter wie vorher.

Einen Moment passierte nichts und ich versuchte einen abwartenden Gesichtsausdruck zu machen, um ihn im stillen aufzufordern mir zu antworten.

„Ich.. ich weiß nicht", lautet seine Antwort. Doch ich wusste, dass er es ganz genau weiß. Ich konnte es mir denken. Aber ich wollte es hören.

In diesem Moment klingelte die Glocke und damit fing der Unterricht an, ich jedoch blieb stehen.
Und er auch.
Die Flure leerten sich.

„Sag es. Ich will es wissen."
Seine Augen wandern wieder an meine Lippen. Ich sah, wie sich sein Adamsapfel bewegte, so als würde er schlucken.
Und beinahe musste ich lächeln.
„Seit wann so schweigsam?", fragte ich gleich hinterher.
Ich wusste das ich diejenige bin, die sich gerade anders als sonst benimmt, doch ich konnte mir den Satz nicht länger verkneifen.

„Du sahst so.. ich weiß nicht. Ich hatte das Gefühl, dich fragen zu müssen, was um alles in der Welt in deinem Kopf vorgeht, ich.. ich sah deine Augen und, naja, sah diese tiefe Dunkelheit, die kein anderes Mädchen in ihrem Blick tr-„

Und dann kam der Moment. Ich wusste nicht, was in dem Moment in mich gefahren war aber wie er vollkommen nervös vor mir stand, nach den richtigen Worten ringend, brachte mich dazu, ihn zu küssen.

Ich sah es kurz vorher, wie seine Augen ganz groß wurden, dann schloss ich meine, kurz bevor meine Lippen seine berührten.
Ich weiß nicht ob es daran lag, endlich etwas anderes als Trauer spüren zu wollen oder daran, dass ich nicht wollte, dass er weiter spricht.

Ich musste in Zehenspitzen gehen. Meine Hände ließ ich neben meinem Körper nutzlos hängen und gerade als ich dachte, dass das gemein ist, was ich tue, spürte ich wie sich seine Lippen meine fügten.

Er legte seine weiche, warme und große Hand an die Seite meines Halses. Seine Finger drückten meinen Kopf näher an seinen heran und kurz darauf drehte er uns so hin, dass ich den Rücken an den Spinnt hatte.
Als mein Rücken mit Schwung gegen das wacklige Metall schlug, entstand ein leises krachen, dass mich zusammenfahren lies.

Doch Finn ließ seine Lippen keinen Moment aus meinen, so als hätte er es garnicht gemerkt.
Ich musste nicht mehr auf Zehenspitzen gehen, so weit beugte er sich über mich.
Seine Lippen kosteten fordernder und ich war plötzlich so überfordert über die Leidenschaft die in mir und wie es aus sah auch in ihn flammte, dass ich wieder auf Abstand gehen wollte, um dieses Gefühl wirklich zu begreifen.
Ich drücke meinen Kopf nach hinten um Abstand zu erreichen, doch seine Hand drückte mich wieder zurück zu ihm.

Als seine andere Hand sich auf meine Taille legte, drückte ich mit einer Hand gegen seiner Brust und lehnte mich so weit nach hinten wie es ging.
Und dann löste er sich so schnell von mir, dass ich beinahe zusammengezuckt wäre.

Seine Augen wurden groß und er machte große Schritte nach hinten. Ungläubig musterte er mein erschrockenes Gesicht.
Ich versuchte, einen normalen Gesichtsausdruck hinzubekommen, doch ich war plötzlich so voller Glückshormone, dass ich es kaum fassen konnte.
Ich hatte nicht gedacht, in naher Zukunft wieder so etwas schönes fühlen zu können.
Doch Finn stattdessen, wirkte erschrockener als ich und in seinen Augen konnte ich die Entschuldigung schon fast sehen.

„Oh Gott. Es tut, tut mir so leid. Ich.. ich wollte nicht so aufdringlich sein. Ich hab dich ja vollkommen über- tut mir leid."
Er raufte sich sein schönes schwarzes Haar und drehte sich so schnell zum gehen weg, dass ich garnicht mehr die Chance hatte, mich zu erklären.

Und während er fast fluchtartig um die nächste Ecke ging, konnte ich nicht aufhören zu lächeln.

Ich konnte es einfach nicht.

In Liebe, Thea.

We all bleed the same colorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt