1. Ein neues Zuhause

267 16 18
                                    

Jacob

„Das macht dann 21,50€."
Schweigend übergab Jacob dem Taxifahrer das Geld und stieg aus dem Auto. Er hatte nur eine kleine Tasche dabei. Sein restliches Gepäck war schon vor einigen Tagen eingetroffen.
„Schönen Tag noch", sagte der Taxifahrer, doch bevor Jacob ihm antworten konnte, fuhr er schon davon.
Der Blonde schulterte seine Tasche und ging auf das schmiedeeiserne Tor zu. Neben dem rechten Flügel hing ein goldenes Schild an der Mauer. In schlichten, schwarzen Buchstaben stand dort: „Houghs Castle"

Während Jacob die Auffahrt hinauf lief, betrachtete er sein neues Zuhause. Houghs Castle war ein altes Schloss, umgeben von einer üppigen Grünanlage. Das Mauerwerk wirkte an vielen Stellen verwittert und die einst hellen Steine waren im Laufe der Zeit grau geworden. Man sah dem Gebäude deutlich an, dass es die besten Jahre schon hinter sich hatte, dennoch verstrahlte es eine gewisse Authorität und Erfahrung.
Vor der schweren Eingangstür aus Holz wartete ein etwas fülliger Mann mit schütterem Haar.
„Ah, Mr. Lans", begrüßte ihn der Mann und kam dem Blonden entgegen geeilt.
„Ich bin Mr. Dorhan, der Direktor. Ich heiße sie herzlich an unserem Internat willkommen. Ich hoffe Sie werden sich schnell einleben. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer."

Mr. Dorhan ging voraus und führte den Neuankömmling durch die alten Flure. Dabei erzählte er ununterbrochen. Selbst wenn Jacob etwas hätte sagen wollen, wäre er überhaupt nicht zu Wort gekommen.
„Das Gebäude ist schon über 600 Jahre alt. Zu erst war es die Residenz eines Grafen, dann hat aber der Drache Hough das Schloss in Besitz genommen. Von da an wurden auf diesem Land junge Drachen zu Kriegern erzogen und lernten, wie man am besten Menschen tötete", plapperte der Direktor munter, ungeachtet dessen, dass er auch ein Mensch war.
„Heute wird hier natürlich keiner mehr getötet", fügte er schnell hinzu und drehte sich mit einem nervösen Lachen zu Jacob um.
Die unergründliche Miene des jungen Drachen zeigte jedoch keine Reaktion, sodass sich Dorhan schnell wieder abwandte.
„Heute lernt man, wie Drachen und Menschen zusammen arbeiten. Und das jetzt auch schon seit über 70 Jahren", fuhr er fort.
Der Direktor drehte sich erneut zu Jacob um und lächelte ihn strahlend an.
Aber 70 Jahre Frieden werden die restlichen Jahrtausende Krieg nicht ungeschehen machen, dachte sich Jacob im Stillen.
Er konnte nachvollziehen, dass 70 Jahre für einen Menschen eine lange Zeit waren, auf die man stolz sein konnte, aber für einen Drachen war es nicht einmal ein Drittel seines Lebens.
Dorhan hatte es mittlerweile aufgeben, eine Antwort von Jacob zu bekommen, was dem Blonden nur recht war: Er war nicht der Typ für sinnlose Konversationen.

„Unsere Schule ist vielleicht nicht die Modernste, aber bei uns lernen Sie, was es heißt, ein richtiger Missionsflieger zu sein..."
Mr. Dorhan erzählte noch lange weiter, während er den jungen Drachen durch die Schule führte, doch Jacobs Gedanken waren schon längst abgedriftet.
Missionsflieger werden- das war es, was er wollte. Darauf arbeitete er schon sein ganzes Leben lang hin. Es lag ihm im Blut.
Sein Vater leitete eine der größten Missionsfirmen der Welt und hunderte von Drachen flogen unter seinem Namen. Er hatte die Firma von seinem Vater, Jacobs Großvater, geerbt und dieser sie von seinem. Und Jacob würde sie auch irgendwann leiten- da war er sich sicher.

Der Direktor und Jacob betraten ein riesiges Treppenhaus.
Irgendwie erinnert die Schule immer mehr an Hogwarts. Nur die Treppen bewegen sich nicht, dachte sich Jacob und betrachtete fasziniert die Verschnörkelungen an den Geländern. Vorsichtig fuhr er mit den Fingern über die in steingeschlagenen Ranken, bevor er sich wieder auf Dorhans Monolog konzentrierte.
„Die Unterrichtsräume befinden sich im Westflügel, die Schlafzimmer im Ostflügel", erklärte Mr. Dorhan, während sie die Treppen hoch gingen. Für Jacob war dies keine neue Information. Er hatte im Vorfeld über die Schule und dessen Lehrer gründlich recherchiert, schließlich ging es hier um seine Zukunft. Die besten Missionsflieger, die es jeh gab, haben in diesen Mauern gelehrt. Jacob wollte auch zu den Besten gehören, weshalb er sich für Houghs Castle entschieden hatte.
Ein Gefühl von Ehrfurcht durchflutete ihn, als er die alten Treppenstufen hinauf ging und die Gemälde an den Wänden betrachtete.
Doch trotz seiner Recherche fragte er sich, wie denn Mr. Dorhan Direktor werden konnte, ohne jegliche Auszeichnungen. Der kleine, füllige Mensch, der vor ihm die Treppen hinauf stapfte, machte nicht den Anschein, als dass er einen Haufen junger Drachen beherrschen könnte.

„Jungs und Mädchen schlafen in getrennten Bereichen- das gilt für Drachen, wie für Menschen. Im dritten Stockwerk sind die Jungszimmer", sagte Dorhan leicht außer Atem, als sie im besagten dritten Stock ankamen und deutete Jacob voraus zu gehen. Schweigend folgte der Blonde der Bitte und musterte den geraden Flur.
Er erstreckte sich bis zur äußeren Gebäudewand und durch ein Fenster am Ende des Ganges konnte Jacob eine weitläufige Grasfläche sehen- dank seiner besseren Augen. Ein Mensch hätte niemals so weit sehen können.
Die Zimmer gingen von dem Flur ab und die dunklen Holztüren waren nummeriert. Der Direktor zog einen Schlüssel aus seiner Tasche und öffnete damit Zimmer 213.
Die Tür schwang auf und der junge Drache betrat den schmalen Raum dahinter.

Die Luft roch abgestanden, aber das Zimmer war sauber und ein Fenster ließ das Tageslicht hinein. Es gab zwei Betten und jeweils einen Schrank dazu. Vor dem rechten Bett standen wie versprochen Jacobs Koffer. Sein Blick fiel auf das linke Bett. Es war ungemacht und einige Sachen lagen zerknüllt darauf herum. Unteranderem ein T-Shirt mit dem Slogan: Du bist nicht du, wenn du hungrig bist. Unter der Schrift prangte ein wütender Drache.
Jacob schmunzelte.
Es gab nunmal keine Einzelzimmer und solange sein Zimmergenosse kein Riesenarschloch war, stellte es für ihn auch kein Problem dar.
Insgeheim freute er sich auf einen Zimmergenossen. Er selbst war Einzelkind und hatte immer alles für sich allein gehabt.

„Sind Sie zufrieden Mr. Lans?", fragte der Direktor und anders als in der letzten halbe Stunde antwortete Jacob: „Ja."
Dann schwieg er wieder.
„Sie sind nicht sehr gesprächig, oder? Tut mir leid wenn ihnen die Frage unangenehm ist."
Jacob warf dem älteren Mann einen kühlen Blick zu.
Der junge Drache war wirklich sehr zufrieden mit dem, was er bisher gesehen hatte. Weshalb hätte er da noch lange um den heißen Brei reden sollen? Ein simples Ja tat es doch auch.
„Wo ist das Bad?", umging der Blonde Dorhans Frage.
„Am Ende des Ganges links. Ich zeige es Ihnen."

Die beiden traten zurück auf den Gang, als ein Schatten Richtung Treppe huschte.
„Entschuldigen Sie bitte kurz, Mr. Lans", dann rauschte der füllige Direktor dem Schatten hinter her.
„ZAYNE ROSWELL! STEHEN BLEIBEN!", ertönte die donnernde Stimme des Direktors im Treppenhaus.
Jacob zuckte zusammen, auch wenn er gar nicht gemeint war. Diese Authorität hatte er dem kleinen Mann gar nicht zugetraut. Anscheinend war er doch nicht um sonst Direktor.
Der Blonde hörte Mr. Dorhan und den Schatten namens Zayne auf der Treppe diskutieren, konnte aber kein Wort verstehen. Also wartete er auf den Direktor und als dieser nicht kam, ging Jacob allein Richtung Bad.

Natürlich war es ein Gemeinschaftsbadezimmer.
Aber auch das war Jacob schon klar gewesen. Lediglich für die Toiletten gab es einzelne Kabinen.
Er war zwar kein Fan von Gemeinschaftsduschen, doch was tat man nicht alles für seine Träume.
Kurze Zeit später betrat auch der Direktor das Bad.
„Ah, Mr. Lans, Sie sind schon vor gegangen. Ja, das ist das Bad", stellte Dorhan das Offensichtliche fest. Er erzählte, wann das Bad das letzte Mal saniert und wann täglich gereinigt wurde, bis ihn Jacob unterbrach.
Das Gequassel ging ihm langsam auf die Nerven.

„Wann beginnt mein Unterricht?", fragte er den Direktor.
„Morgen, Sir. Ihr Stundenplan liegt in ihrem Zimmer bereit. Wenn Sie noch Wünsche haben, zögern Sie nicht, mir diese mitzuteilen. Es ist eine Ehre, einen der Familie Lans an unserer Schule zu haben."
Jacob verkrampfte.
„Ehrlich gesagt, habe ich einen Wunsch, Mr. Dorhan", sagte er.
Jacob drehte sich zu dem Direktor um.
„Bitte behandeln Sie mich wie jeden anderen Schüler. Meine Familie oder mein Geld sollen keinen Einfluss auf meine Behandlung haben."
„Wie Sie wünschen", sagte Dorhan, bevor er Jacob den Schlüssel für Zimmer 213 überreichte.
Houghs Castle war von nun an Jacobs neues Zuhause.
___
So, hier ist, wie versprochen, das erste richtige Kapitel.
Lasst ein paar Kommetare und Votes da, denn ich würde gerne wissen, was ich verändern könnte.
Ansonsten einen schönen Abend noch!
Ich gucke weiter Voltron.❤
Bis bald!

Rage against the dying of the Light || Boy × BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt