Fakt 93: Nagoro im Tal der Puppen

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Das Dorf Nagoro stirbt aus. Nur noch 37 Menschen leben hier im östlichen Iya-Tal, ein abgelegener Teil der Präfektur Tokushima auf Shikoku, Japan. Die nächste Ampel liegt eine Stunde mit dem Auto entfernt, die nächste Bahnstation anderthalb. Im gesamten Tal leben vielleicht nur noch 2.000 Menschen. Es ist ein einsames Leben.

Als eine der letzten Bewohnerinnen fertigt Ayano Tsukimi lebensgroße Puppen an, um den Verstorbenen und Verschwundenen zu gedenken. Sie stellt sie am Straßenrand auf, an Bushaltestellen und an Orten, die den Menschen wichtig waren. Selbst die verlassene Schule wird von ihr mit Kindern gefüllt.

Nagoro steht exemplarisch für den Rest des Landes: Japan hat eine der geringsten Geburtenraten der Welt. Bis 2060 soll die Bevölkerung um 40 Millionen Menschen schrumpfen.

Gegen die unabwendbare Einsamkeit in ihrem Dorf bastelt Ayano schon seit über zehn Jahren die Puppen. Aus alten Zeitungen, gespendeten Stoffen und Holz stellt sie Reinkarnationen ihrer alten Nachbarn her. Die Gesichter und Details der Puppen sind Ihnen nachempfunden.

So ganz genau weiß sie nicht mehr, wie viele Puppen sie inzwischen schon gemacht hat, sie schätzt die Anzahl auf über 350. Sie sind verteilt im ganzen Tal zu finden.

In ihrem Dorf Nagoro gibt es jetzt bereits mehr Puppen als noch lebende Menschen.

Viele im Tal haben Angst vor den Puppen. Vor allem nachts, wenn sie in den Scheinwerfern der Autos auftauchen. Ayano Tsukimi hat keine Angst. Sie findet die Puppen süß und wird so lange weiter welche herstellen, wie sie kann. Gegen die Einsamkeit, im stillen Nagoro.

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