Wendigo

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Ich hielt den Atem an, denn ich hatte Angst, dass dieser mir sonst geraubt werden könnte. Ich wollte meinen Atem für mich und nicht für diese aufbauende Kreatur direkt neben mir. Nach wie vor war mein Körper in einer Trance gefangen. Als durfte sich nicht mal mehr ein kleiner Muskel bewegen weder das Herz Blut pumpen noch die Gedanken flüstern. Alles war starr, meine Augen fesselten das Ding neben mir und konnte sich nicht mehr lösen. Alles war in einem Bann gezogen, alles war überwältigt und voller Angst gelähmt zugleich. Als dieses Wesen schließlich neben mir zum stehen kam, konnte ich ihm direkt ins Gesicht schauen. Eingefallene, silberglänzende Haut, trübe Augen, die auf keinerlei Sehfähigkeit hinwiesen und die Knochen stießen unter der Haut hervor, als wären sie viel zu groß für den Körper. Die Zähne hatten etwas von einem weißen Hai, spitz, kräftig und Reste von Blut und Fleisch zwischen ihnen. Das Zahnfleisch war leicht grün und sah aus, als wäre es von einem schlimmen Schimmel befallen. Als wären wir in einem schlechten Horrorfilm gelandet, in der jede Bewegung zählt und zum Tode führt. Und dann? Fing es mit einem mal an zu Schreien. Nein es war kein Schrei, mehr ein Kreischen, Brüllen voller Verzweiflung. Am liebsten hätte ich mir meine Ohren zugehalten oder ihm das Maul mit meiner Axt gestopft. Doch alles was in meinem Körper stattfand, war der immer schlimmer werdende Tinnitus, der mein Gehirn in tausend kleine Teile zerspringen ließ. So, als wäre es feines Glas. Nun war es sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis mir das Blut aus den Ohren strömen würde und ich mir Gedanken machen müsste, wie viel Sekundenkleber ich für die Scherben bräuchte . Sofort wanderte mein Blick zurück zu Scott, dem noch immer jegliche Farbe aus dem Gesicht gefallen war. Sein Blick fing meinen ein und seine Lippen formten ein lautloses "Nicht bewegen!". Doch warum? Das Vieh war mittlerweile so weit an mir vorbei, dass es mir den Rücken zeigte. War es nicht jetzt der Ideale Zeitpunkt ihm mit dem Eisen eins über zu braten und dann Ruhe zu haben? Ich hielt den Jungen tatsächlich für Klug, aber in dem Moment musste ich wohl doch von selbst handeln. Und dann tat ich es, ich festigte den Griff um das Holz, erhob jene Axt und schmetterte diese mit all meiner Kraft gegen diese Kreatur. Jackpot! Es ist exakt das eingetreten, was ich so absolut gar nicht wollte- meine Axt zersplitterte in abertausend kleine Teile, der Rücken dieses Wesens ist unberührt und völlig makellos. "W-Was?", hauchte mein Atem von selbst hervor, bis jener erneut ins Stocken geraten war. "Bist du verrückt?! LAUF!", schrie der Asiate in einem strengen Ton hervor, forderte mich dazu auf, meine Beine in die Hand zu nehmen und mit maximaler Geschwindigkeit durch die Korridore dieses Gebäudes zu jagen. Doch vergebens. Als wäre ich unfähig, hätte es nie gelernt zu laufen, wackelte ich wie ein Kleinkind herum und starrte in dieses absurd hässliche Gesicht. Doch anstatt mich nun in tausende Einzelteile zu reisen, stand dieses Wesen vor mir, völlig unberührt und starr. Vielleicht hatte ich ihn doch erwischt? Vielleicht musste er sich ebenfalls davon erholen, was ihm gerade widerfahren war? Doch da ertönte es wieder. Dieser Schrei, dieses Kreischen, diese Stimme welche sich bis ins Knochenmark bohrt. Dieser Ton war nun, als würde dieses Ding gänzlich den Kampf eröffnen wollen. Wäre das hier also ein Boxkampf, Tamara VS Ugly Boy, würde wohl jetzt diese klassische Art von Glocke ertönen. Mittlerweile ging dieses Ding sogar in die Hocke, lauerte wie ein Raubtier, ging von Links nach Rechts, als würde es mich studieren wollen. Ich hatte mal wieder mit meinem Leben abgeschlossen, sah mich schon in meiner eigenen Suppe liegen und über mir dieses Ding was mein Mageninhalt heraus fraß. Doch wie aus dem Nichts packte mich Scott am Handgelenk und zog mich wie ein Hund an der Leine mit. Aber ich war keiner dieser super durchtrainierten Polizeihunde, die eigentlich mehr den Menschen mitzogen, als umgekehrt. Ich war eher so ein kleiner Mops, völlig unfähig auch nur ansatzweise weit mit meinen kleinen Beinchen zu kommen. "Schneller!", befahl Scott und ja verdammt, er hatte Recht. Ich musste schneller laufen. Schritt für Schritt. Schneller, Zielstrebiger, Orientiert, mit allem was ich zu bieten hatte. "Schneller, Schneller, schneller!!!", schrie ich innerlich in meinen Gedanken, holte alles aus meinen Körper, so sehr, dass meine Muskeln zu brennen begannen. Noch immer war dieses Ding hinter uns gewesen und das konnte richtig gut mithalten! Was war dieses Ding? Immer wieder konnte ich spüren, wie diese Klauen nach und griffen, verfehlten und immer wieder ins Stolpern geraten. Doch dies schien ihm nicht zu stören. Es sprang von Wand zu Wand, gar an die Decke um sich wie ein Aasgeier auf seine Beute zu stürzen. Es war verdammt schwer mit dem Jungen Fuß zu halten. Er hatte längere Beine, gewaltige Kraft, als würde er sich bei jedem Schritt in den Boden stoßen und den Druck für einen weiteren gewaltigen Schritt zu nehmen. Außerdem zerlegte er jeden kleinen Schrank, den er im Laufen mitnehmen konnte, auf den Boden und stellte dem Ding kleine Stolperfallen. Halfen tat das nur bedingt, denn es schien es wie eine Leichtigkeit zu überspringen. Es war klar, dass jede kleine Sekunde Gold Wert war, aber es war leider nicht effektiv genug. "Schieß! Das Lenkt es ein wenig ab!", kam es erneut prompt aus dem Jungen hervor, der noch immer mein Handgelenk fest umklammert hat, keinerlei Anstalten, es loslassen zu wollen. Aber die Idee könnte wohl tatsächlich klappen! Also nahm ich, während ich mir meine letzte Energie aus der Seele rannte, meine Magnum aus der Halterung und legte sie unter meinem ausgestreckten Arm und zielte einfach nur nach hinten. Ich sah dieses Ding nicht, aber dennoch feuerte ich alles ab, was ich hatte, in der Hoffnung es wenigstens einmal zu treffen. Mehr als leere Hülsen fiel nicht zu Boden. Es brachte also auch nichts. Oder? Einen kurzen Blick riskierte ich über meine Schulter und musste feststellen, dass diese Bestie mit jedem Schuss langsamer wurde. Langsamer ist relativ, aber jedenfalls konnte es mir nicht mehr die Schnürsenkel zubinden, so weit weg war es.

Der Tod in New York Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt