Das Treffen

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Ich weiß schon gar nicht mehr, wann das hier alles passierte. Seit wann ich hier lag und sich die grellen Sonnenstrahlen in meinen Augen wie Feuer angefühlt haben. Meine Ohren waren betäubt, rauschten, als wäre mein kompletter Körper unter Wasser gedrückt. Ich konnte ihn nicht bewegen, er trieb allein im Klang der Wellen immer tiefer dem Abgrund entgegen. Doch das Licht wollte mich nicht los lassen. Das grelle, helle Licht, was sich über mich aufgebaut hat, als würde es mich verschlingen wollen. Ich spürte nichts, nur das stechen in meiner Brust, die Panik in meinen Adern und dann- alles schwarz.

Mit einem Mal riss ich die Augen auf, stieß einen hysterischen Schrei aus, richtete mich in meinem Bett auf und spürte, dass nicht nur mein komplettes Gesicht in Tränen, sondern mein Rest des Körpers in Schweiß gebadet hat. "Tamara?! Was ist passiert?!" Kaum haben diese Worte meine Ohren erreicht, stand Hendrik vor mir. Ein alter Mann mit grauen Haaren, die ihm bis zum Kinn gingen. Der Bart war ungepflegt und definitiv bereit, mal wieder gestutzt zu werden. Und in seinem Gesicht lag nicht nur Angst und Verzweiflung, sondern auch Dreck von den fehlenden Duschen, die wir seit langer Zeit nicht mehr bekommen haben. "Ich.. ", krächzte meine Stimme nur heiser hervor. Noch immer liefen die Tränen aus meinen Augen, fielen von meinen Wangen und tränkten meine Bettdecke in Nass. Ein gewaltiger Kloß schnürte mir die Kehle ab und ich verlor schon wieder die Fähigkeit, normal zu atmen. Aus Angst, ich könnte ganz aufhören, verlangte meine Lunge rasend schnell nach Luft. "Okay, beruhig dich, meine Kleine. Du kippst mir hier noch um." Hendrik hatte sich mittlerweile auf das provisorische Bett nieder gelassen, legte seine Hand auf meine Schulter und zog meinen Körper an sich. Wehren war nicht drin, dafür hatte ich keinerlei Kontrolle mehr über mich selbst. Stattdessen tat mir die ausgehende Wärme, welche ich von ihm spüre, äußerst wohl. Als wäre diese Umarmung eine Medizin, war jeglicher Schmerz verflogen. Und trotzdem konnte ich nicht anders, als meine Hände vor dem Gesicht zu schlagen, laut los zu schluchzen und bitterlich aus Angst zu weinen. Was genau mich dazu gebracht hat, so zu fühlen, war unerklärlich. Zumindest für mich, denn die Träume vergaß ich immer, konnte mich nur noch an die Details erinnern, wie ich hilflos von den Lichtern verfolgt werde, aber nichts tun kann.
Am nächsten Morgen, so war ich in Hendriks Armen eingeschlafen, wachte ich normal im Bett auf. Die Sonne kitzelte sanft meine Nase und das Zwitschern der Vögel ließ ein Lächeln auf meinen Lippen zaubern. Für den Moment, an dem ich meine Augen öffnete, fühlte es sich an, als wäre es ein ganz normaler Tag. Ich würde jetzt aufstehen, meine Haare zurecht machen, im Kleiderschrank nach einer meiner geliebten Latzhose greifen und hinein schlüpfen. Ich würde auf dem Weg zur Uni sein, an meinem heiß geliebten Roboter weiter basteln und mich freuen, abends Mom und Dad zu sehen. Stattdessen richtet sich mein Körper wie von alleine auf, schlüpft in schwarze, lange Kleidung und feste Wanderschuhe. Meine, wieder, braunen Haare, fanden sich im Pferdeschwanz zusammen und alles schien trostlos. Mit schnellen Schritten und dem eleganten Drehen des Türknaufs, stande ich im Badezimmer. Obwohl das nicht mein Haus war, oder überhaupt ein Haus was ich vorher schon kannte, wusste ich genau, wo was genau zu finden war. Immerhin suchten wir die Unterkünfte immer genauestens ab, bevor wir uns wirklich zur Ruhe nieder lassen. Nach der provisorischen Pflege mit Wasser aus der Flasche, blickte ich in den Spiegel und musste feststellen, dass ich diese Person dort drinnen nicht wieder erkannt hatte. Nicht weil der Spiegel mehr Staub als der Fußboden vorzuweisen hatte, sondern weil diese Person da drin mir völlig fremd vorkam. Meine blauen Augen waren noch immer blau und oval geformt. Nur waren diese dunklen Augenringe ein hässliches Accessoire geworden, welche ich vorher nie besaß. Ich hatte noch immer die gleiche runde Nase und die vollen Lippen. Und nur, weil meine Haare nicht mehr rosa, sondern braun waren und mir mittlerweile bis zur Brust gingen, war das noch immer ich. Nur anders. Nicht mehr aufgedreht und lebensfroh. Nicht mehr dauerhaft am Lächeln und am Reden. Diese Person im Spiegel war kalt, trostlos und nur noch zum funktionieren da.

Der Tod in New York Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt