2. Kapitel

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Die ganze Zeit über redeten sie kein Wort, was Mason etwas unruhig machte. Es war einfach ein komisches Gefühl, nicht zu wissen, wohin man geht oder überhaupt, wer man selbst ist.

Etwas später erreichten sie einen Wald, der noch düsterer wirkte, als die dunkle Straße von vorhin und Mason blieb stehen.
,,Wenn du nicht sterben willst, komm mit", überraschte das Mädchen ihn wieder. Jetzt war das zerbrechliche Kind von vorhin verschwunden. Ihre kalten blauen Augen musterten ihn.

Irgendwie wollte Mason etwas sagen und blieb stehen. Doch er brachte nichts raus. Schließlich wollte er auch nicht, dass sie wieder so reagierte.
Sie rollte bloß mit den Augen und lief in den Wald.

Mason hatte aber auch keine Lust schon wieder alleine zu sein und folgte ihr.
Den Weg über blickte er auf den Boden, der aus trockener Erde bestand. Er konnte zwar nicht viel sehen, aber er spürte die weiche Ebene unter seinen Schuhen. Die Bäume hingegen wirkten in der Dunkelheit etwas bedrohlich und größer, als Tagsüber.
Diesesmal liefen sie auch nicht allzu lange.

In weiter Ferne erkannte Mason irgendwann eine Art Licht. Es war ein Feuer. Diesmal bestaunte Mason wieder das Wort. Natürlich fehlte ihm auch hierzu ein Erlebnis, doch ihm blieb ein Bild eines Feuers in seinem Kopf. Irgendwie war er gespannt darauf, dem Feuer ein neues Erlebnis zu schenken und folgte erwartunfsvoll dem Mädchen.
Als die zwei näher kamen bemerkte Mason auch weitere Umrisse, die um den Flammen herum saßen.

Als die vier Jungen das Mädchen erblickten, erhellten sich ihre Gesichtszüge. Alle wirkten sehr müde und auch ihre Hygiene spiegelte sich mit der vom Mädchen. Erfreut umarmten sie das Mädchen. ,,Ella, wo warst du", bekam Mason zu hören oder ,,Wir haben auf dich gewartet, Ella."

,,Ella", flüsterte Mason und alle blicke wanderten zu ihm. Vielleicht sollte er aufhören, über neue Wörter und Erkenntnisse nach zudenken, überlegte er. Jetzt war es ihm unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen.
,,Ich dachte er wäre abgehauen", kam der scheinbar älteste Junge zu Wort. Seine dunklen Augen blitzten ihn an, was er schon von Ella kannte. 
,,Ich auch", erwiderte Ella.
,,Aber er kann es selber nicht mehr sagen."
,,Also wurde er doch...", wollte der Älteste fragen, doch er verstummte. Ella nickte.
,,Er kann sich an nichts mehr erinnern und jetzt lasst mich. " Damit verschwand sie. Überrascht blickte Mason ihr hinterher. Das er heute antworten auf seine Fragen von ihr bekam, konnte er wohl nicht mehr erwarten.
,,Wo ist...?" Mason sah ihr nach.
,,Wo wohl? Denkst du, wir schlafen auf der Erde?"

Mason wollte jetzt am liebsten gar nichts mehr fragen.
Er wollte weg, irgendwohin, wo er die Antworten bereits kannte.
,,Setz dich", sprach diesmal der scheinbar jüngste zu ihm. Er war höchstens 11 oder 10 und bei seinem verschmitzten Lächeln, rutschte Mason auch ein Lächeln raus.

,,Sie ist wohl zimlich sauer", sagte der Kleine. Er hatte rotes lockiges Haar und trug eine viel zu dünne Jacke. Eigentlich waren alle viel zu dünn angezogen. Der Älteste trug nur ein T-shirt, wie Mason, doch das störte ihn scheinbar auch nicht. Da sie beim Feuer saßen und die warme Luft sie förmlich umarmte, war es auch scheinbar niemandem zu kalt.

Die übrigen Jungen sagten kein Wort. Mason nahm an, dass sich alle nach dem Ältesten richteten. Der älteste hatte mit seinen dunklen Augen, auch braune Haare und sah aus, als wäre er ungefähr 18 oder 19 Jahre alt, sich aber viel älter fühlte..

Ein paar Minuten saßen alle schweigend um das Feuer und lauschten dem warmen knistern, als plötzlich Ella wieder auftauchte. Mason war froh sie zu sehen, da er das Schweigen beinahe nicht mehr ausgehalten hätte. Er spürte, dass der Älteste ihn die ganze Zeit anstarrte, als ob er ihm irgendetwas getan hätte.

,,Na, kannst du nicht schlafen, Süße", fragte der Älteste und Grinste.
,,Halt die Klappe, Logan!" Sie lehnte sich an einen Baum und blickte abwartend in die Runde.
,, Jemand muss ihn aufklären, sonst steckt er sich noch an oder wird geschnappt. " Mason blickte nun etwas hoffnungsvoll in die Runde.

Logan seufzte.
,,Also gut, was willst du wissen?" Er blickte Mason fragend an.
Er wusste gar nicht, was er antworten sollte und sagte bloß:
,,Weiß nicht." Er wusste überhaupt nicht, wo er anfangen sollte.
,,Junge, jetzt lass den Scheiß oder ich liefer dich eigenhändig aus!"
,,Zu wem", fragte Mason. Vielleicht sollte er es einfach direkt angehen.

Bevor Logan antworten konnte, fiel Ella ihm ins Wort.
,,Fang von forne an, Logan. "
Dieser seufzte abermals, diesmal genervt. ,,Warum? Der wollte doch sowieso weg, das bringt doch dann auch nichts mehr. " Seine dunklen Augen musterten ihn finster.
,, Mann spinnst du jetzt total? "
Jetzt funkelte Ella den Jungen an.
,, Es wird bestimmt nicht nur seine Schuld gewesen sein, Oliver war ja auch dabei", fügte sie hinzu.
Alle Augen wanderten zu Logan. Mason war überrascht, als Logan nach gab und sich wieder an ihn wandte.
  ,,Was weißt du denn noch?"
,,Ich...ich weiß, wie ich heiße." Als er diesen Satz zu Ende sprach, wirkte Logan sogar etwas erleichtert.

,,Man Ella, dem ist nicht mehr zu helfen.
,,Dann bist du aber Schuld, wenn er verrät, wo wir sind oder wenn er einfach getötet wird."

Logan wendete sich wieder zu Mason.
,,Wie alt bist du in deinen Erinnerungen?"

Was war das für eine Frage? Er überlegte trotzdem.
,,Was weiß ich. Ich habe nicht wirklich welche. Es...es ist einfach schwarz."
,,Also weißt du nichts von deiner Mutter, die dabei zugesehen hat, wie dein Vater dich schlägt. Von deiner Mutter, die euch irgendwann verlassen hat und von deinem Vater, der nach dem verschwinden deiner Mutter nur noch Alkohol konsumiert hat. Und von einem Vater der dich nicht nur geschlagen hat, er hat dich rausgeschmissen. Mason er hat dich rausgeschmissen, auf die Straße und du warst allein!"
,,Logan", schrie Ella, um ihn zu bremsen. Nun blickten alle Augen abermals zu Mason.

Dieser saß einfach schweigend auf der dunklen Erde. Seine Gedanken mussten sich sammeln. Plötzlich war die Geschichte, die Logan ihm erzählt hatte, keine Geschichte mehr. Sie war wahr, in seinen Erinnerungen. Ganz plötzlich spürte  er Tränen in den Augen aufsteigen. Er wollte sich wegdrehen, damit niemand sie sah. Er wollte nicht, dass jemand merkte, er sei verletzt. Das wollte er noch nie. Nicht einmal sein Vater. Nein,vorallem er nicht. Ein paar seiner fehlenden Kindheitserinnerungen zischten in seinen Gedanken an ihm vorbei.
Mason fing an zu zittern. Er sah seinen Vater wütend auf ihn zu torkeln. Oft hielt er dabei eine Flasche Alkohol in seiner Hand. Seine Mutter, die selbst seinen Vater geschlagen hatte und alles einfach mitangesehen hatte. Verletzt verschwand sie in einer Nacht, die alles nur noch schlimmer machte. Irgendwann ging er nicht mehr in die Schule und blieb das Opfer seines Vaters. Er war zu Feige um sich Hilfe zu holen. Es ging viel zu schnell. Er hatte sich durchkämpfen müssen bis hier her, bis er Ella und die Anderen fand.  Vieler seiner Gedanken, die ihm im Moment durchgängig durch den Kopf rannten, hätte er am liebsten vergessen wollen.
Er wollte nicht daran denken, aber es ging nicht. Das Bild seines Vaters, der sich wütend vor ihm erstreckte und seiner weinenden Mutter, gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Sein Herz pochte so schnell, als ob er gerade einen Marathon gelaufen wäre, nur dass der Marathon in seinem Kopf war.

Mason saß zitternd, auf dem Boden. Seine Augen starten auf einem besonderen Punkt im Feuer, als ob dieser Punkt das spannendste der Welt wäre. Er hatte sich einfach so gewünscht seine Vergangenheit zu vergessen. Er hatte es auch geschafft, für gefühlt einen Augenblick lang.

Ella, die ihm dabei zusah, bekam selbst Tränen in die Augen. Auch sie hatte keine schöne Vergangenheit.
Der kleine Samy begann den Jungen zu umarmen. Er fühlte mit dem älteren Jungen mit. Schließlich war er selbst auch noch ein Kind, was einfach früh gezwungen wurde Erwachsen zu werden.

Logan blickte auf den Jungen, der mit leeren Augen ins Nichts starrte. Er hatte den traurigen Moment erschaffen.
,,Musste das sein", zischte Ella, die auch nicht wollte, dass jemand ihre Tränen sieht und wischte sie weg. Sie versuchte cool an einem Baum angelehnt zu wirken.
,,Die Erinnerungen kommen so weit ich weiß auch nicht so plötzlich. Dann kann ich da auch nichts für", schrie er sie an. Er war verwirrt. Nach dem, was er gehört hatte, konnten die Erinnerungen gar nicht zurückkommen.

Logan hatte nie erzählt, was er für Erfahrungen gemacht hatte. Er war einfach immer schon da gewesen.

,,Wir sollten am besten schlafen gehen und morgen müssen wir mehr erzählen und es langsamer angehen", warnte sie.
Logan nickte etwas bedrückt, versuchte jedoch lässig zu wirken. Seine Schuldgefühle wohlte er erst recht nicht zeigen. Er zeigte von außen hin immer seine starke und selbstbewusste Seite, doch Ella wusste, dass jemand ihn so gemacht haben musste und er am liebsten manchmal auch seine andere Seite zeigen wollte.

Die schwarze KrankheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt