Kapitel 3

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Dezember 2015

Als mein Dad um die Ecke kam, saß ich noch immer auf dem Fußboden

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Als mein Dad um die Ecke kam, saß ich noch immer auf dem Fußboden. Ich erkannte ihn an den schwarzen Lackschuhen mit der dünnen Sohle. Während er zu Hause immer in Jeans und T-Shirt herumlief, war das sein Arbeitsoutfit. Der Anzug war maßgeschneidert, die Frisur musste sitzen und ein Dreitagebart war ein absolutes No-Go, wie Ellen es so treffend formuliert hatte. Mir ging das alles am Arsch vorbei und mittlerweile, glaubte ich zumindest, hatte das auch so ziemlich jeder bemerkt.

„Jace", sagte er.

Wie in Zeitlupe hob ich den Kopf an. Dad deutete auf seine Ohren, um mir zu symbolisieren, dass ich meine Kopfhörer herausnehmen sollte. Widerwillig zog ich an dem Kabel, bis mir die weißen Ohrstöpsel in den Schoß fielen.

„Du sollst mit reinkommen." Dad machte einen Schritt rückwärts, zurück in Richtung des Direktorats. Die Schwere in meinem Brustkorb zerrte an mir, sodass ich für einen Augenblick in Erwägung zog, einfach hier unten, auf dem Linoleum, sitzen zu bleiben. Doch ich kannte bereits die Konsequenzen und war nicht sonderlich scharf darauf, später ein ernsthaftes Gespräch mit Ellen zu führen. Sie würde ganz bestimmt nicht ergründen, weshalb ich so war wie ich war, wenn ich dies nicht einmal selbst herausfinden konnte. Also erhob ich mich mühsam, nahm meinen Rucksack am Schulterriemen und folgte meinem Dad.

Bei Mr. Clayton, dem Schulleiter, war es ungewöhnlich warm im Raum. Die Pflanzen auf der Fensterbank erinnerten mich an jene, die bei meiner Grandma gestanden hatten. Sie waren gut gepflegt, hoch gewachsen und trugen prächtige Blüten. Bei mir würden sie innerhalb weniger Tage mit hängenden Köpfen dem Tod gegenüberstehen.

„Mr. Allington, setzen Sie sich bitte." Mr. Clayton wies auf die zwei freien Stühle gegenüber seines eigenen Platzes. Zögerlich trat ich näher. Mein Dad zog die zwei Schwingstühle ein Stückweit zurück. Den einen für mich, auf den anderen ließ er sich selbst sinken. Müde stützte er den Ellbogen auf der Lehne ab und rieb sich über die Stirn.

„Jace, nur keine Scheu. Setzen Sie sich.", versuchte Mr. Clayton mich aus der Reserve zu locken. Bevor er es erneut probierte, setzte ich mich eilig hin, die Hände flach auf den Oberschenkeln, als wollte ich bei nächster Gelegenheit sofort wieder aufspringen.

Mr. Clayton beugte sich ein wenig vor. „Jace, Ihr Vater und ich haben uns soeben über ihren Notendurchschnitt unterhalten."

„Hmh." Unbeteiligt blickte ich auf die unzähligen Unterlagen auf Mr. Claytons Schreibtisch. Mittendrin lag eine Urkunde. Mit einer Büroklammer war ein Foto befestigt und ich fokussierte das Mädchen mit den Haaren, die im Licht dunkelblond und im Schatten hellbraun zu sein schienen, als wäre dies mein einziger Lebensinhalt.

Doch der Schulleiter ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. „Sie werden durchfallen, wenn Sie sich nicht deutlich mehr anstrengen."

Schlagartig schaute ich von den Papieren auf. Durchfallen, hallte es in meinen Ohren nach. Ich durfte nicht durchfallen. Die Schulzeit kam mir jetzt schon wie ein nicht enden wollender Albtraum vor. Würde ich dieses Jahr nicht schaffen, würde ich den Abschluss wahrscheinlich überhaupt nicht mehr auf die Reihe kriegen. Ich würde alleine unter einer Brücke hausen müssen. Nicht einmal einen Block mit Bleistiften würde ich mir leisten können.

Einhundert Meilen von dir entferntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt