10. Blut

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June hatte die eine Hand hinter dem Rücken, sodass Jayden nicht sah, wie sie langsam ein weiteres Messer aus ihrer Manteltasche zog. Aber ich sah es. „Jayden", schrie ich in dem verzweifelten Versuch, ihn zu warnen, doch er schien mich überhaupt nicht wahrzunehmen.

„Ich habe keine Ahnung, was du von Marianne willst, aber lass sie in Ruhe", sagte er mit bedrohlich leiser Stimme. „Du weißt, dass ich dich nicht erschießen will."

„Das ist wirklich bedauerlich", erwiderte June mit einem Lächeln.

„Jayden, was machst du da, sie ist immer noch nicht unbewaffnet!", schrie ich.

„Denn du hättest mich wirklich erschießen sollen", fuhr June fort, und bevor Jayden überhaupt realisieren konnte, was sie da gesagt hatte, hatte sie das Messer schon in ihrer Hand und wollte es direkt in mein Herz bohren. Genau in diesem Moment löste sich das Messer an meinem rechten Arm aus der Wand und viel klirrend zu Boden.

Ich hatte keine Zeit mehr, um irgendwie zu handeln außer aus purem Instinkt, also rollte ich mich einfach zur Seite und nahm dabei noch das andere Messer mit, das meinen zweiten Arm an die Wand pinnte. June hatte nichts von alldem erwartet, reagierte aber trotzdem blitzschnell und veränderte ihre Bewegung so, dass ihr Schlag mir den Arm abgetrennt hätte.

Hätte Jayden nicht genau in diesem Moment endlich abgedrückt. Der Schuss peitschte durch die Nacht und June fluchte, ließ mich los und schaffte es gerade noch, zurückzuweichen. Die Kugel traf sie nicht, aber sie hatte ihr Messer fallen gelassen Jayden ließ die Waffe nicht sinken, sondern zielte weiterhin genau auf Jessicas Stirn.

„Du bist vielleicht hinterlistig, aber du weißt genau, dass ich stärker bin als du und besseres Training habe", zischte er wütend. „Ich habe keine Ahnung, warum du Marianne umbringen willst, aber sie hat dir nichts getan, und ich werde einen Mord an einer unschuldigen Person nicht zulassen. Nicht noch mal. Wenn du sie umbringen willst, musst du erst an mir vorbei, und du weißt, dass du das nicht mehr schaffen wirst, jetzt, wo ich vorbereitet bin. Es tut mir Leid, dass dir das alles passieren musste, aber ich kann dich nicht weiter rumlaufen und Leute umbringen lassen."

„Ach ja? Dann würde ich mich an deiner Stelle lieber mal um deine kleine Freundin kümmern- die verblutet da hinten nämlich gerade", sagte June.

Ich hatte bis jetzt gebannt den Wortwechsel zwischen den beiden beobachtet, in der verzweifelten Hoffnung, endlich etwas Sinnvolles zu verstehen, aber jetzt sah ich verdutzt auf meinen Arm, in dem vorhin noch das Messer gesteckt hatte. Der Ärmel meiner Jacke hatte sich inzwischen rot gefärbt, und das Blut tropfte von meinen Fingerspitzen zu Boden. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Wunde so schlimm war, da ich überhaupt keine Schmerzen spürte- jetzt wusste ich auch, wieso.

Ich spürte meinen Arm nicht mehr.

„Jayden?", rief ich und versuchte vergeblich, die aufkommende Panikattacke in mir zu unterdrücken.

Er sah nur einen Moment zu mir rüber, sah das ganze Blut, doch das reichte für June, sich umzudrehen und zu rennen. Jayden fluchte, fuhr wieder zu ihr herum und schoss mehrmals auf sie, doch June war schon zu weit weg. „Verdammt!", schrie Jayden und trat gegen die Wand, wo sie noch vor wenigen Sekunden gestanden hatte. Dann ließ er, weiterhin fluchend, seine Waffe fallen und war mit wenigen Schritten bei mir.

„Ich spüre meinen Arm nicht mehr", flüsterte ich und musste mich gegen die Wand lehnen, um nicht umzukippen. Mit einer Bewegung zog Jayden den Ärmel nach oben und begutachtete die Wunde. Ich schloss die Augen, um das ganze Blut nicht mehr sehen zu müssen- ich hatte in den letzten Tagen eindeutig zu viel Blut gesehen.

„Das ist der Schock", sagte Jayden und packte mich am Kinn, bis ich die Augen öffnete und ihm direkt ins Gesicht sah. Seine eisblauen Augen verschwammen vor meiner Sicht.

Reborn - Bittersüße RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt