6. Konversationen mit einem Mörder

5 2 0
                                    

Das Badezimmer verschwamm vor meinen Augen. Ich wäre am liebsten gleich wieder zur Toilette gerannt, aber dafür hatte ich jetzt keine Zeit.

„Lass ihn nicht rein, Mum", wollte ich schreien, aber aus meinem Mund kam nur ein leises Piepsen.

„Marianne? Alles in Ordnung?", fragte meine Mutter besorgt von außen. Ich hob langsam die Hand und fummelte am Schloss der Badezimmertür herum, bis ich es endlich auf bekam.

Direkt vor der Tür stand meine Mutter, einen besorgten Blick auf dem Gesicht.

Und hinter ihr, wunderschön und die Augen so eisblau, wie ich sie in Erinnerung hatte, stand Jayden, die Augenbrauen zusammengezogen. Der besorgte Blick auf seinem Gesicht sah täuschend echt aus, aber der Ausdruck in seinen Augen hatte etwas Wissendes.

„Du hättest nicht kommen sollen", flüsterte ich und stieß mich von der Wand ab, an der ich bis jetzt gelehnt hatte.

„Ich wollte nur nach dir sehen- du warst heute nicht in der Schule", verteidigte er sich, ohne seinen Blick von mir abzuwenden.

„Woher weißt du, wo ich wohne?", fragte ich schwach, aber eigentlich wollte ich es gar nicht wissen.

Ich weiß alles über dich.

„Es steht auf der Q-Stufenliste", sagte Jayden, als wäre es selbstverständlich, dass er einfach so hier reinplatze.

„Vielleicht sollten wir ein bisschen rausgehen und frische Luft schnappen?", schlug er vor, die Augen starr auf mich gerichtet. War das alles ein Trick? Wollte er sehen, wie weit er gehen konnte?

Ich warf einen Blick auf meine Mutter, die immer noch im Rahmen der Badezimmertür stand und misstrauisch zwischen uns hin- und herschaute, und auf meine Schwester, die gerade aus ihrer Zimmertür kam.

„Tut mir Leid, Fiona", sagte ich mit gepresster Stimme. „Aus dem Playmobilspielen wird heute nichts mehr."

Und mit einem Blick auf Jayden fügte ich hinzu: „Ich hol nur noch schnell meine Jacke."

Ich steckte das Foto mit der Drohung ein, aus Angst, meine Familie könnte es finden. Dann schlüpfte ich in meine Schuhe, holte tief Luft und folgte Jayden nach draußen.

Weg. Alles, woran ich denken konnte, war, ihn möglichst weit weg von meiner Familie und meinem Haus zu führen, irgendwo anders hin.

„Marianne? Könntest du vielleicht aufhören, so zu rennen?"

Mir wurde erst jetzt bewusst, dass ich wirklich gerannt war. Ich blieb auf der Stelle stehen und wirbelte herum. Es war seltsam, aber jetzt, wo ich ihm gegenüber stand, war all die Angst plötzlich wie weggeblasen. Stattdessen fühlte ich mich plötzlich mutig, als könnte ich ihm die Stirn bieten. Ich war nicht klein und ängstlich, und bis jetzt hatte ich noch allem die Stirn geboten.

Natürlich wusste ich, dass mein plötzlicher Anflug von Mut völlig schwachsinnig war; ich hatte nicht mal mein Handy mitgenommen.

„Lass meine Familie in Ruhe", sagte ich und endlich, endlich klang meine Stimme so stark und ruhig, wie sie klingen sollte.

„Ich... Entschuldigung? Was habe ich denn gemacht?", fragte er und sah tatsächlich so aus, als wäre er überrascht.

„Spiel hier nicht den Unschuldigen", fuhr ich ihn wütend an. „Was du gemacht hast? Mal angefangen damit, dass du diese Frau gestern Abend umgebracht hast und mir Drohbriefe schreibst?!"

Einen Moment starrte er mich an, dann schnappte er nach Luft.

„Woher weißt du...?"

„Dann ist es also wahr."

Reborn - Bittersüße RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt