3. Die tote Frau

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Jayden saß den ganzen verdammten Tag lang neben mir, in jedem einzelnen Kurs. Diese Tatsache machte mir so lange Angst, bis mir auffiel, dass es natürlich eine logische Erklärung dafür gab: Die Kurse waren nach Nachnamen einfach in alphabetischer Reihenfolge aufgeteilt, und L und M lagen direkt hinter einander. Das war ja mal wieder so typisch. Ich versuchte, mich normal zu benehmen, aber ich scheiterte kläglich. Jedes Mal, wenn er sich umdrehte, nur eine winzige Bewegung machte, zuckte ich zusammen. So viel also zu meinem Plan, mich unauffällig zu benehmen. Wenigstens versuchte er nicht mehr, mit mir zu reden, wobei ich mich wahrscheinlich völlig verraten hätte. In den Pausen hing er mit Jessica und den üblichen aus ihrer Clique rum und bemühte sich nach Leibeskräften, mich zu ignorieren, was mir eigentlich ganz recht war. Auch wenn ich ihm ganz bestimmt nicht den Rücken zudrehen würde.

Jessica war auch so eine Sache, bei der ich keine Ahnung hatte, was ich tun sollte. Immerhin wusste ich, dass sie heute Abend am See mit Jayden rumknutschen würde- alleine. Andererseits war die Frau auf dem Teppich eindeutig nicht sie gewesen, wenngleich sie ähnlich blond gefärbte Haare gehabt hatte, und von Jessys Tod hatte ich keine Vision gehabt. Und sie war offensichtlich so verliebt in Jayden, das sie wohl kaum auf die Warnung eines Freaks wie mir hören würde.

Aber war es nicht trotzdem meine Pflicht, sie irgendwie zu warnen? Es lief mir kalt den Rücken herunter, als ich mir vorstellte, wie Jessy starb, weil ich ihr nichts gesagt hatte.

Als ich Jessica nach der letzten Stunde sah, wie sie, ausnahmsweise ganz alleine, die Treppe runterkam, ergriff ich meine Chance. Wahrscheinlich würde sie mich auslachen, aber dann hatte ich es wenigstens versucht.

„Hey, Jessica!", rief ich, als ich sie am Fuß der Treppe abpasste. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als sie mich sah. Habe ich erwähnt, dass wir zwei nicht die besten Freunde waren?

„Was willst du denn? Ach, lass mich raten: Es geht um einen gewissen Typen namens Jayden. Du hast keine Ahnung, wie du ihn anmachen sollst, und jetzt fragst du mich um Hilfe."

Ich wollte den Mund aufmachen und etwas sagen, aber sie schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab.

„Lass dir eins sagen: Jayden spielt nicht in deiner Liga. Mach dir lieber erst gar keine Hoffnungen."

„Jess, das ist jetzt nur ein gut gemeinter Rat, also flippe bitte nicht gleich aus", sagte ich so ruhig wie möglich. „Aber lass die Finger von Jayden. Ich werde ganz bestimmt nichts mit ihm anfangen, da kannst du beruhigt sein. Aber er ist nicht der, für den du ihn hältst."

„Ach, und das sagst du, weil du ihn so gut kennst?" Sie hob abwertend eine Augenbraue.

„Ich weiß mehr über ihn als du. Er ist gefährlich. Du willst nichts mit ihm zu tun haben."

„Hör zu, ich weiß, dass du ein abnormaler Freak bist. Ich weiß nicht, was das für ein krankes Spiel sein soll, aber dir sollte klar sein, dass ich überhaupt nur mit dir rede, weil ich Mitleid mit dir habe!"

Na, vielen Dank auch. Gott sei Dank hatte ich mit so einer Reaktion gerechnet und war darauf vorbereitet. Ich zuckte mit den Schultern.

„Natürlich ist es deine Entscheidung. Ich kann nicht mehr tun als dich zu warnen, aber Jay wird dir das Herz brechen. Und ich meine das wörtlicher, als du dir

vorstellen kannst. Er ist gefährlich, und da ist nichts Witziges oder gar Romantisches dran. Es gibt genug gut aussehende Jungen an dieser Schule- nur von ihm solltest du dich fern halten."

„Ist deine dramatische Rede jetzt beendet?", fragte Jessica gelangweilt. „Ich muss los- ich habe noch eine Verabredung mit Jay. Im Gegensatz zu dir redet er nämlich noch mit mir und ignoriert mich nicht. Aber viel Glück noch mit ihm- ich bin sicher, du wirst es brauchen."

Reborn - Bittersüße RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt